
War die erste Halbzeit der Eintracht beim VfB noch ganz ansehnlich, so war nach dem zweiten Treffer der Stuttgarter kurz nach Wiederbeginn die Luft raus. Ich nutzte die Gelegenheit für ein kleines Nickerchen und wachte pünktlich zum Schlusspfiff auf, manchmal ist der liebe Gott gnädig und schenkt dir Träume, wenn die Gegenwart jegliche Illusion verbietet.
Halbwegs ausgeruht machte ich mich auf den Weg ins Eintracht Museum und installierte die Technik für die lange Nacht der Museen - an der sich die Eintracht wie im letzten Jahr beteiligten sollte. Peu a peu rollten die Besucher in den Shuttle Bussen an, viele nutzten die Gelegenheit und nahmen an den verkürzten Stadionführungen teil, andere kauften Buttons bei uns und warteten auf unsere Gäste.
Zunächst kam
Christoph Preuß, unsere schon lange verletzte Nummer 4, mit dem ich vor den versammelten Museumsbesuchern kurz plauderte. Christoph wird in den nächsten Tagen mit dem Joggen beginnen, dies ist die gute Nachricht - aber es wird natürlich noch eine ganze Weile dauern, bis er wieder richtig Fußball spielen kann - dies ist die schlechte. Er blieb noch eine ganze Weile bei uns, unterhielt sich mit
Kid Klappergass, schrieb Autogramme und ließ sich mit vielen Fans fotografieren, während die Spieler der Meistermannschaft ins Museum marschierten.
Dieter Lindner,
Egon Loy,
Istvan Sztani, und
Dieter Stinka waren erschienen, zu denen sich noch der zweimalige Torschütze im Europapokalfinale 1960,
Erwin Stein gesellte, auch der fliegende Zahnarzt
Dr. Peter Kunter stieß dazu; unser Keeper, der 1974 den DFB-Pokal gewonnen hatte und alle gemeinsam lauschten wir dem Polizeichor, der traditionell
vor dem Museum Im Herzen von Europa anstimmte.

Es folgte
Im Wald da spielt die Eintracht und die
Frau Rauscher aus de
Klappergass, später erschien ein gutgelaunter
Alexander Schur und erzählte uns von Quälix, dem Trainer, der seinerzeit nicht gerade für Begeisterung im Team sorgte, ähnlich wie Jahre zuvor Trainer Ribbeck bei den Mannen um Dr. Peter Kunter nicht gerade geliebt war. Spät in der Nacht zogen wir Bilanz: Die Buttons mit dem Konterfei von Trainer Friedhelm Funkel waren ausverkauft.
Sonntag morgen. Sonne. Kaffee. Kurze Hosen.

Seit Wochen wurde in Bornheim für das große Spiel geworben
84 Jahre später -
Die Revanche war auf dem Ankündigungsplakat zu lesen, welches in vielen Schaufenstern und Litfaßsäulen pappte. Abgebildet war die Mannschaft des FSV Frankfurt, die 1925 im
Endspiel gegen den 1.FC Nürnberch im Waldstadion um die deutsche Meisterschaft spielte - und in der Verlängerung unglücklich mit 0:1 verloren hatte. André, der für die Spieltagsorgansiation verantwortlich ist, hatte es mir im Rahmen eines Regionalligaspiels unserer U23 geschenkt; mein zweites schwarz-blaues Souvenir neben dem schon in einem anderen Blogbeitrag erwähnten Feuerzeug mit der Aufschrift
Wir bringen Feuer ins Spiel.
Fußball im Waldstadion, Traditionsmannschaften, Sonnentag - das erinnert an einen Begriff, an ein Gefühl, welches ältere Eintrachtler noch kennen und das ein Bekannter von mir neulich treffend mit
Matchdayfeeling beschrieben hatte.
Matchdayfeeling; diese Stille in den Straßen, das von einem Kribbeln durchzogen wird; dieses
Es liegt was in der Luft. Gar nicht lange her, dieses Gefühl - heutzutage hört man eher:
Ich bin froh, wenn Sommerpause ist. Eintracht Frankfurt im Frühling 2009.
Ich wuchtete unsere Räder aus dem Keller und stellte fest, dass Pias Radel leicht platt war. In

der Hoffnung, dass die Pumpe eine Lösung wäre, pumpte ich das Rad auf und frohgemut rollten wir durch den Anlagenring an sprudelnden Brunnen vorbei, über die Kaiserstraße Richtung Moselstraße, am Moseleck vorbei in Richtung Holbeinsteg.
Pias Rad war mittlerweile völlig platt, ein erneutes Pumpen brachte uns über den Steg am Main entlang zur Uniklinik und von dort schoben wir die Räder zur Straßenbahnhaltestelle Bruchfeldstraße, ketteten sie am einem Metallbügel fest und warteten auf die Straßenbahn.
Die Luft ist raus. Ich werde Buttons basteln müssen.
Obgleich der Anpfiff nicht allzufern lag, war das ankommende Bähnchen relativ leer. Neeko saß mit ein paar Kumpels im Wagen, wir rollten am Oberforsthaus vorbei, stiegen an der Endstation "Stadion" aus und wanderten zum Haupteingang; der Bratwurst Walter, der sonst die Eintrachtfans verköstigt, hatte heute frei.
Am Kassenhäuschen erwarben wir nach dreiminütigem Anstehen eine Stehplatzkarte für Block 40 - genau so bin ich über all die ganzen Jahre ins Stadion gepilgert, damals, als es noch Waldstadion hieß und nicht nach einem staatlich gesponserten Unternehmen, dass angeblich nahezu pleite ist. Aber weshalb soll es denen anders gehen als mir. Mit dem Unterschied, dass ich mir von keinem Geld den Stadionnamen nicht kaufen kann, da kann ich bei Papa Staat bitteln und betteln, wie ich will.

Am Haupteingang war es ruhig, viele Nürnberger und einige Bornheimer warteten geduldig in langer Schlange am einzig offenen Eingang; an den anderen Eingängen, wo sonst die Menschenmassen der Eintracht klebten parkten Fahrräder - und dennoch schlüpften wir zügig durch die peniblen Kontrollen hindurch und wanderten wie so oft durch das Areal des Waldstadions, an den Bäumen vorbei in Richtung Nordwestkurve. Diesmal allerdings ging es nicht nach oben in den Einunvierziger, wo mein Daddy, Pia und ich seit Jahren dem Geckicke der Eintracht zusehen; diesmal ging es hinein in das vermeintliche Herz unserer Kurve, in den Block 40, wo sonst dicht gedrängt die Ultras der Eintracht ihr Revier sehen.
Niemals zuvor haben wir so viele Gästefans bei uns im Stadion gesehen. Der komplette Unterrang der Ostkurve war geschlossen voll mit Nürbergern, sogar Teile des Oberranges im Osten (der sonst wie der gesamte Oberrang während der Heimspiele der Bornheimer geschlossen ist) war mit Clubberern belegt, ebenso die Hälfte der Gegentribüne - Aufstiegseuphorie im Frankenland, schätzungsweise 13.000 Nürnberger hatten das Stadion geentert, dagegen verlor sich ein Häuflein Bornheimer im 38er, einge saßen auf den Tribünen - insgesamt waren knapp über 16.000 Zuschauer anwesend, Saisonrekord für Bornheim.

Matchdayfeeling. Wie anders noch zu Beginn der Saison, als Pia und ich den 2:0 Pokalerfolg des FSV gegen den VfL Osnabrück vor knapp 3.500 Zuschauern erlebten. Viele davon waren Eintrachtler - und auch heute entdeckten wir etliche Adler im weiten Rund.
Pünktlich zum Anpfiff lehnten wir entspannt an einem Wellenbrecher und sahen nicht nur ehemalige Eintrachtler im Schwarz-blauen Trikot wie Lars Weißenfeldt oder den klasse haltenden Torhüter Patric Klandt, sondern auch einen hervorragend aufspielenden Youssef Mokhtari, der sich später schwer verletzen sollte.
Die Nürnberger Fans waren laut - einzig die Musik und die Ansagen über die Lautsprecher

überboten die Lautstärke noch - der FSV-Block bemühte sich, dagegen zu halten (ein Vorsänger mit Megaphon hockte auf dem Zaun und gab sein bestes), Kinder sausten durch die Stehplätze und
Stefan hockte am Spielfeldrand und schoss Fotos für die FR.
Der erste Nürnberger Konter brachte nach einem beherzten Sprint von Eigler das 0:1, doch nur wenig später erzielte Barletta, der Kaptän der Bornheimer, der für den verletzten Ex-Eintrachtler Markus Husterer von Beginn an spielte, nach einer Ecke den Ausgleich. 1:1. Über Lautsprecher brach ein Inferno über uns herein,
Oh wie ist das schön dröhnte es aus den Boxen, dass jegliche Freude aus Angst vor Spontanertaubung erstickte.

Interessant waren die Spielstände auf den anderen Plätzen, insbesondere das Spiel Ingolstadt gegen Mainz hatte besondere Bedeutung. Während die Ingolstädter mit den Bornheimern um den Klassenerhalt konkurrieren, zählt Mainz wie der Club zu den Aufstiegsaspiranten - und so bejubelten die Frankfurter die Mainzer Tore, während Nürnberg den Ingolstädtern die Daumen drückte - eine Konstellation, die eher selten ist.

Die Halbzeitpause brachte ein Bobbycar-Rennen und ein Chillen auf den Rängen, die Sonne quetschte sich durchs Stadiondach und weiter gings mit den zweiten fünfundvierzig Minuten.
Wer gedacht hätte, dass der Club aufdrehen würde, sah sich getäuscht; Bornheim hielt dagegen und erarbeitete sich etliche gute Chancen. Mokhtaris Ausfall brachte die Einwechslung von Markus Kreuz und nur wenig später wurde der Spieler Junior Ross eingewechselt, der für mächtig Dampf auf Linksaußen sorgte. Cenci, die Frisur des Tages, scheiterte an Schäfer, dem starken Nürnberger Schlussmann, der wiederum gegen den strammen Schuß von
C. Mikolajczak aus spitzen Winkel machtlos war. 81.Minute - 2:1 für den FSV.
Der Nürnberger Pinola (zweiter in der Frisurenwertung) zürnte, der Club versuchte alles, Bornheim hielt clever und leidenschaftlich dagegen, Mintal moserte und flog in der 93. Minute vom Platz und so hieß es am Ende 2:1 für den FSV Frankfurt gegen den 1.FC Nürnberg; die Revanche war gelungen.

Die Bornheimer tanzten ausgelassen und feierten mit den Fans, die überglücklich am Zaun hingen,
Humba hier,
Humba dort, während der (gegen Spielende immer leiser werdende Nürnberger Anhang) doch recht flott das Stadion verließ. Die Bornheimer Fans aber riefen:
Auswärtssieg.

Wir hockten uns noch ein wenig auf die Treppenstufen vor der West in die Sonne, beobachteten das entspannte Treiben selbst höchst entspannt und wanderten dann durch die vom damaligen Gartenbaudirektor
Max Bromme erbaute Anlage Waldstadion am Denkmal der unbekannten

Läuferin vorbei in Richtung Straßenbahn, die uns zurück zu den Rädern brachte. In der Bahn trafen wir das Eintracht-Urgestein Roland Gerlach, der es sich ebenfalls nicht hatte nehmen lassen, das geschichtsträchtige Spiel zu sehen, an der Bruchfeldstraße verabschiedeten wir uns, sprangen aus der Bahn und flickten nur wenig später Pias Rad an der Tankstelle am Oberforsthaus und radelten dann an den Sandhöfer Wiesen vorbei.
Dieser unscheinbare Sportplatz nahe des Geländes der Uniklinik war
1920 Austragungsort des Endspiels um die deusche Meisterschaft. Damals sahen hier 35.000 Zuschauer ein 2:0 des 1. FC Nürnberg gegen die Spielvereinigung Fürth - die wiederum
1926 im Waldstadion durch ein 4:1 gegen die Hertha selbst deutscher Meister wurde.
Über einen Thai in Sachsenhausen, bei welchem wir vom 2:0 der Cottbusser gegen den VfL

Magath erfuhren, ging es bei Sonnenschein zurück in die Hochhausschluchten, zurück ins Nordend - der Reifen hielt. Ein Blick ins Internet zeigte später, dass das Forum
Unsere Eintracht geschlossen war - vielleicht das beste, was diesem Verein in diesen Tagen passieren konnte.
Selten habe ich in den letzten Jahren dermaßen entspannt ein Heimspiel gesehen, keine Lautsprecheranlage im Block, keine sinnfreie anlasslose Beschimpfungen des Gegners oder der eigenen Mannschaft, kein sich-selbstfeiern und auch kein seelenloses Rumgekicke, sowie kein Monate-vorher-Ticket-kaufen. Fußball. Einfach nur Fußball. Schön war's.
