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Montag, 26. April 2010

Heimspiel in Mainz


Eine geschlagene Arbeitswoche lang lag ich bei strahlendem Sonnenschein im Bett, auf dem Boden verstreut Papierchen von Salbeibonbons und Asterixhefte; auf dem Tisch daneben dampfte eine Tasse Kamillentee während ich mir die Seele aus der Lunge hustete. Freitag Mittag sagte ich schweren Herzens die geplante Schifffahrt nach Mainz ab und verkabelte anschließend merkwürdige Laute von mir gebend die Anlage im Museum, um die lange Nacht der Museen vorzubereiten. Abends entschied ich mich dann doch nach Mainz zu fahren, im Zweifel mit der S-Bahn.

Der folgende Tag war ein schöner, im Ohr wummerten lässige Trance-Melodien, der Main glitzerte in der Sonne, Ruderer paddelten in Richtung Ruderdorf und ich hatte Glück; Uli und Bernie machten sich mit dem Auto in Richtung Mainz auf und hatten noch ein Plätzlein frei, den ich am Main-Plaza gerne in Anspruch nahm. Gesund geht anders; Matchdayfeeling geht anders, aber was solls - für Wolfsburg habe ich noch keine Karten, vielleicht wird dies mein letztes Auswärtsspiel in dieser Saison: Begonnen in Offenbach, beendet in Mainz.

Da Pia wegen eines privaten Termins mit dem silbernen Golf unterwegs war, saß ich nun in einem Citroen, ein Eintracht-Schal im Heckfenster kündete von unserer Gesinnung und im Autoradio liefen erstaunlicherweise die Smiths, als wir über Rhein und Weisenau nach Mainz einrollten - und in der Nähe des Gerichts parkten. Wie es so ist, wenn man mit Uli unterwegs ist führte der erste Weg in eine Metzgerei und der zweite zum Wochenmarkt in der Innenstadt. Ein Einheimischer ohne erkennbaren Fußballbezug rempelte mich unweit des Fanshops von Dimo Wache humorlos über den Haufen, ansonsten war die Stimmung in der Innenstadt unaufgeregt frühlingshaft. Denkmäler und große Häuser glänzten in der Sonne - ich bin eigentlich ganz gerne in Mainz - wenn nur der Fußball nicht wäre.

So röchelte ich von Zeit zu Zeit vor mich hin, als wir uns so langsam per Pedes Richtung Bahnhof und von dort Richtung Stadion aufmachten. Der Bus der 05er rollte an uns vorbei, Fähnchen flatterten lustlos an Wohnhäusern und sobald wir in die unmittelbare Nähe der Bruchbude kamen, hatte uns die Wirklichkeit eingeholt. Polizeiketten trennten die Guten von den Bösen während die Sonne auf den schwer bewachten Gästeeingang knallte. Peu a peu trudelten die Busse ein und brachten die Schifffahrer (erkennbar an knallroten Gesichtern) zum Eingang, während ich in neutraler Kleidung den nahe gelegenen Supermarkt aufsuchen wollte, um Wasser für uns zu besorgen. Der erste Versuch, die Polizeikette zu durchbrechen scheiterte am aufopferungsvollen Kampf eines Polizisten, der mich mit eisernem Griff am Arm packte. Ich guckte ihn verständnislos an und dachte, was man in solche Fällen zu denken pflegt - er aber stierte zurück und singsangte nach einer Weile: Was guggsten misch so aaaaa - wobei das aaaaa melodisch tiefergelegt war. Isch mach auch nur mei Aaaabeit.

Um mich herum marschierten Mainzer vor dem Gästeeinang, auf der anderen Seite Frankfurter im Mainzer Bereich - je nachdem wer von wo ankam - ich aber, der weder als Frankfurter noch als Mainzer zu erkennen war, ließ den singsangenden Arbeitmacher links liegen und marschierte ein paar Meter weiter fröhlich durch die Polizisten hindurch und sah, wie ein Eintrachtler von einer ganzen Gruppe schwer gepanzerter Arbeitmacher isoliert, gefilmt und polizeilich aufgenommen wurde.

Im Supermarkt war der Bereich für alkoholische Getränke säuberlich durch Folie verhängt und durch Mitarbeiter bewacht, die sich sichtbar unwohl fühlten, der Bereich Buttermilch und Wasser jedoch war frei zugänglich und so enterte ich mit drei Flaschen Wasser in der Hand erneut den Gästebereich.

Vor dem einzigen Eingang stapelten sich die Eintrachtler, so dass ich es vorzog, an einem Mäuerchen im Schatten die Zeit vergehen zu lassen. Thomas, der das FuFa-Schiff organisiert hatte, tat es mir gleich und erst als die Menschentraube kurz vor Beginn des Spiels auf überschaubare Maße zusammen geschrumpft war, betrat ich die Blechschüssel.

Der Stehplatzbereich war natürlich proppevoll und da ich wenig Lust verspürte, mich durch die Massen zu quetschen, verharrte ich oberhalb der Stufen und sah sogar von Zeit zu Zeit ein paar Quadratmeter vom Spielfeld. Das war auch ganz gut so - denn zweimal erkannte ich Alex Meier beim Schuss, zweimal lag die Kugel im Netz - aber es war nicht das erste Mal, dass die Eintracht hier mit zwei Treffern in Führung lag, gewonnen war noch gar nichts. Clark soll sogar auch mitspielen, gesehen hatte ich ihn bislang allerdings noch nicht. Aber das lag nicht an ihm.

Kurz und gut, Fußball ohne Fußball ist scheiße und so verließ ich die Bruchbude und wanderte an verdutzten Ordnern vorbei in die Freiheit. Ein Grüppchen Freund und Helfer stritt sich um ein Eis, die Sonne verhieß einen chilligen Nachmittag und so ließ ich mich durch einen Park in Richtung Bahnhof treiben. Schon wenige Meter vom Stadion entfernt war von Bundesliga so gut wie gar nichts zu spüren; am Bahnhof jedoch wurde ein Grüppchen Frankfurter von einer Hundertschaft durch die Gegend drangsaliert, in einer Spelunke namens Oberbayern erhaschte ich den aktuellen Spielstand und erkannte, dass Mainz den Anschlusstreffer geschafft hatte.

Ein paar Meter davon entfernt traf ich Steff vom Fanprojekt auf der Gass, welcher aus einer Kneipe kam, in die ich nun hinein marschierte. Gabi war auch schon dort und noch einige andere Frankfurter dazu, während die Wirtin mit eiserner Stimme das Regiment führte. Widerspruch zwecklos. Ich hockte bei einem Apfelwein aus seltsam ungerippten Gläsern, starrte auf den kleinen Fernseher und nahm den Ausgleich der Mainzer hin. Korkmaz erneuter Führungstreffer ließ mich hoffen, aus einer Ecke erhob jemand die Stimme für St. Pauli und es kam wie es kommen musste: kurz vor Schluss köpfte Bancé den erneuten Ausgleich für Mainz - und im End kann man sagen: Gott sei Dank blieb es dann auch dabei.

Bernie und Uli hatten mittlerweile die Polizeisperre nach Spielende durchbrochen und sammelten mich am Bahnhof auf. Gemeinsam mit Anno marschierten wir zum Auto und nach einem kurzen Stau vor der Autobahn sausten wir wieder in Richtung Heimat.

Gegenüber unseres Stadions verabschiedete ich mich von meinen Mitfahrern und latschte über die Brücke in Richtung Museum. Später flatterte Attila vorbei, noch später legte Henni Nachtsheim einen lustigen Auftritt hin, wiederum später plauderte ich mit Alex Schur über seine Sicht des Spiels und seine Mannschaft, die U17, die sich anschickt, Süddeutscher Meister zu werden und um die Deutsche Meisterschaft mit zu spielen und noch später sang der Polizeichor live und in Farbe: Im Herzen von Europa.

Tags drauf stand ich mit Pia am Bornheimer Hang und guckte mir den FSV gegen Augsburg an. Nachdem der Herr Bancé uns an der Tanke über den Weg gefahren kam. Im Block standen St. Paulianer, Osnabrücker, Eintrachtler und Bornheimer, gegenüber die Augsburger und rechts im Eck Lauterer, die Frankfurt unterstützten - und durch den Punktgewinn des FSV ihren Bundesligaaufstieg feierten. So kamen wir dann doch noch zum Fußball.

Sonntag, 31. Januar 2010

Sick of it all


Als nachts in eisiger Kälte die Seitenscheibe der Fahrerseite des silbernen Golfs mit einem knackenden Geräusch aus der Halterung sauste und in die Tür fiel; wir also bei offenem Fenster über das Glatteis schlingerten und ich wenige Minuten später hinter dem Haus das offene Fenster verklebte, da entfuhren mir zum gefühlt fünfzigsten Mal die Worte: Ach Scheiße.

Dabei fing alles eigentlich ganz gut an; schon gegen 13:00 parkten wir an der Louisa, wanderten durch den verschneiten Stadtwald, gegen 13:30 öffnete das Museum seine Pforten und wir hatten ein bisschen was zu tun. Der Weg durch den Winterwald bot poetische Bilder, prosaisch wurde es erst, als wir in die Zivilisation zurück kehrten und über kaum geräumte Wege parallel zur Straßenbahn zum Haupteingang marschierten. Einige Wenige standen schon beim Bratwurst-Walter, andere hielten Tickets zum Verkauf in die Höhe - der Einlass aber war kurz und schmerzlos.

Neulich hatte ich ja ein kleines Rätsel veröffentlicht; ihr solltet anhand gemalter Beine und Schuhe Eintracht-Spieler erraten. Im Verlauf des Postings wünschte sich Schnellinger die obere Hälfte des Bildes; dies hole ich hiermit nach, obgleich - um der Wahrheit die Hand zu reichen - es in Wirklichkeit zwei Bilder sind.

Who is who?

Zu schwer, ich weiß.

Ich nestelte mir noch ein Christoph-Preuß-Button an meine Winterjacke, als mich mein Vater im Museum abholte und wir in Richtung unserer Plätze dackelten. Wir wussten schon, dass unser Neuzugang Halil Altıntop von Beginn an spielte; was dies aber insgesamt zu bedeuten hatte, wurde uns erst im Verlauf der Partie klar. Kurz darauf kam auch Pia, die noch einige Museums-Flyer verteilt hatte. Laune: gut.

Mitgedacht hatte die Eintracht; Christoph Preuß, der unter der Woche seinen bewegenden Abschied vom Profi-Fußball verkündet hatte, bedankte sich unter prasselndem Applaus für all die Jahre und Unterstützung und verkündete die Manschaftsaufstellung per Mikrofon; Wir sind alle Frankfurter Jungs schallte es von den Rängen, die mit insgesamt 45.100 Zuschauer wiederum relativ schwach besetzt waren.

Los gings, die Eintracht gegen den 1.FC Köln, ein Klassiker mit unvorhersehbarem Ausgang. Nicht dabei waren verletzungsbedingt: Amanatidis, Bajramovic, Fenin, Schwegler, Vasoski und natürlich auch Preuß, während auf Kölner Seite Podolski fehlte. Vasoski gegen Podolski, das war ein Duell, erinnert ihr euch? Hier zum Beispiel oder auch hier. Sebastian Jung war wieder auf die Bank gerutscht; Franz nahm dessen Position in der rechten Verteidigung ein, Chris rückte nach Gelbsperre wieder nach innen und Teber versuchte sich auf Schweglers Position.

Von Zeit zu Zeit segelten sich lösende Schneeschichten vom Dach aufs Spielfeld; der Videowürfel verkündete ein Gladbacher Tor nach dem anderen gegen Bremen und urplötzlich zeigte die eingeblendete Tabelle eine Eintracht auf dem sechsten Platz. Europapokal hallte es kurz darauf durch Stadion; nicht sonderlich ernst gemeint; von uns - aber auch von den Akteuren, die nichts dafür taten, uns zu erwärmen. Eine Chance von Ochs, ein Kopfball von Russ - das war's in einer lahmen ersten Halbzeit. Meier, Liberopoulos und Altıntop teilten sich eine Position und wussten nicht so recht wohin mit sich und der Welt.

Halbzeit. Seitenwechsel.

Nikolov zeichnete sich während des gesamten Spiels durch mindestens drei beherzte Sprints außerhalb des Strafraumes aus - und klärte vor den heraneilenden Kölnern in ungewohnter Manier. Machtlos aber war er in der 59. Minute, als Maniche von Freis schön freigespielt die Kugel im Eintrachtherz versenkte. Skibbe reagierte, brachte Korkmaz für Köhler - und nur wenig später wälzte sich Korkmaz auf dem Boden; Neu-Kölner Tosic hatte ihm eine mitgegeben und es sah zunächst schwer danach aus, dass der Einsatz von Üüüüüüüümit nach wenigen Minuten schon wieder ein Ende gefunden hatte. Korkmaz aber biss sich durch. Das bittere Ende kam nach Abpfiff: Jochbeinbruch - eine erneute längere Pause wird folgen. Hatte schon letzte Woche der Nürnberger Andreas Wolf Pirmin Schwegler schwer verletzt, so war nun der nächste Ausfall zu beklagen. Sowohl Wolf als auch Tosic waren mit Gelb mehr als gut bedient.

Schwer flockte nun der Schnee durchs Flutlicht ins Stadion, endlich kam Farbe ins Spiel: Ein orangener Flutlichtball. Dann kam Caio für Liberopoulos und Bewegung in die Partie; die Eintracht erinnerte sich an Fußball, Meier und Teber scheiterten aus der Distanz an Mondragon, und holte sich dann doch den Ausgleich; im dritten Anlauf drosch Chris die Kugel resolut ins Netz, zuvor hatten Mondragon und ein Kölner noch die Versuche der Frankfurter abwehren können. Jawoll. Verdient. Endlich. High Five. Jawoll.

Altıntop hatte kurz darauf die Führung auf dem Schlappen, rutschte weg und sie war dahin; die Gelegenheit.

84. Spielminute; Stadiondurchsage. Zwei zu Eins für den 1. FC Köln durch ein Eigentor. Dass es Russ gewesen ist, zeigten uns erst die Bilder der Sportschau; dass es aber ein Treffer war, dem selbst einem Stürmer aus dieser Position aufs gegnerische Tor höchst selten gelingt, war schon im Stadion sichtbar. Flugkopfball, schräg, aus geschätzten zwölf Metern.

Scheißescheißescheißescheiße.

Die letzten Minuten, sie gingen sinnlos dahin, auch der erste Bundesligaeinsatz von Marcos Alvarez brachte nicht viel; Schlusspfiff; Abmarsch. Ausgerechnet gegen die Scheiß-Kölner murmelte ich vor mich hin; unterbrochen von einem seufzenden ach Scheiße.

Die Läuferin am Stadioneingang betrachtete leichtbekleidet und verschneit unseren Abgang, wir rutschten übers Eis durch den Wald zurück zu den Autos, die letzten Weihnachtsplätzchen wurden ausgetauscht; die Scheiben gekratzt und so schlingerte ein Golf Richtung Nordend und ein Mitsubishi nach Dietzenbach.

Nach einem Tee und der Sportschau ging's rüber nach Offenbach, die Dropkick Murphys gaben sich die Ehre, zuvor performten Sick of it all. Jede Menge Eintrachtler waren anwesend, ob sie die nachmittäglichen 90 Minuten vergessen konnten ist nur zum Teil überliefert; das Konzert jedoch war um Längen besser als der Kick.

Naja, dann sauste die Scheibe runter; das war's. Sick of it all.




Dank Stefan habe ich im Header einen neuen Adler. Legal. Danke.

Freitag, 13. März 2009

Der Kopf stinkt vom Fisch her


Warum hab ich bloß den Bullen erschossen
er hat mir doch gar nichts getan
ich war weder stoned, noch war ich besoffen
das Grün brachte mich so in Wahn
...

... sang Marius Müller Westernhagen im Jahr 1982 im Song Ich hab keine Lust mehr im Regen zu steh'n; am 13. März 2009 tönten die Worte aus dem offenen Fenster des silbernen Golfs, der durch die ersten zaghaften Frühlingssonnenstrahlen durch Frankfurt tuckerte. Die Mädchen auf den Straßen trugen Sonnenbrillen und die ersten Krokusse schoben sich aus der Erde, als Pia und ich in Niederrad nahe unseres Lieblingsimbiss parkten. Die Besitzerin grüßte freundlich wie immer und wir orderten vier Burger inclusive Getränke und futterten bald zufrieden auf Bierbänken sitzend gut gelaunt unsere Frühlingsburger. Ein kleiner Lieferwagen bog um die Ecke und hupte kurz auf, wir erkannten am Steuer Tristan, im wahren Leben Eintrachtfan und - Schornsteinfeger, wir winkten zurück und freuten uns zum einen über die kleine Begegnung und zum anderen über das kleine Symbol des Glücks, welches uns der liebe Gott mirnichtsdirnichts vorbei geschickt hatte.

Pappsatt marschierten wir zum Golf und rollten durch Niederrad in Richtung Stadion, vorbei am Union-Sportplatz und schon fuhren wir durch Tor 3 und parkten vor dem Museum. Auf dem Trainingsplatz erkannten wir unseren Kapitän Ioannis Amanatidis, der zusammen mit Reha-Trainer Farbacher und vor allem mit einem Ball trainierte, vorbei die Zeit, als er mit Krücken an der Seite stand. Im Museum packte die Praktikantin Geburtstagspäckchen für anstehende Kindergeburtstage; wir sagten Hallo, tranken einen Kaffee, begrüßten Stefan, der mit seinem uralten Golf samt nagelneuer TÜV-Plakette und funktionierender Fahrertür angerollt kam und während Pia und Stefan bei einer Zigarette unserem Captain bei der Arbeit zusahen, fidelte ich kurzerhand Matze im Tischfußball mit 10:6 ab. All zu oft darf ich dies nicht machen, ich müsste mir sonst einen anderen Job suchen. Aber Matze nahm's sportlich.

Wir verließen vorerst das Museum, denn die Jungs unserer Eintracht trudelten peu a peu auf dem Trainingsplatz ein. Auch Peter war schon anwesend - und hatte vorgehört. Es scheint hoffnungslos, ein Teil der Kibitze war sich sicher, dass die Eintracht morgen mit 0:5 untergeht und überhaupt, der Fisch stinke vom Kopf her, spätestens zum Jahresende müssen alle weg und so weiter und so fort; manchmal stellt sich ja durchaus die Frage, wie es so mancher Zeitgenosse über die Runden schafft, so ohne einen Funken Selbstironie, ohne Spaß an der Sache; aber just diesen wollten wir uns nicht nehmen lassen. Auch wenn das Leben manchmal kompliziert ist, die deutsche Sprache ist es sowieso. Die Mehrzahl von Globus lautet bekanntlich Globen. Und die Mehrzahl von Krokus? Mitnichten Kroken, nein, es sind die Krokusse. Ähnlich wie bei Bus; auch dort heißt es nicht Ben sondern Busse. Oder aber Kuh - Kühe. Wer jetzt denkt die Mehrzahl von Schuh würde Schühe lauten ist ebenso schief gewickelt wie derjenige, der denkt Mühe wäre der Plural von Muh. Nunja, zurück zum Sport.

Während sich Pia ob der Waden von Kweuke gar nicht mehr einkriegen sollte, gesellten sich die beiden Ulis zu uns und gemeinsam stellten wir fest, was nur emsigen Trainingsbeobachtern auffällt. Pröll hatte sich die Haare gefärbt und Spycher neue Strähnchen, sah für Fußballer recht flott aus - ein wenig unpassend finden wir generell nur die Stutzen, durch welche die Waden leicht durchschimmern, das hat sowas von Nylonsocken für Männer - eher uncool.

Andi Menger wummste den Torhütern Pröll und Nikolov ein paar Bälle um die Ohren, dass man glauben konnte, unser Torwarttrainer sei der beste Standard-Schütze der Eintracht - vielleicht sollte er mal mit den Buben Ecken üben. Weiter hinten stand ein Mann mit verschränkten Armen und bewegte sich nicht; nein es war nicht Bellaid sondern unser erster Übungsleiter, der beiläufig den ganz in schwarz gekleideten jungen Männer beim Spiel zuschaute. Nein, nicht unseren Ultras, unserer ersten Mannschaft, die heute ohne Liberopoulos und Ochs trainierte. Auch die Herren Toski, Preuß und Vasoski fehlten schriftlich entschuldigt, während Krük und Zimmermann wohl bei der U23 weilten. Der Herr Caio trug Handschuhe bei frühlingsmilden Temperaturen und der Herr Kweuke ganz kurze Socken zu roten Kickschuhen. Ümit Korkmaz bevorzugte laubfroschgrünes Schuhwerk und Zlatan Bajramović eine schwarze Mütze. Überhaupt Bajramović , er lachte während des gesamten Trainings ein ums andere Mal, ob dies allerdings an den Handschuhen von Caio lag, ist nicht übermittelt.

Es folgte eine Trainingseinheit, die wir Spielzug nannten. Einzelheiten verrate ich hier nicht, nicht dass es morgen gegen 17:20 heißt, ich hätte unserem Gegner intimste Geheimnisse ausgeplaudert - und sei fortan Schuld für Geheimtraining ohne Zuschauer. Am Rand des Platzes standen einige Vertreter der schreibenden Zunft, die wir mit einem herzlichen deutsche Presse halt die Fresse begrüßten.

Nein, machten wir natürlich nicht, wir beobachteten eine wunderschöne Choreografie unserer Mannen, diesmal aus der Disziplin Synchrontorschleppen. Jeweils vier Spieler an einer Seite trugen im Gleichschritt ein Tor zu einer Linie, drehten sich formvollendet und setzten das Tor punktgenau auf die Linie, das macht uns so schnell keiner nach; die Bewegungen gingen derart geschmeidig ineinander über, da merkt man erst die Handschrift des langjährigen Trainers, der sich später tatsächlich bewegte.


Es folgte ein munteres Trainingsspielchen, wo zunächst ich selbst durch ein butterweiches Ballzurückspiel auffiel, nur wenig später schaffte Stefan ein gleiches noch eleganter, was ihm spontanen Szenenapplaus einbrachte, den er huldsam wie eine Königin entgegen nahm.

Fink schoss einen wunderbaren Treffer, der uns zu wahren Begeisterungsstürmen hinriss, Kweuke guckte doof, wenn Pröll "Leo" rief und Sebastian Jung schleppte später die gelben Männchen übers Grün, während sich Chris einen Ball unter sein Leibchen steckte derweil er noch ein paar Flanken schlug; sage einer, die Buben hätten den Ernst der Lage nicht begriffen.

Unser Trainer hatte sich im Laufe des Tages nicht nur bewegt, nein: er hatte sogar gesprochen. Nah bei nah stand er mit Nikolov beisammen und plauderte mit ihm, wir können nur raten, was er gesagt hat, vielleicht sowas wie: Du glaubst doch wohl selbst nicht, dass du morgen spielst. Wenig später legte er jovial den Arm auf die Schulter unserer Nummer 11 und zeigte Menschlichkeit, wie sonst nur im Kölner Karneval. Was er zu Korkmaz sprach ist ebensowenig überliefert, wie die Worte zu Oka. Könnte es gewesen sein, dass er zu unserem Außenflitzer gesagt hat: Österreicher von Beginn an? Nicht solange ich Trainer bei Eintracht Frankfurt bin. Und könnte Ümit geantwortet haben: Naja, die zwei, drei Wochen kann ich es verschmerzen.

Nein, das ist bloß erfunden, lasst euch nicht veräppeln.

Später wollte der freundliche Zlatan Bajramović unbedingt noch ein Bild mit uns machen; selbst wenn wir geschlaucht vom Training sind, müde vom sich zum Abend neigenden Tag finden wir immer noch ein Minütchen, um auf die Wünsche der Spieler einzugehen; Pia knipste und ist also gedanklich dort zu finden, wo im Moment eure Augen sind.


Kurz danach kam sogar noch Kid vorbei, er hatte dem Museum einen kurzen Besuch abgestattet und wir unterhielten uns ein bisschen über die wenig erfreuliche Situation des Internetforums der Frankfurter Eintracht und über den Ausblick für das morgige Spiel. Sehr erbaulich war dabei die Information, dass Trainer Rangnick seinerzeit wegen der Trennung AG-e.V. nicht zur Eintracht wollte, da er keinerlei Verfügungsgewalt über den Nachwuchs haben sollte. Also, am Geld hat es damals nicht gelegen. Niemals.

Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen.

Kid will morgen unbedingt gewinnen - und da ich der gleichen Ansicht bin, kann ja nun nichts mehr schief gehen. Während Uli telefonisch noch eine Karte erstehen konnte, machte sich der andere Uli vom Acker, auch Stefan verließ uns und so marschierten Pia, Kid und ich zurück ins Museum, wo Matze und Billy gerade dabei waren diverse Exponate an der Wand zu verdübeln, jener Matze der unlängst von Henni Nachtsheim zum Trainer der Eintracht geadelt wurde.

Matze legte eine DVD ein, welche Filmaufnahmen unserer Kurve während des Pokalendspiels in Berlin 2006 zeigte, jener Höhepunkt der letzten Jahre, der heute in dieser Art undenkbar ist; zuviel ist geschehen, zuviele tummeln sich im vierten Jahr der Erstklassigkeit der Eintracht im Umfeld, deren Ansprüche weit über das bestehende hinausgehen; der Zusammenhalt, der uns über Jahre hinweg mehr oder weniger auszeichnete, ist passé.

Für Kid hatten die Szenen natürlich eine besondere Bedeutung, sah er dieses Spiel doch mit seinem Neffen Marcus, der tragischerweise im letzten Jahr gestorben ist; ihm gingen die Bilder sichtlich nahe und er verabschiedete sich traurig von uns.

Als der Auftritt Tankards gezeigt wurde, durchliefen mich nicht nur Schauer der Erinnerung sondern mir flossen tatsächlich einige Tränen die Wangen hinab. Die Erinnerung an die Tage in Berlin, die Traurigkeit Kids und der erlebte Tag forderten ihren Tribut.

Nebenbei gewannen wir dann doch noch den DFB Pokal und verabschiedeten uns von Matze, der morgen wie wir alle im Stadion sein wird, wenn die Eintracht souverän und in dieser Höhe auch verdient die Emporkömmlinge der TSG Hoffenheim mit 4:1 nach Hause schickt.

Auf dem Rückweg konnten wir aus den Augenwinkeln den Mannschaftsbus der Mannschaft entdecken, die in meinen Augen sozusagen die Silikonbrüste des deutschen Fußballs sind.

Im CD-Player lief ein Lied des leider auch schon verstorbenen Georg Danzer mit dem Titel Weiße Pferde; es begleitet mich schon etliche Jahre und es ist ein wunderbarer Song, der mich immer wieder zu Tränen rührt. Irgendwie passte er zur Heimfahrt, Berufsverkehr auf der A3, Pendler, Handwerker, das wirkliche Leben. Kühl ist es geworden. Aber morgen scheint die Sonne, da bin ich sicher.