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Freitag, 13. März 2009

Der Kopf stinkt vom Fisch her


Warum hab ich bloß den Bullen erschossen
er hat mir doch gar nichts getan
ich war weder stoned, noch war ich besoffen
das Grün brachte mich so in Wahn
...

... sang Marius Müller Westernhagen im Jahr 1982 im Song Ich hab keine Lust mehr im Regen zu steh'n; am 13. März 2009 tönten die Worte aus dem offenen Fenster des silbernen Golfs, der durch die ersten zaghaften Frühlingssonnenstrahlen durch Frankfurt tuckerte. Die Mädchen auf den Straßen trugen Sonnenbrillen und die ersten Krokusse schoben sich aus der Erde, als Pia und ich in Niederrad nahe unseres Lieblingsimbiss parkten. Die Besitzerin grüßte freundlich wie immer und wir orderten vier Burger inclusive Getränke und futterten bald zufrieden auf Bierbänken sitzend gut gelaunt unsere Frühlingsburger. Ein kleiner Lieferwagen bog um die Ecke und hupte kurz auf, wir erkannten am Steuer Tristan, im wahren Leben Eintrachtfan und - Schornsteinfeger, wir winkten zurück und freuten uns zum einen über die kleine Begegnung und zum anderen über das kleine Symbol des Glücks, welches uns der liebe Gott mirnichtsdirnichts vorbei geschickt hatte.

Pappsatt marschierten wir zum Golf und rollten durch Niederrad in Richtung Stadion, vorbei am Union-Sportplatz und schon fuhren wir durch Tor 3 und parkten vor dem Museum. Auf dem Trainingsplatz erkannten wir unseren Kapitän Ioannis Amanatidis, der zusammen mit Reha-Trainer Farbacher und vor allem mit einem Ball trainierte, vorbei die Zeit, als er mit Krücken an der Seite stand. Im Museum packte die Praktikantin Geburtstagspäckchen für anstehende Kindergeburtstage; wir sagten Hallo, tranken einen Kaffee, begrüßten Stefan, der mit seinem uralten Golf samt nagelneuer TÜV-Plakette und funktionierender Fahrertür angerollt kam und während Pia und Stefan bei einer Zigarette unserem Captain bei der Arbeit zusahen, fidelte ich kurzerhand Matze im Tischfußball mit 10:6 ab. All zu oft darf ich dies nicht machen, ich müsste mir sonst einen anderen Job suchen. Aber Matze nahm's sportlich.

Wir verließen vorerst das Museum, denn die Jungs unserer Eintracht trudelten peu a peu auf dem Trainingsplatz ein. Auch Peter war schon anwesend - und hatte vorgehört. Es scheint hoffnungslos, ein Teil der Kibitze war sich sicher, dass die Eintracht morgen mit 0:5 untergeht und überhaupt, der Fisch stinke vom Kopf her, spätestens zum Jahresende müssen alle weg und so weiter und so fort; manchmal stellt sich ja durchaus die Frage, wie es so mancher Zeitgenosse über die Runden schafft, so ohne einen Funken Selbstironie, ohne Spaß an der Sache; aber just diesen wollten wir uns nicht nehmen lassen. Auch wenn das Leben manchmal kompliziert ist, die deutsche Sprache ist es sowieso. Die Mehrzahl von Globus lautet bekanntlich Globen. Und die Mehrzahl von Krokus? Mitnichten Kroken, nein, es sind die Krokusse. Ähnlich wie bei Bus; auch dort heißt es nicht Ben sondern Busse. Oder aber Kuh - Kühe. Wer jetzt denkt die Mehrzahl von Schuh würde Schühe lauten ist ebenso schief gewickelt wie derjenige, der denkt Mühe wäre der Plural von Muh. Nunja, zurück zum Sport.

Während sich Pia ob der Waden von Kweuke gar nicht mehr einkriegen sollte, gesellten sich die beiden Ulis zu uns und gemeinsam stellten wir fest, was nur emsigen Trainingsbeobachtern auffällt. Pröll hatte sich die Haare gefärbt und Spycher neue Strähnchen, sah für Fußballer recht flott aus - ein wenig unpassend finden wir generell nur die Stutzen, durch welche die Waden leicht durchschimmern, das hat sowas von Nylonsocken für Männer - eher uncool.

Andi Menger wummste den Torhütern Pröll und Nikolov ein paar Bälle um die Ohren, dass man glauben konnte, unser Torwarttrainer sei der beste Standard-Schütze der Eintracht - vielleicht sollte er mal mit den Buben Ecken üben. Weiter hinten stand ein Mann mit verschränkten Armen und bewegte sich nicht; nein es war nicht Bellaid sondern unser erster Übungsleiter, der beiläufig den ganz in schwarz gekleideten jungen Männer beim Spiel zuschaute. Nein, nicht unseren Ultras, unserer ersten Mannschaft, die heute ohne Liberopoulos und Ochs trainierte. Auch die Herren Toski, Preuß und Vasoski fehlten schriftlich entschuldigt, während Krük und Zimmermann wohl bei der U23 weilten. Der Herr Caio trug Handschuhe bei frühlingsmilden Temperaturen und der Herr Kweuke ganz kurze Socken zu roten Kickschuhen. Ümit Korkmaz bevorzugte laubfroschgrünes Schuhwerk und Zlatan Bajramović eine schwarze Mütze. Überhaupt Bajramović , er lachte während des gesamten Trainings ein ums andere Mal, ob dies allerdings an den Handschuhen von Caio lag, ist nicht übermittelt.

Es folgte eine Trainingseinheit, die wir Spielzug nannten. Einzelheiten verrate ich hier nicht, nicht dass es morgen gegen 17:20 heißt, ich hätte unserem Gegner intimste Geheimnisse ausgeplaudert - und sei fortan Schuld für Geheimtraining ohne Zuschauer. Am Rand des Platzes standen einige Vertreter der schreibenden Zunft, die wir mit einem herzlichen deutsche Presse halt die Fresse begrüßten.

Nein, machten wir natürlich nicht, wir beobachteten eine wunderschöne Choreografie unserer Mannen, diesmal aus der Disziplin Synchrontorschleppen. Jeweils vier Spieler an einer Seite trugen im Gleichschritt ein Tor zu einer Linie, drehten sich formvollendet und setzten das Tor punktgenau auf die Linie, das macht uns so schnell keiner nach; die Bewegungen gingen derart geschmeidig ineinander über, da merkt man erst die Handschrift des langjährigen Trainers, der sich später tatsächlich bewegte.


Es folgte ein munteres Trainingsspielchen, wo zunächst ich selbst durch ein butterweiches Ballzurückspiel auffiel, nur wenig später schaffte Stefan ein gleiches noch eleganter, was ihm spontanen Szenenapplaus einbrachte, den er huldsam wie eine Königin entgegen nahm.

Fink schoss einen wunderbaren Treffer, der uns zu wahren Begeisterungsstürmen hinriss, Kweuke guckte doof, wenn Pröll "Leo" rief und Sebastian Jung schleppte später die gelben Männchen übers Grün, während sich Chris einen Ball unter sein Leibchen steckte derweil er noch ein paar Flanken schlug; sage einer, die Buben hätten den Ernst der Lage nicht begriffen.

Unser Trainer hatte sich im Laufe des Tages nicht nur bewegt, nein: er hatte sogar gesprochen. Nah bei nah stand er mit Nikolov beisammen und plauderte mit ihm, wir können nur raten, was er gesagt hat, vielleicht sowas wie: Du glaubst doch wohl selbst nicht, dass du morgen spielst. Wenig später legte er jovial den Arm auf die Schulter unserer Nummer 11 und zeigte Menschlichkeit, wie sonst nur im Kölner Karneval. Was er zu Korkmaz sprach ist ebensowenig überliefert, wie die Worte zu Oka. Könnte es gewesen sein, dass er zu unserem Außenflitzer gesagt hat: Österreicher von Beginn an? Nicht solange ich Trainer bei Eintracht Frankfurt bin. Und könnte Ümit geantwortet haben: Naja, die zwei, drei Wochen kann ich es verschmerzen.

Nein, das ist bloß erfunden, lasst euch nicht veräppeln.

Später wollte der freundliche Zlatan Bajramović unbedingt noch ein Bild mit uns machen; selbst wenn wir geschlaucht vom Training sind, müde vom sich zum Abend neigenden Tag finden wir immer noch ein Minütchen, um auf die Wünsche der Spieler einzugehen; Pia knipste und ist also gedanklich dort zu finden, wo im Moment eure Augen sind.


Kurz danach kam sogar noch Kid vorbei, er hatte dem Museum einen kurzen Besuch abgestattet und wir unterhielten uns ein bisschen über die wenig erfreuliche Situation des Internetforums der Frankfurter Eintracht und über den Ausblick für das morgige Spiel. Sehr erbaulich war dabei die Information, dass Trainer Rangnick seinerzeit wegen der Trennung AG-e.V. nicht zur Eintracht wollte, da er keinerlei Verfügungsgewalt über den Nachwuchs haben sollte. Also, am Geld hat es damals nicht gelegen. Niemals.

Niemand hat die Absicht, eine Mauer zu bauen.

Kid will morgen unbedingt gewinnen - und da ich der gleichen Ansicht bin, kann ja nun nichts mehr schief gehen. Während Uli telefonisch noch eine Karte erstehen konnte, machte sich der andere Uli vom Acker, auch Stefan verließ uns und so marschierten Pia, Kid und ich zurück ins Museum, wo Matze und Billy gerade dabei waren diverse Exponate an der Wand zu verdübeln, jener Matze der unlängst von Henni Nachtsheim zum Trainer der Eintracht geadelt wurde.

Matze legte eine DVD ein, welche Filmaufnahmen unserer Kurve während des Pokalendspiels in Berlin 2006 zeigte, jener Höhepunkt der letzten Jahre, der heute in dieser Art undenkbar ist; zuviel ist geschehen, zuviele tummeln sich im vierten Jahr der Erstklassigkeit der Eintracht im Umfeld, deren Ansprüche weit über das bestehende hinausgehen; der Zusammenhalt, der uns über Jahre hinweg mehr oder weniger auszeichnete, ist passé.

Für Kid hatten die Szenen natürlich eine besondere Bedeutung, sah er dieses Spiel doch mit seinem Neffen Marcus, der tragischerweise im letzten Jahr gestorben ist; ihm gingen die Bilder sichtlich nahe und er verabschiedete sich traurig von uns.

Als der Auftritt Tankards gezeigt wurde, durchliefen mich nicht nur Schauer der Erinnerung sondern mir flossen tatsächlich einige Tränen die Wangen hinab. Die Erinnerung an die Tage in Berlin, die Traurigkeit Kids und der erlebte Tag forderten ihren Tribut.

Nebenbei gewannen wir dann doch noch den DFB Pokal und verabschiedeten uns von Matze, der morgen wie wir alle im Stadion sein wird, wenn die Eintracht souverän und in dieser Höhe auch verdient die Emporkömmlinge der TSG Hoffenheim mit 4:1 nach Hause schickt.

Auf dem Rückweg konnten wir aus den Augenwinkeln den Mannschaftsbus der Mannschaft entdecken, die in meinen Augen sozusagen die Silikonbrüste des deutschen Fußballs sind.

Im CD-Player lief ein Lied des leider auch schon verstorbenen Georg Danzer mit dem Titel Weiße Pferde; es begleitet mich schon etliche Jahre und es ist ein wunderbarer Song, der mich immer wieder zu Tränen rührt. Irgendwie passte er zur Heimfahrt, Berufsverkehr auf der A3, Pendler, Handwerker, das wirkliche Leben. Kühl ist es geworden. Aber morgen scheint die Sonne, da bin ich sicher.


Dienstag, 3. Februar 2009

Heimspiel in Berlin - Januar 2009


I'm Outlaw Pete!

I'm Outlaw Pete!
- can you hear me?

Oh ja, wir konnten ihn hören, den ersten Song des neuen Albums von Bruce Springsteen; langsam drehten die Gitarren-Riffs in den Song hinein, und langsam rollte ein vollgetankter mit Öl und Wasser versehener silberner Golf auf die Autobahn, hinter uns lag eine Zeit ohne Fußball und vor uns ein Ausflug nach Berlin, traditionell ein Auswärtsspiel im Winter, Kälte und Frost - und dennoch ist Berlin immer eine Reise wert, auch wenn diesmal meine Freunde Susi und Thomas aus unterschiedlichsten Gründen verhindert waren. Pia und ich hatten so im hinteren Teil von Kreuzberg in der Fabrik ein Zimmer gebucht und dort sollte unser erster Halt sein, alles weitere würde sich ergeben; was willst du planen, wenn Gott eh nur über die Pläne lächelt und alles ganz anders kommt, als du dachtest. So hatte ich zum Beispiel meinen alten Telefonvertrag gekündigt und hoffte auf ein sanftes Übergleiten in den neuen, allein die Dinge liefen seltsam und hatten zur Folge, dass am Freitag Morgen mein Telefon und Netzanschluss keinen Mucks mehr machten - und bis auf Weiteres lahm gelegt sind. Es ist Freitag.

Where the cold wind blows
Tomorrow never knows
Where your sweet smile goes
Tomorrow never knows

Die ersten Kilometer zeigten blauen Himmel und wenig Verkehr, wir flossen die A5 entlang, passierten die 10km Baustelle mit den Kinderplakaten an der Seite, die uns sanft darauf aufmerksam machten, die Geduld nicht zu verlieren; besonnen zu bleiben in der Hatz des Alltages. Die Bäume zur Seite, blattlos, wie es sich für den Winter gehört waren bald überzogen von einer kristallinen Schicht, eisweiß harrten die Äste in der Kälte der Tage, weißer Kandis am Stengel - der Tee dazu in der Thermoskanne und Musik obendrein; The Rifles, Rod Stewarts begnadete Version von Gasoline Alley, gesungen in einem Hamburger Hinterhof und immer wieder Springsteen, auch wenn ich zugegebenermaßen lauter mitsang als Pia.

Hessen, Thüringen, die drei Gleichen, Kilometer um Kilometer spulten wir ab und freuten uns auf ein paar unbeschwerte Tage, auf all die Gesichter der vergangenen Jahre und auf die Second Hand Shops in der Hauptstadt, worauf sich zugegebenermaßen Pia mehr freute als ich.

Zwischen Schorba und Magdala legten wir unseren traditionellen Zwischenstopp ein; eine kleine Bude am Hügel, Handwerker wie Reisende warteten auf Thüringer Bratwürstchen, Gulaschsuppe oder Vita-Cola, draußen wars kalt und drinnen günstig.

Willkommen im Land der Frühaufsteher grüßten die Sachsen-Anhaltiner, Leipzig, Halle, später Brandenburg, wir kamen gut durch und verpassten allerdings unsere Abfahrt bei Berlin, so dass wir eine kleine Ehrenrunde drehten und urplötzlich über Marienfelde in die Hauptstadt einrollten, statt auf dem Avus dem Berliner Begrüßungs-Bär zuzuwinken. Immerhin, wir hatten es geschafft; über Tempelhof ging es gemächlich Richtung Kottbusser Tor, dann Schlesisches Tor am Rande zu Treptow, Endstation in der Schlesischen Straße, einchecken - chillen.

Andi hatte uns zum Essen eingeladen und so marschierten wir nur wenig später durch den Görlitzer Park zum Landwehrkanal in Richtung Kreuzberg 61, dem ehemals alternativeren Teil von Kreuzberg. Dort, wo wir im Sommer noch mit T-Shirt und kurzen Hosen am Ufer gesessen hatten klirrte nun eine Kälte, Enten hockten auf einer Eisfläche am Wasser und wir achteten streng darauf, den Hinterlassenschaften der Berliner Hunde auszuweichen, eine Übung, die zu den Klassikern der Hauptsadt zählt, von den Straßen her hupten die Autos und nach einem ordentlichen Fußmarsch schlugen wir bei Andi auf, der gerade dabei war, lecker Börek zu verarbeiten. Arne war schon da, hatte literweise Äppelwoi aus Frankfurt mitgebracht, und wir schwatzten oder spielten mit Klein-Lola, die ordentlich was erzählen kann. Nach dem Mahl dackelten wir in eine Kneipe ums Eck, tranken Astra-Bier - und ich glaube, dass Yvonne, Andis Frau, ganz froh war, dass wir dies nicht bei ihr zuhause taten, bald füllte sich der Tisch mit den kleinen Fläschchen und ebenso bald stieß noch David zu uns, der seit Jahren in Norwegen lebt und extra für das morgige Spiel eingeflogen war. Die Zeit drehte ihre Runden und spät in der Nacht sausten Pia und ich mit einem Berliner Taxi in Richtung temporärer Heimat. Einige Mühe brachte noch die Order eines Sandwiches in einem Subway-Laden. Froh, meine Bestellung aufgegeben zu haben, war ich dann doch bei den Details überfordert. Welcher Käse, welches Gemüse, welche Soße, warm oder kalt, geschnitten oder am Stück - Wahnsinn, was es alles gibt. Am End aber lachten die Bedienung und ich - und ich kaute frohgemut mein erstes Subway-Sandwich.

Über Nacht hatte es geschneit, die Straßen waren weiß und glatt, glatt waren auch meine Stiefel und so rutschten wir nach einem Milchkaffee in Richtung U-Bahn, die an manchen Punkten eine Hochbahn ist. Ein paar Jungs checkten Fahrkarten, wollten günstige Tagestickets verkaufen, wir aber zogen brav ein Einzelticket und hockten uns in einen der gelben Wagen, deren Fenster mit tausenden kleinen Brandenburger Toren verziert waren

... Alle vier Minuten kommt die U-Bahn hier vorbei
und alle dreieinhalb Minuten kommt ein neues Bier
und ich sage dir das ist ungesund
Weil es nämlich irreführend und gefährlich ist
wenn etwas U-Bahn heisst das über unsren Köpfen rattert
schließlich steht das U für Untergrund ...

... sangen Element of Crime vor Jahren; Görlitzer Bahnhof, Kottbusser Tor, Prinzenstraße, Hallesches Tor bis hin zum Wittenbergplatz wo wir umstiegen, noch einen Milchkaffee orderten und später mit der U2 durch Charlottenburg in Richtung Olympia-Stadion rollten. Den ersten Frankfurter, den wir trafen war Adi, der gutgelaunt in Richtung Stadion marschierte, immer wieder seinen Kumpel verlor und dennoch nicht verloren ging. Adi geht nie verloren - und das ist gut so.

Da wir keine Tickets für das Spiel hatten, schlugen wir uns zur S-Bahn am Gästeeingang durch und harrten der Dinge und Menschen, die da kommen würden - und alsbald kamen Christian und Uwe des Wegs, später auch Gerd, Andi, Arne und David, hier stieß noch Rainer zu uns und überhaupt war's ein Guude und Hallo, Tausend kleine Schwätzchen, ab und an ein Schöppchen dazu und da Ina uns noch ein paar Tickets organisieren konnte und wir uns also nicht am Kassenhäuschen anstellen mussten, wanderten wir von Platz zu Platz und babbelten mit Frankfurtern jeglicher Couleur, die einen waren mit dem Zug hier, die anderen mit dem Bus und im Großen und Ganzen war die Stimmung recht gelöst. Good Butcher erzählte mit leuchtenden Augen von einem Bericht, den er über seinen Tag schreiben wollte - und er hat es dann ja auch tatsächlich geschafft. Zwischenzeitlich erreichte uns die Kunde, dass eventuell einige Auseinandersetzungen nach dem Spiel geplant waren und deshalb die Bembelbar auf der Kippe stand, das hätte grad noch gefehlt.

Der Einlass ging halbwegs zügig von statten, alleine direkt vor dem Block mussten wir noch einmal warten; wir schlängelten uns an die Seite und fanden ein Plätzchen rechts neben dem Marathontor, vor uns stand Roland, auch der Bernemer Adler, unten die Ultras und die Mannschaftsaufstellung verkündete, dass Caio für uns überraschend im Kader war und ebenso überraschend Steinhöfer statt Mahdavikia auflief. Auf der blauen Laufbahn lag ein Schneehäuflein, weiße Flocken schwebten zu Boden - und wer erinnerte sich nicht an die Szenerie vor einem Jahr, als Martin Fenin drei Tore schoss und die Eintracht bei leichtem Schneefall mit 3:0 als Sieger vom Platz ging.

Wer auf eine Wiederholung gehofft hatte, wurde in der 17. Minute schwer enttäuscht, der erste Torschuss der Hertha landete im Netz, und es dauerte nicht lange, bis Berlin einen Elfer zugeprochen bekam, aus meiner Sicht völlig unberechtigt und nahezu skandalös (allerdings sollten die Fernsehbilder mich eines besseren belehren). Unser Torhüter Markus Pröll hatte sich bei der Aktion verletzt, was ihn allerdings nicht davon abhielt, den Elfer zu halten, was uns wiederum natürlich Auftrieb gab, leider nicht unseren Jungs auf dem Platz: als der Halbzeitpfiff ertönte, hatte ich den Eindruck, dass die Eintracht nicht statt gefunden hatte, leider nicht zum ersten Mal in dieser Saison.

Und wer gedacht hatte, dass die zweite Hälfte mit mehr Schmagges angegangen wurde, wurde zunächst enttäuscht; keine drei Minuen waren gespielt, als Pantelic zum zweiten Mal traf und wie stets den Aff' machte beim Torjubel. Kurz darauf bugsierte Benny Köhler die Kugel zum Anschlusstreffer ins Netz und ab dann war die Eintracht am Drücker, spielte sich frei, so dass die Hertha lediglich zu einigen Konterchancen kam, immerhin kickten dort Voronin und Pantelic - richtig gefährlich wurde es jedoch nicht mehr - was auch an Jan Zimmermann lag, der den verletzten Pröll ab der 58. Minute ausgezeichnet vertrat.

Später kam Kweuke zu seinem ersten Einsatz und sorgte gleich für Gefahr im Herthastrafraum, wie auch unser zweiter Neuzugang in der Winterpause, Petkovic, als linker Verteidiger eine gute Figur machte - und auch offensiv einige Akzente setzen konnte.

Eigentlich waren wir am Ausgleich dran im kalten Olympia-Stadion. Dort wo die Werbebanden flackern, dass es ein Graus ist und der Stadionsprecher verzeifelt versucht, das Berliner Publikum zur Stimmung zu erkaspern; die Zuschaueranzahl wird von irgendeinem Sponsor präsentiert wozu ein Zählwerk eine gefühlte viertel Stunde braucht, um den Stand anzuzeigen - auf dass du ja genug lange auf den Namen des Sponsors guckst, denn ich schon wieder vergessen habe. Bei aller Liebe, wenn dies die Zukunft des modernen Fußballs ist, dann ohne mich - die grinsen dir doch ins Gesicht und verarschen dich sehenden Auges, vor lauter Geflacker siehst du den Ball nicht mehr. Die Hertha-Fans verhielten sich ruhig - und wir? Nuja, dafür, dass der Ausgleich in der Luft lag, war wenig Peitschendes aus dem Block zu vernehmen, vorne ein bisschen SingSang, in der Mitte Schweigen und sonst ab und an ein Eintracht, Eintracht, zuwenig um zu zünden. Als dann ein Kopfball von Meier in den Armen des anfangs relativ unsicheren Drobny landete, Pantelic bei einer Attacke getroffen wurde und sich anschickte auf dem Platz zu versterben, als die Balljungen mal einen Ball auf das Spielfeld warfen, obgleich noch gespielt wurde, mal einen Ball nicht sofort an die Eintracht rausrückten und zu allem Überfluss der Stadionsprecher ins Spiel eingriff, um die stummen Herthaner Zuschauer dahingehend zu bewegen, den Torhüter zu beklatschen, schwanden die Hoffnungen, hier zu punkten. Nachdem Ochs noch einen Sinnlosball in den Strafraum gekickt hatte, war's dann endgültig vorbei, und die Eintracht hatte verloren. Immerhin, der Auftritt in der zweiten Hälfte machte Mut, ärgerlich war die Niederlage dennoch - und unverdient dazu.

Was folgte war eine weitere Nummer aus Absurdistan. Wir verließen unseren Block und wollten zur U-Bahn marschieren, als wir feststellen mussten, dass sich eine ganze Reihe Polizei inclusive Wagen dazwischen gestellt hatten und kein Durchkommen war. Fantrennung - manchmal eine gute Idee - aber doch nicht, wenn auf beiden Wegen sowohl Frankfurter und Berliner marschierten - und nicht dorthin konnten, wo sie hinwollten. Schön war sicherlich, dass einige Cops auf dem Rücken die Zugnummer 1312 spazieren trugen, buchstäblich A C A B. Lustig. Der Clou aber folgte nach wenigen Metern, dort endete die Sperre und wir liefen auf der anderen Seite wieder zurück und landeten genau dort, wo wir hin wollten; das ganze erinnerte stark an Biathlon und die Strafrunden. Als Pia einen leitenden Cop ansprach, war dieser auch nicht ganz glücklich mit der Situation, immerhin erzählte er uns von geplanten Drittortauseinandersetzungen - und dem Versuch die strömenden Massen ein bisschen zu trennen. Nehmt's sportlich meinte er, was bliebe auch sonst zu tun. Aber habt ihr es gelesen, mein Lieblingswort? Drittortauseinandersetzung. Das wird ab jetzt fester Bestandteil meines Vokabulars. Drittortauseinandersetzung. Doll. Da lobe ich mir doch die Herthaner die vor dem Stadion in einem Wohnwagen mit dem Kennzeichen B-SC ... hockten, eine fette Box angeschlosen hatten und in dem Gefühl des zweiten Platzes in der Tabelle sicherlich eine Kiste Schultheiss platt machten. Drittortdrinking - auch gut.

Kälte und Hunger nahmen uns in deren finstere Klauen und so definierten wir unser Ziel präzise: Öko-Burger futtern im Kreuzburger in der Oranienstraße nahe des Franziskaners, dem Ort der Bembelbar und so ruckelten Andi, Arne, David, Pia und ich Richtung Kreuzberg und marschierten mit klammen Fingern in den Laden, wo wir die nächsten Stunden bei Burger, Bier und Heizung verbrachten, bis wir aufgetaut und frisch für die Bembelbar waren. Zwischenzeitlich enterten etliche Gäste den Laden, viele davon trugen lustige Mützen und bei manch einem wussten wir nicht, ob es sich um eine Mütze oder die Frisur handelte: Dit is Balin, wa?

Schon vor dem Franziskaner standen jede Menge Eintrachtler, Hilde drückte uns zwei Schöppchen in die Hand und so endete die Nacht bei Musik und Tanz, bei Getränk und Gespräch, hier war Bernie, dort Carola, hier Jens und dort Matze, bis spät in die Nacht hockten wir beisammen, trafen viele alte und neue Gesichter und rockten gutgelaunt in den Morgen ... this is the ace of spades, the ace of spades ...


Winternacht in Kreuzberg. In der Eiseskälte marschierten Pia und ich durchs Berliner Dunkel, erstanden noch einen Döner und fielen bald müde aber glücklich in die Falle und ratzen mehr oder weniger durch den Vormittag, wo wir erfuhren, dass sich Prölls Verletzung als weit weniger schlimm herausstellte, als am Abend kolportiert wurde und wir schon befürchtet hatten, ihn zum letzten Mal im Tor der Eintracht gesehen zu haben.


Es folgten ein langer Spaziergang am Sonntagnachmittag mit schönen Berlinbildern und eisigem Wind, ein gepflegter Nachmittag bei Holger und Ryke, ein entspanntes Abendessen beim Griechen und eine letzte U-Bahnfahrt durch die Kälte der Hauptstadt.


Montags standen nach einem ausgiebigem Frühstück die Second Hand Laden auf dem Programm, wir durchstöberten die Lädchen nach brauchbarem Material, tranken noch so manchen Kaffee, trafen Andi an der Bergmannstraße, holten Klein-Lola vom Kinderladen ab und futterten zum Abschied bei Curry 36 noch den obligatorischen Fleischspieß und näherten uns dem Abschied aus Berlin; einer Stadt, die im Sommer pulsierend und lebendig daherkommt, im Winter aber kalt, schmutzig und unwirtlich erscheint - vor allem, wenn die Eintracht verliert. Trotzdem blitzen zwischen Bio-Läden und Hundkot immer wieder die Bilder auf, die du mit dem alten Berlin verbindest, die Freiflächen, die Bolzplätze inmitten der Altbauschluchten, die Graffitis an den Häuserwänden oder die etwas andere Haltung zur bundesdeutschen Vergangenheit.

Wir verabschiedeten uns von Andi, Yvonne und Lola, warfen den Golf an und nach einem kurzem Zwischenstopp an einer Tanke kurz vor der Autobahn am Tempelhofer Damm sausten wir auf den Highway, winkten dem Berliner Bär zum Abschied und wussten: Wir kommen wieder. Radio Motor FM rockte noch eine ganze Weile, später Muse oder Placebo; Kilometer um Kilometer näherten wir uns dem Herzen von Europa, du fährst schneller, wenn es dunkel ist - und knappe 550 km später erhob sich die Skyline von Frankfurt; A661, Friedberger Warte, Nordend. Wir parkten den Golf, der uns so tapfer etliche Kilometer durch Deutschland kutschiert hatte und nahmen noch einen Absacker bei Silke im Backstage. Frankfurt, du hast uns wieder. Aber frage nicht, wie lange.

You and me we've been standing here, my dear
Waiting for our time to come
Where the green grass grows
Tomorrow never knows.




(Fast) alle Fotos sind von Pia Geiger. Schön, gell? Und Danke!