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Samstag, 21. November 2009

Dietrich Weise zum 75. Geburtstag


Wie für andere, z.Bsp. Kid aus der Klappergass, ist Dietrich Weise mein Lieblingstrainer der Eintracht. Das mag daran liegen, dass er Trainer war, als ich den Verein für mich entdeckte; das mag aber auch daran liegen, dass er durch seine Ruhe und Klugheit dem jungen wie dem alten Beve Respekt abnötigt.

In den letzten Jahren, als ich Stadionsprecher der Amateure am Riederwald war, entdeckte ich Dietrich Weise häufig als Zuschauer und Beobachter der Nachwuchsmannschaft der Eintracht. Unvergessen sein Auftritt im Museum, als er zusammen mit Ralf Falkenmayer und Armin Kraaz die erste Veranstaltung aus der Reihe Tradition zum Anfassen prägte. Der ruhende Ball.

Als Matthias Thoma kurz vor Abriss des alten Riederwaldes einen letzten Rundgang über das Gelände anbot, stieß Dietrich Weise unverhofft dazu und erzählte aus seiner Zeit, als Dr. Kunter in der Sandgrube trainierte und Armin Kraaz am Kopfballpendel.

Heute hat er Geburtstag - und wird 75 Jahre alt. Herzlichen Glückwunsch und alles Gute wünsche ich. Und danke für alles.

Beve

Montag, 19. Januar 2009

Der Tag, an dem Uwe Bindewald im Museum der Eintracht zu Gast war


Der Regen ersetzt langsam den Schnee und was eben noch klar und kalt daherkam, scheint nun trübe und feucht. Geschichte das Weiß der Straßen und Wege.

Immerhin war das Wasser der Scheibenwaschanlage getaut, als Pia und ich uns gegen halbzwei in Richtung Museum aufmachten - kurzer Wahl-Zwischenstopp an der Gruneliusschule in Oberrad inbegriffen. Es ist ein Kreuz mit dem Kreuz, man sollte es bleiben lassen, aber dies ist ein anderes Thema.

Als wir vor dem Museum ankamen, entführte Vorstandsmitglied Dr. Thomas Pröckl gerade eine größere Gruppe, die zuvor in einer geschlossenen Veranstaltung im Museum gespeist hatte, zum Gottesdienst in die im Stadion integrierte Kapelle - und wir bauten das Museum vom Speisesaal wieder in ein Museum um. Derweil trudelten schon die ersten Gäste ein, deren Besuch dem erwarteten Auftritt unserer ehemaligen Nummer 13 galt, nämlich Uwe "Zico" Bindewald.

Es bildeten sich zunächst kleine Grüppchen, die relativ schnell zu großen Grüppchen anwuchsen. Pia hatte alle Hände voll zu tun, die Eintrittstickets auszuteilen und so ganz nebenbei den ein oder anderen erfolgreich davon zu überzeugen, Mitglied im Förderverein zu werden. Bald stellte sich heraus, dass nicht zuletzt Kids Aufruf in seinem Blog oder auch im Blog-G auf fruchtbaren Boden gefallen war - das Interesse an Zico war sehr groß und so sollten an diesem Sonntag an die Hundert Eintracht-Fans der Veranstaltung beiwohnen.

Dies stellte mich vor kleinere logistische Probleme. Üblicherweise beginnen wir unsere sonntagnachmittäglichen Veranstaltungen mit ehemaligen Spielern mit einem Rundgang durch die bald 110-jährige Geschichte der Eintracht und verweilen dann in der Zeit, in der der Spieler aktiv war. So geschehen beispielsweise mit Ronny Borchers, Thommy Rohrbach, Adolf Bechtold, Edgar Schmitt oder Bakary Diakité. Nun weiß jeder, der schon einmal im Museum gewesen ist, dass es ein Ding der Unmöglichkeit ist, mit hundert Menschen durch die Ausstellung zu wandern - und somit entschieden wir kurzfristig, die Veranstaltung im Foyer durchzuführen. Das hieß für mich, von der ersten bis zur letzten Minute Präsenz in Bezug auf Zico zu zeigen, keine Meisterschaft 1959, kein Uefa-Cup-Sieg und keine Pokalsiege konnten mir helfen, Zeit zu gewinnen - und also gingen wir es an. Matze Thoma sprach ein Begrüßungswort und wies auf das ausliegende Kondolenzbuch zu Ehren des Todes von Alfred Pfaff hin und so begaben wir uns auf die Zeitreise und beleuchteten Leben und Karriere von Uwe Bindewald.


Zico wurde mit großem Applaus empfangen, die Fans standen auf, applaudierten und stimmten den Gesang an, den wir sogar immer noch von Zeit zu Zeit im Stadion hören: U-we Bindewald, Schalalalala, U-we Bindewald, Scha-lalalalala und Uwe war davon eher berührt als geschmeichelt. Etwas zurückhaltend stand er vorne und umklammerte das Jäckchen seines Sohnes, als gäbe es ihm Halt. Ihm, der 386 mal im Trikot der Eintracht in Erst- und Zweitligaspielen auf dem Platz stand, 28 DFB-Pokalspiele absolviert hat und dazu in 23 Uefacupmatches antrat.

1987 kam er zur Eintracht - ausgerechnet vom Erzrivalen Kickers Offenbach, für die er von 1983 an spielte. Als Knirps trat er zuvor in seiner Heimat gegen das runde Leder; zunächst beim FSV Dorheim, später bei der SG Melbach-Södel. Zico betonte, dass er stets in seiner Heimat geblieben ist, in der Nähe der Familie und in der Nähe der Freunde. Schon 1983 hatte Eintracht Frankfurt seine Fühler nach ihm ausgestreckt, doch er wechselte mit einem Kumpel zum OFC, der beide Spieler aufnehmen wollte. Klaus Gerster, damals Jugendtrainer der Eintracht bearbeitete anschließend Uwe solange, bis er gar nicht anders konnte, als dann doch an den Riederwald zu wechseln. Er kam an einen Riederwald, dessen 1952 errichtetes Tribünendach noch die Zuschauer bedeckte und der dennoch schon arg am Modern war. Dort spielte er, der als Kind Sympathien für Mönchengladbach hegte, noch für kurze Zeit in der A-Jugend und wurde vom damaligen Amateur-Trainer Hubert Neu gefördert. 1988 spielte Uwe dann das erste Mal in der Bundesliga, Trainer Pal Csernai berief Zico in den Kader, es sollten in der Saison, die mit den Relegationsspielen gegen Saarbrücken endete noch zwei weitere Einsätze folgen.

Zur Erinnerung, wir reden von einer Zeit, als es die DDR noch gab und die Eintracht traditionell schneller die Trainer wechselte, als die Trikots.

Große Stücke hielt Zico auf Manni Binz, der stets eine professionelle Einstellung vorlebte; der der Erste auf dem Trainingsplatz war und als Letzter ging. Manni, der auch schon im Museum zu Gast war und über 300 Spiele für die Eintracht absolvierte und der in der Nachbetrachtung bei vielen Fans meiner Meinung nach zu schlecht wegkommt.

Es ist interessant, wie ehemalige Spieler mit Hochachtung von Kameraden reden, die in der Wahrnehmung der Öffentlchkeit eher schlechter wegkommen bzw. eher in Vergessenheit geraten. Wie Istvan Sztani auf die Leistung von Ivica Horvat verwies, der sich vor den Endrundenspielen 1959 leider verletzte und krank wurde - und deshalb bei der Nennung der Helden von Berlin eher hinten ansteht, so legte Zico großen Wert auf Manni Binz. Auch auf Ralf Falkenmayer, der den definitiven Spitznamen Zico erfand, den sich ursprünglich Uwe als Sico selbst gegeben hatte, eine ironische Anspielung auf die Tatsache, dass Bindewalds Spiel eher von der Kampfkraft, dem Willen und der Schnelligkleit lebte als von technischen Finessen. Edgar Schmitt erwähnte jedoch bei seinem Besuch im Museum ausdrücklich, dass in der wunderbaren Mannschaft des Fußballs 2000 jeder großartige Fähigkeiten am Ball hatte und Fußball spielen konnte, eben auch ein Uwe Bindewald. Und viel zu selten würde das spielerische Vermögen Uwes gewürdigt.

Csernai, Berger, Stepanovic, Heese, Toppmöller, Körbel, Heynckes, Körbel, Stepanovic, Bommer, Ehrmantraut, Lippert, Fanz, Berger, Magath, Dohmen, Rausch, Andermatt, Kraaz, Reimann - so hießen sie, die Übungsleiter, die all die Jahre bis 2004 nicht an Zico vorbeikamen, eine illustre Liste - auch wenn Bommer oder Lippert nur als Interimstrainer fungierten.

Mit der steigenden Zahl der Einsätz von Uwe ging es mit der Eintracht bergauf, vom Fastabsteiger 1989 bis hin zum Fußball 2000, inbegriffen das Drama in Rostock, den Betriebsausflug, der von zu vielen Feiernden begleitet wurde und der zum Desaster geriet. Im Spiel zuvor hatte die Eintracht ja die Möglichkeit, durch einen Sieg gegen Europapokaltrunkene Bremer die Meisterschaft quasi einzutüten, es reichte jedoch nur zu einem mageren 2:2, was vielleicht auch daran gelegen haben könnte, dass dieses Spiel eines von zweien in dieser Saison war, an denen Zico nicht mitwirken konnte.

Zico vermied es, auch bei hartnäckigerem Befragen, einzelne Trainer oder Spieler an den Pranger zu stellen und sah seine Rolle bei der Eintracht eher als neutral; er war keiner, der das große Wort führte und die großen Gesten liebte, ähnlich wie Falke oder Binz, die auf dem Platz auffielen und sich durch ein forscheres Auftreten vielleicht noch größere Möglichkeiten hätten sichern können. Nicht zuletzt sind alle drei im Frankfurter Raum geblieben.

Zicos Vertragsverlängerungen gingen geräuschlos vonstatten und ein Vereinswechsel war selbst bei späteren Abstiegen kein Thema, allenfalls ein Wechsel zu Otto Rehagels 1.FC Kaiserslautern war eine Überlegung wert, die alsbald verworfen wurde.

Weder Toppmöllers Adler, dessen Präsentation im Hotel die Mannschaft beflügeln sollte, noch die Trainerwechsel hatten Zico nachhaltig beeindruckt, ihm nimmt man es ab, wenn er sagt, dass jeder, der auf den Platz geht kaum Mätzchen braucht, um Spiel zu gewinnen, zumindest jeder, der einen gewissen Charakter an den Tag legt.

Highlights waren für ihn sicherlich die internationalen Auftritte der Eintracht, Napoli, Turin, La Coruna - auch wenn die Partien gegen Salzburg eher weniger Ruhm brachten, als wir uns alle erhofften. Die UI-Cup-Kicks hatten weniger Glamour, auch nach Bordeaux ging es morgens hin und abends zurück - selbst wenn in deren Reihen Spieler wie Dugarry, Lizarazu oder Zidane standen.

Sympathien hegte Uwe seinerzeit für die Entscheidung von Heynckes, den Spielern Gaudino, Okocha und Yeboah im Sinne der Kameradschaft nicht alles durchgehen zu lassen; fragte sich aber auch, ob die finalen Verkäufe von Gaudino und Yeboah nicht zu weit gegangen waren.

Der Abstieg 1996 nagte auch an ihm, trotz guter Einzelkicker kam keine Mannschaft zusammen, und während insgeheim noch nach oben geschaut wurde, raste der Fahrstuhl bergab; wir haben ja noch zehn Spiele, noch neun, noch acht - und dann war's zu spät, die Eintracht sauste nach unten, zunächst auch in der zweiten Liga, bis Horst Ehrmantraut das Zepter übernahm, und dem Team wieder Leben einhauchte.

Im letzten Spiel der Saison 97/98, als der Aufstieg schon besiegelt war, traf die Eintracht auf Fortuna Köln mit Trainer Bernd Schuster und feierte einen 4:2 Sieg, der die Meisterschaft in der zweiten Liga bescherte. Als es Elfmeter für die Eintracht gab, wurde von den Fans lautstark Uwe als Schütze gefordert. Dieser, damals noch mit der Nummer 20 auf dem Rücken, ließ sich die Chance nicht entgehen und wuchtete die Kugel ins Netz, eines von sechs Ligatoren, die Zico für die Eintracht erzielte. Frank Wagner hatte für uns die Szenen jenes Spieles noch einmal zusammengestellt und wir schauten sie uns an - auch einen Thomas Zampach, der sein letztes Hemd für die Eintracht hergab.

Er hielt viel vom akribisch arbeitenden Hotte, dessen Entlassung für ihn unverständlich war. Zu dessen Nachfolger Reinhold Fanz verloren wir nicht viele Worte, eher über Jörg Berger, dessen laute Stimme, dem Megaphon, wie Zico sagte, die Mannschaft wachrütteln sollte, die dann am letzten Spieltag mit dem legendären 5:1 gegen Lautern tatsächlich den Klassenerhalt schaffte.

Weniger spektakulär dann der Ligaverbleib im Jahr darauf, als die Eintracht unter Berger etliche Spiele knapp verlor und mit Felix Magath erneut am letzten Spieltag durch ein 2:1 gegen Ulm Bundesligist blieb. Magath, dessen Trainigsmethoden zwar kurzzeitig Kräfte freisetzten, auf Dauer jedoch vor allem diejenigen in die Knie zwangen, die auch im Training alles gaben. Irgendwann ist dann der Akku leer - und auch im Spiel geht dann nichts mehr. In der Saison 2000/01 unterlag die Eintracht vor der Winterpause nach einem Auswärtssieg in München nacheinander gegen die Hertha, in Bochum, gegen Wolfsburg, in Suttgart und in Unterhaching. Nach der Winterpause setzte es ein 1:5 gegen die Kölner (auch dieses Spiel ohne Zico) und auch Magath war Geschichte bei der Eintracht, Dohmen übernahm und nach anfänglichen Erfolgen setzte er der den Abwärtstrend fort, vielleicht kam er zu jovial daher.

Es folgten zwei weitere Jahre in Liga zwei, die mit dem sensationellen 6:3 gegen Reutlingen ihr Ende fanden, ein Spiel das zu den absoluten Highlights Zico zählt, auch deshalb, weil er neben Jens Keller und Alexander Schur als einer der Garanten des Sieges benannt wurde - und da merkte man, wie gut es Uwe tat, öffentlich gelobt zu werden - und wie sehr dazu im Gegensatz all die Kritik nagte, die von Seiten der Medien und Fans all die Jahre auf die Spieler einprasselt.

Das folgende Jahr sollte das letzte in Zicos Karriere bei der Eintracht werden, kurz vor Saisonende wurde sein Vertrag nicht verlängert und Uwe war derartig enttäuscht, dass er kurzfristig sogar überlegte, in den letzten beiden Spielen nicht aufzulaufen. Immerhin zeigte das Spielankündigungsplakat vom letzten Heimspiel Uwes gegen den VfL Bochum unsere Nummer 13 - und Bindewald wäre nicht Bindewald, hätte er tatsächlich nicht gespielt. Bei strahlendem Sonnenschein besiegte die Eintracht den VfL mit 3:2 und hatte noch eine kleine Chance auf den Klassenerhalt, die dann am letzten Spiel Uwes leider nicht genutzt werden konnte, der ewige Kontrahent Lautern holte selbst die nötigen Punkte und so stieg die Eintracht im Sommer 2004 in Hamburg zum bislang letzten Mal ab.

Während Zico seine Karriere in der Oberliga bei Eschborn ausklingen ließ und er selbst noch einmal am Riederwald gegen die Amateure der Eintracht spielte, so sorgten die Fans der Eintracht zum Saisonauftakt 04/05 mit einer Choreo zu Zicos Ehren für dessen Aufnahme in den Eintracht-Olymp, neben Grabi und Holz, neben Bein und Yeboah. Seither weht eine große Fahne mit der Nummer 13 im Block - als Erinnerung an einen Spieler, der stets und ständig alles für die Eintracht gegeben hatte.

Zico wurde neben Alexander Schur im Sommer 2007 bei einem wunderbaren Abschiedspiel in Bad Homburg geehrt, auch hier kamen weitaus mehr Fans, als die beiden erwartet hatten und auch dieser Tag geriet zu einem Fest, volksnah und freundlich - und selbst Grabi oder Uwe Bein ließen es sich nicht nehmen, an diesem denkwürdigen Nachmittag dabei zu sein. Helden auf ewig! Und damit dürfte auch die Frage eines ehemaligen Bonameser Spielers der Eintracht wer denn heute noch von Zico oder Schur reden würde geklärt sein. Die Antwort ist denkbar einfach: Wir.

Anfang 2008 kehrte Bindewald an den Riederwald zurück, übernahm als Co-Trainer die U19 und erkannte in den Kabinen noch die Schimmelflecken, die er 21 Jahre zuvor schon endeckt hatte. Leider wurde dessen Vertrag im Sommer nicht verlängert, doch ich bin sicher, dass wir Zico demnächst wieder in irgendeiner Funktion bei Eintracht Frankfurt sehen werden.

Mit Standing Ovations wurde Uwe verabschiedet, fast verschämt nahm er den Beifall entgegen und zeigte sich als das, was er immer war: als fairer Sportsmann und als sympathischer Kerl, der nicht frei ist von Emotionen, - ein Tränchen der Rührung im Auge konnte dem nahen Betrachter nicht verborgen bleiben.

Uwe stand im Anschluss noch für etliche Fotos und Autogramme bereit, hielt noch den ein oder anderen Schwatz und verabschiedete sich von uns mit dem Versprechen, auch im Museum wieder einmal vorbei zu schauen.




Danke Zico, für all deine Einsätze im Trikot der Eintracht und danke für den Besuch im Museum, es war großartig. Und danke auch an euch, die ihr so zahlreich erschienen ward. Ihr habt es nicht bereut. Oder?

Nachtrag:

Dank Kids Erinnerungsvermögen möchte ich noch eine der früheren Erfahrungen des Uwe Bindewald mit einfließen lassen. Im Training unter Csernai fanden sich Kostner und Bindewald zu einer Übung zusammen. Während Zico brav trainierte, alberte Michael Kostner herum. Trainer Csernai, der solch Larifari nicht dulden konnte reagierte prompt. Den Anschiss jedoch kassierte nicht Übeltäter Kostner, sondern eben Zico. Herzlich Willkommen bei den Profis :-)



Die Autogramkarte habe ich Franks Eintracht-Archiv entnommen, welches auch massiv dazu beitrug, dass ich mich vorbereiten konnte; das Foto vom Abschiedsspiel fand ich auf meiner Festplatte, von wem auch immer es stammt; Zico und mich hat Ergin Selenga fotografiert und Zico beim autogramm- schreiben Pia Geiger. Vielen Dank.

Und noch ein paar Worte in eigener Sache: Da ich bei Veranstaltungen die ich selbst moderiere mein Augenmerk auf die Moderation richte, den kurzfristigen Moment, fällt es mir schwerer, mich im Nachhinein an Details zu erinnern, als wenn ich Zuhörer bin. Sollte also das ein oder andere im Bericht unter den Tisch gefallen sein, so füllt dies mit euren eigenen Erlebnissen - und wenn ich Dinge falsch wiedergegeben habe, so korrigiert mich.

Bleibt mir gewogen, euer Beve.

Donnerstag, 8. Januar 2009

Der Tag, an dem Alfred Pfaff verabschiedet wurde


Eben noch entzündete ich im Museum nach dem morgendlichen Öffnen das Kerzlein an Alfred Pfaffs Gedenktisch, dann führte ich eine Gruppe Kinder durchs Museum und kurz darauf saß ich im Golf, der nur mühsam ansprang und holte Pia in Niederrad ab. Bedauerlich war nur, dass Rüdiger aka Kid Klappergass nicht mitkommen konnte; sein Rücken schmerzte und zu allem Überfluss hatte ihn eine Grippe erwischt - so dass er, der in seinem Blog aufs Rührendste an Don Alfredo erinnert hatte, leider nicht dabei sein konnte - aber wir haben ihn in Gedanken mitgenommen.

An einer Straßenecke war eine Straßenbahn mit einem PKW kollidiert, an einer anderen gab ein Autofahrer einem anderen Starthilfe und an der nächsten sprang Pia in unser Auto und wir tuckerten über den Sachsenhäuser Berg in Richtung Autobahn A3 Richtung Würzburg. Als uns ein großer Wagen mit Rüdesheimer Kennzeichen überholte, meinte ich spaßeshalber: Jürgen Grabowski - und schon verschwand dieser Wagen weiter vorne am Horizont.

An der Anschlussstelle Stockstadt verließen wir den Highway und rollten auf dem langen Handtuch in Richtung Amorbach im Odenwald. Großostheim, Großwallstadt, Elsenfeld, Klingenberg, Obernburg, Wörth, linker Hand der Main und dazu die verschneiten Hänge des Odenwaldes. Für viele mögen dies bömische Dörfer sein, für mich sind es vertraute Namen meiner Kindheit. Durch den Wald rechter Hand bin ich unzählige Male mit meinem Vater von Mömlingen nach Großwallstadt gelaufen; vom Heimatort meiner Mutter zum Heimatort meiner Tante - und inmitten des Waldes hatte ein Bekannter von uns eine kleine Hütte, wo die Erwachsenen Apfelwein tranken und ich eine Limo bekam.

Heutzutage komme ich selten in diese Gegend - und diesmal war es ein recht trauriger Anlass: In Amorbach sollte heute die Trauerfeier für den verstorbenen Ehrenspielführer der Eintracht Alfred Pfaff stattfinden, jener Pfaff, der noch vor wenigen Wochen im Museum der Eintracht uns allen einen großartigen Abend beschert hatte und am 27. Dezember 2008 verstorben war.

Der Main war im Begriff zuzufrieren und wir erkannten vor uns jenen großen Wagen, der uns schon auf der A3 überholt hatte, ich blickte hinein - und erkannte tatsächlich Jürgen Grabowski am Steuer, der das gleiche Ziel wie wir hatte und sich gewissenhaft an die vorgegebene Geschwindigkeit hielt. Grabi war an jenem Abend im September ebenfalls zu Gast im Museum, ihr werdet euch sicherlich erinnern. Es war ein großer Abend, und für mich sicherlich eines der bedeutensten Eintracht-Erlebnisse aller Zeiten.

Wir kamen wenig später unbeschadet in Amorbach an und erkannten schon von der Bundesstraße aus eine große Kirche mit zwei Türmen, die wir für unseren Zielort hielten. Auf dem Parkplatz des Finanzamtes parkten wir das Auto und marschierten durch den Luftkurort in Richtung jener imposanten Kirche, die wir verschlossen und merkwürdig leer vorfanden - eine ortskundige Dame erklärte uns jedoch den Weg zu einer zweiten Kirche, wenige hundert Meter entfernt - und schon die dort geparkten Wagen verrieten uns, dass wir nun am Ziel waren. Auch ein PKW mit einem Aufkleber der Offenbacher Kickers war zu sehen; jene Offenbacher, die im Endspiel 1959 mit so großer Hoffnung angetreten waren und am Ende doch nur Zweiter wurden. Zeitlebens betonte Alfred Pfaff, dass das Verhältnis der Spieler untereinander außerhalb des Platzes von Freundschaft und Respekt geprägt war und so war es eine besondere Geste, dass Spieler des Erzrivalen vergangener Tage an der Trauerfeier teilnahmen.

War die erste Kirche die katholische St. Gangolf Pfarrkirche, so fand die Trauerfeier in der evangelischen Abteikirche statt. Schon auf dem Weg dorthin begegnete uns Ralf Falkenmayer, auch er einst Gast im Museum, auch er selbstverständlich mit dem gleichen Ziel, wie so viele den Weg in die Barockstadt Amorbach auf sich genommen hatten, um dem Ausnahmefußballer und liebeswerten Menschen Don Alfredo die letzte Ehre zu erweisen.

Vereist waren die Wege und auch in der Abtei klirrte die Kälte und zog streng in die Glieder der Anwesenden, die von Matze Thoma und Billy Ott auf die Plätze geführt wurden. Wir hielten uns zunächst im Hintergrund und betrachteten die Abteikirche, die zwar evangelisch aber keineswegs karg daherkam, im Gegenteil: Prachtvolle Verzierungen an der Decke, Fresken und Stuckarbeiten schmückten den Raum, erinnernd an die Zeit des Rokoko und in der Höhe thronte eine Orgel, die zu den imposantesten ganz Deutschlands gehört. Ein Hut hatte sich ins Weihwasserbecken verirrt, vielleicht hatte ihn Don Alfredos Geist dort abgelegt; Don Alfredo, der im Gegensatz zur prächtigen Kirche allerdings stets bescheiden und mit einem Augenzwinkern aufgetreten ist.

Nun harrten seine staubgewordenen Reste in einer Urne der Dinge, die nun kommen würden; ein freundliches Bild erinnerte an ihn, wie er stets gewesen war: schelmisch lupfte er seine Melone in die Höhe - und er war wohl der einzige, der nicht fror.

Trauerkränze wurden abgelegt, während uns Billy trotz dezenter Weigerung auf einen Platz weiter vorne führte und wir neben Bernd Nickel nebst Gattin und Bernd Hölzenbein auf einer arg wackligen Kirchenbank Platz nahmen. Es waren die Größten der Eintracht Familie, die heute gekommen waren, um sich vom wohl größten Fußballer der Eintracht zu verabschieden. Ich will euch eine vollständige Auflistung nicht zumuten - dies würde zu sehr an name-dropping gemahnen - möchte aber nicht unerwähnt lassen, dass neben Vorstand und Präsidium auch Vertreter aller Fangruppierungen anwesend waren, selbstverständlich die Mannschaftskameraden von einst - Dieter Lindner sollte später stellvertretend für alle die offiziellen Abschiedsworte sprechen, aber auch ehemalige Präsidenten trauerten mit der Familie, Journalisten, DFB-Vertreter und viele Wegbegleiter aller Altersgruppen froren einträchtig beisammen zu Ehren Don Alfredos.

Eine Pfarrerin führte durch den Lebensweg Alfred Pfaffs, erinnerte an die Jugendjahre des Frankfurter Bubs, den Krieg, der ihn nach LeHavre verschlug und an die Rückkehr nach Frankfurt. In Wirges lernte er seine Edith kennen in Bern wurde er Weltmeister, in Berlin Deutscher Meister - und in Glasgow zauberte die Eintracht unter seiner Regie zunächst im Halbfinale des Europapokals und wenig später gar im Finale, unvergessen das Spiel gegen die Königlichen, das den Ruhm der Eintracht für Jahrzehnte mehren sollte. Nicht unerwähnt blieb die spätere Karriere Don Alfredos als Gastwirt, zunächst in der Weberstraße, dann an der Hauptwache und seit 1971 in Zittenfelden im Odenwald, wo er bis zum letzten Tag lebte und arbeitete. Er, der etliche großartige Ehrungen erfuhr und sogar in die Mannschaft des Jahrhunderts gewählt wurde.

Sie erinnerte an das Gleichnis der Söhne, die vom Vater ein Erbe bekamen und es unterschiedlich verwalteten, Pfaff habe sein Erbe, sein Talent gemehrt und es auf seine Weise genutzt. Mehrmals zauberte die Orgel Melodien aus dem evangelischen Gesangsbuch in die Abtei, gesungen haben wir mehr schlecht als recht, Alfreds Stimme fehlte auch hier an allen Ecken und Enden. Die Familie Pfaff hatte die folgenden Lieder ausgesucht:

Zunächst:

Herr, deine Liebe ist wie Gras und Ufer
wie Wind und Weite und wie ein Zuhaus.
Frei sind wir da zu wohnen und zu gehen,
frei sind wir ja zu sagen oder nein.

(Nummer 638 des bayrischen Gesangbuchs)


Später dann:

So nimm denn meine Hände
und führe mich
bis an mein selig Ende
und ewiglich!
Ich mag allein nicht gehen
nicht einen Schritt;
wo Du wirst gehn und stehen,
da nimm mich mit!

(Nummer 376)

und zu guter Letzt das Lied 637:

Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiß an jedem neuen Tag.

Zudem ertönte auch eine Melodie, die wohl weniger die christliche als vielmehr die irdische Seite Don Alfredos betonte, ein Lied, welches ihm und seiner Frau sehr am Herzen lag, mir erschien es wie die Melodie von Blueberry Hill, so ich mich nicht vollständig täusche.

Horst R. Schmidt vom DFB erinnerte an die Zeit Pfaffs in der Nationalmannschaft, die wohl erfolgreicher verlaufen wäre, hätte die Größe Fritz Walter nicht auf seiner Position gespielt und Dieter Lindner - wie eingangs erwähnt - an Pfaffs spielerisches und gesellschaftliches Vermögen; er erinnerte an einen Pfaff, der ganze Gesellschaften alleine unterhalten konnte - auch dessen musikalisches Talent tat stets ein Übriges dazu.

Ein Vater Unser folgte und alsbald nahm eine lange Menschenschlange Abschied von Don Alfredo und verabschiedete sich von den Hinterbliebenen mit einem aufrichtigem Beileid.

Dies war er nun, der Abschied von einem Mann, der uns allen in Erinnerung bleiben wird und der den Geist von Eintracht Frankfurt, den spielerischen Glanz und die menschliche Bescheidenheit, die Tragik und Lebenslust gleichermaßen vielleicht mehr verkörperte, als jeder andere Fußballer dieses traditionsreichen Fußballvereins.

Wir stapften gleich vereisten Zapfen zum Wagen, rollten durch den Odenwald und machten noch einen Abstecher in den Heimatort meiner Mutter, nach Mömlingen; warfen einen Blick auf das Haus, in dem der kleine Beve seine Wochenenden verbrachte und auf eine steinerne Mauer mit den Nachbarskindern Fußball spielte und in den Hof des Hauses, wo meine Mutter geboren wurde. Wir folgten den kleinen Gässchen zum Friedhof, wo meine Großmutter wenige Wochen vor meiner Geburt beerdigt wurde und liefen durch die Hauptstraße an der Gastwirtschaft vorbei, zu der mich Großvater stets mit dem Auftrag ein paar Flaschen Bier zu holen hinschickte, wobei selbstverständlich ein Eis für mich dabei abfiel.

Auf dem Rückweg hielten wir in dem Waldstück zwischen Mömlingen und Pflaumheim an einem Mahnmal für einen hier tödlich verunglückten jungen Mann namens Hans Müssig. Es war der 5. November 1971, wir kamen im weißen 68er Opel Kadett meines Vaters wie an fast jedem Freitagabend von Frankfurt hier entlang und wunderten uns über den stockenden Verkehr, bis wir genau an dieser Stelle vorbeikamen und erkannten, dass ein Mensch mit seinem Mofa hier verunglückt war - fünf Tage später sollte er an den Folgen dieses Unfalls versterben. Ich war damals sieben Jahre alt und habe die Bilder jenes kalten Abends nie vergessen.

Später saßen wir in Pflaumheim in einer Wirtschaft, aßen zu Abend und erinnerten uns an den Tag, an dem wir in klirrender Kälte Abschied von Alfred Pfaff genommen haben. Ein weiterer Tag, den wir niemals vergessen werden.

Der HERR ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.

Er weidet mich auf einer grünen Aue
und führet mich zum frischen Wasser.

So steht es im Psalm 23 und so begann die Trauerfeier in der Abteikirche zu Amorbach im Odenwald. Am 7.Januar 2009.



Das Foto entnahm ich Franks großartigem Eintracht-Archiv.