602 Bundesligaspiele, 45 Tore, sechs Länderspiele, 70 Pokalspiele, vier Pokalsiege, ein Uefa-Cup-Sieg, Ehrenspielführer - das sind die nackten Zahlen einer leuchtenden Karriere - aber wie erlebte Karl-Heinz Körbel, genannt Charly diese Zeit? Im Museum der Eintracht hat er vor annähernd 150 Gästen, darunter die langjährigen Eintracht-Begleiter Kurt Schmidt und Sonny aber auch der Co-Trainer der U23, Oscar Corrochano sowie mein Vater, darüber berichtet - und still wurde es im Raum.
Eröffnet wurde die Veranstaltung aus der Reihe Tradition zum Anfassen zunächst durch eine Anekdote von Matze Thoma, der den damaligen Co-Trainer Körbel auf dem Flug zum Uefa-Cup-Spiel nach Lodz kennen lernte. Körbel bot Matze an, mit der Mannschaft zu fahren - obgleich dieser eigentlich zunächst nach Oppeln wollte, Verwandtschaft besuchen, nahm Matze das Angebot an. Einem Charly Körbel schlägt man nichts ab - und so kam es, dass unser jetziger Museumsdirektor nur wenig später eine Nacht an einem Bahnhof in Polen verbrachte - die Nähe zum Team war es wert.
Geboren am 1.12.1954 in Dossenheim nahe Heidelberg war Charly schon als Kind fußballverrückt, sowohl nach der Schule als auch beim FC Dossenheim gab es nichts Schöneres, als dem runden Leder nach zu jagen. Obgleich sein Vater Eintracht-Fan war, interessierte sich der junge Charly eher für die Teams aus dem nordbadischen Raum wie den KSC, Waldhof oder den VfR Mannheim.
Im September 1964 war Körbel dann bei einem denkwürdigem Spiel zu Gast; im heimischen Waldstadion unterlag die Eintracht dem KSC trotz Egon Loy im Tor mit sage und schreibe 0:7 - bis heute die höchste Niederlage der Bundesligageschichte; schon nach 13 Minuten führten die Gäste mit 3:0. Charlies Reaktion war eindeutig: Zu so einem Verein gehst du nicht - obgleich er schon früh den Traum hatte, Bundesligaspieler zu werden
In der Jugend durchlief Körbel viele Auswahlmannschaften, über Nordbaden, Baden bis hin zur Jugendnationalmannschaft des DFB; begleitet hat ihn dabei der nahezu gleichaltrige Uli Stielike, der nur wenige Kilometer entfernt in Ketsch aufwuchs und Fußball spielte. Auf die Frage, wie denn der DFB auf Spieler in der fußballerischen Provinz aufmerksam wurde, antwortete Körbel kurz und prägnant: Qualität.
Trainer der Jugendnationalmannschaft war zu Beginn der Siebziger Herbert Widmayer unter dessen Fittichen Körbel und Stielike aber auch Dieter Kastner, später Müller, Bernd Dürnberger, Jürgen Glowacz oder Harald Schumacher zu gestandenen Bundesligaspielen reiften. Natürlich wurden auch die großen Vereine auf die Spieler, die bei vielen internationalen Spielen auch im Ausland Erfahrungen sammelten, aufmerksam. Körbel absolvierte nebenbei noch eine kaufmännische Ausbildung; wie ich die bestanden habe, weiß ich bis heute nicht.
Der erste Verein, der nachhaltiges Interesse an der Verpflichtung von Charly Körbel zeigte, war der VfB Stuttgart. Ein Vertreter des VfB, der noch heute dort als graue Eminenz tätig ist, kam ins Geschäft, fragte Körbel, ob er nicht wechseln wolle - und drückte ihm 100 Mark in die Hand; Charly nahm das Geld und bat sich Bedenkzeit aus. Später sagte er ab; das Geld aber hat er behalten erzählte er lachend.
Das Konzept mit Jugendnationalspielern eine Mannschaft aufzubauen sollte auch beim HSV aufgehen; Talentspäher Gerhard Heid sichtete die jungen Spieler und bewies ein glückliches Händchen, schon Rudi Kargus (Worms) und Manni Kaltz (Ludwigshafen) waren dem Ruf gefolgt, Charly Körbel sollte der nächste sein. Der erste Flug seines Lebens führte ihn in den Norden, um ein Probetraining zu absolvieren - sein Trainingspartner war kein Geringerer als Uwe Seeler, der nach einer langwierigen Achillessehnenverletzung langsam wieder in Tritt kam. Trainer Klaus Ochs schlug die Bälle nach vorne und Körbel sollte sich im Duell mit Seeler beweisen; keine einfache Aufgabe für den Bub aus Dossenheim, wollte er auf der einen Seite sich beweisen, so zeigte er doch Respekt vor Seeler und bemühte sich, ihn nicht erneut zu verletzen. Ich war ja auch später einer der fairsten Bundesligaspieler. Diese Aufgabe gelang ihm derart bravourös, dass er mit einem unterschriftsreifen Zwei-Jahres-Vertrag wieder in Dossenheim landete. Nicht nur die Bemühungen seitens der Hamburger Verantwortlichen hatten ihn beeindruckt, auch Uwe Seeler selbst setzte sich dafür ein, dass Körbel zum HSV wechseln solle.
Abends saß ich mit meinen Kumpels zusammen und sagte: Ich geh zum HSV.
Die Kumpels aber waren gar nicht begeistert, so weit weg, bist du wahnsinnig war die einhellige Meinung, zumal die A-Jugend des FC Dossenheim auf hohem Niveau spielte. Wir haben gegen gegen den KSC 3:0 gewonnen, auf dem Hartplatz in Dossenheim.
Letzlich war dem jungen Charly alles zuviel, das Abwerben, der optionale Verlust seines Umfeldes; wisst ihr was, ich bleibe noch ein Jahr in Dossenheim - und habe dem HSV abgesagt. Trotz mehrfacher Bemühungen seitens der Hamburger (Hast du ne Meise) hielt Charly Wort - und blieb im Alter von sechzehn Jahren zunächst in Dossenheim.
Sein Kollege in der Nationalmannschaft war zu der Zeit auch Wolfgang "Scheppe" Kraus, der bei der Frankfurter Eintracht spielte - und der ihm langsam die Eintracht schmackhaft machte. Die Anwerbung verlief schleichend und unaufdringlich, Geschäftsführer Jürgen Gerhardt besuchte später die Körbels, brachte Blumen für die Mama und umgarnte die Körbels bei Kaffee und Kuchen. Ernst Berger lud Körbel dann ein, einmal ein Spiel der Eintracht im Waldstadion zu besuchen. Im alten Oval gab es eine Ecke mit Clubsessel und Keksen, dort nahm Charly Platz, auch der damalige Trainer Erich Ribbeck stellte sich vor; jünger als manch Spieler und gewillt, dem Nachwuchs eine Chance zu geben - und dies imponierte dem jungen Mann aus Dossenheim, der zwar noch ein Jahr in der A-Jugend spielen konnte - aber mit der ersten Mannschaft trainieren wollte. So unterschrieb er einen Vertrag als Olympiaamateur, eine Konstruktion, die es ihm ermöglichte, sowohl für die A-Jugend, aber auch für die Amateure und die Profis spielberechtigt zu sein.
Trainer der Amateure waren seinerzeit die Deutschen Meister von 1959, Hermann Höfer und Dieter Stinka; ein weiterer Spieler der Meisterelf von 1959 stand sogar noch im Kader der Saison 1972/73; Friedel Lutz, den Charly als seinen Lehrmeister bezeichnete, ebenso wie er viel von den alten Recken Kalla Wirth oder Lothar Schämer lernen konnte. Ich habe geguckt, was die älteren Spieler machen, was die heutigen Spieler nicht machen, die gehen an dir vorbei.
Der Wille zum Lernen und das Beachten der Älteren brachten Charly neben seinem außerordenlichem Talent den ersten Pflichtspieleinsatz im Trikot der Frankfurter Eintracht. Am 11.08.1972 besiegte die Eintracht den 1.FC Kaiserslautern am Betzenberg mit 3:1; es war ein Spiel im Ligapokal, der Gegenspieler war Klaus Toppmöller - und der Trainer des 1.FCK der spätere Eintracht-Trainer Dietrich Weise. Die Bundesligapremiere erfolgte am 7. Spieltag im Heimspiel gegen Bayern München. Ausfälle von Lutz und Wirth bewogen Trainer Ribbeck dazu, den 17jährigen Körbel gegen den erfolgreichsten Stürmer der Bundesligageschichte zu stellen, gegen Gerd Müller. Müller traf zwar zum 1:2 Anschlusstreffer wenige Minuten vor Spielende, das Lob aber gebührte dem Neuling und der Sieg der Eintracht.
Dabei war Körbel in der Annahme, nicht zum Kader zu gehören, schon vor dem Wochenende mit dem Zug in seine Heimat gefahren, um mit seinen Jungs zu trainieren. Die Eintracht telefonierte ihm hinterher, da zunächst niemand wusste, wo er sich aufhielt. Ribbeck höchstselbst kutschierte ihn nach Frankfurt zurück, Körbel hatte ja noch keinen Führerschein.
Seine erste Heimat in Frankfurt war der Riederwald, er bezog zusammen mit Raimund Krauth die Wohnung am Trainingsgelände der Eintracht als Nachfolger von Bernd Nickel und Jürgen Kalb, die zuvor ihren Spaß dort gehabt hatten. Während sich Spieler wie Thommy Rohrbach oder Gerd Trinklein ins Nachtleben stürzten und sich geschickt den Kontrollversuchen des Trainers Ribbeck entzogen, der mit seinem schwarzen Ledermantel alle Register der Überwachung zog, war es für Körbel schon ein Privileg, auszuschlafen.
Wie für einige andere, sorgten Ribbecks Angewohnheiten für Irritationen. So durften die Spieler im Trainingslager in Grünberg nur wenig bis nichts trinken. Selbst nach intensiven Laufeinheiten gab es beim Mittagessen nichts; in der Folge drehten die Spieler die Dusche auf und wollten das kalte Wasser zu sich nehmen - bis Ribbeck hinter ihnen auftauchte, sie von der Dusche weg zog und das Wasser abstellte. Das muss man sich mal vorstellen. Ich habe ihn neulich mal daraufhin angesprochen, heute will er davon nichts mehr wissen erzählte Charly lachend.
Körbel absolvierte in seiner ersten Saison 18 von 34 möglichen Ligaspielen - bis 1991 stand er von 646 möglichen Spielen 602 mal auf dem Platz - und dies trotz einem Schienbeinbruch; eine schier unvorstellbare Leistung. Knapp zwei Jahre nach seinem Debut wurde Körbel zum ersten Mal Pokalsieger durch ein 3:1 gegen den HSV, ein weiteres Jahr später erzielte er selbst den 1:0 Siegtreffer gegen den MSV Duisburg und stemmte den DFB-Pokal erneut in die Höhe; mit gerade mal 20 Jahren eine erstaunliche Bilanz, zudem er sich als Spieler in der Liga etabliert hatte und außerdem im 40er Kader für die WM 1974 gelistet wurde. Beharrlicher Wille zum Lernen und der Respekt vor den Älteren hatten sich schon früh ausgezahlt - und dabei stand er erst am Beginn einer einzigartigen Karriere.
Hat er zu Beginn seiner Karriere häufig im defensiven Mittelfeld den Terrier geben müssen, zu dessen Aufgaben das Ausschalten des gegnerischen Spielmachers (Overath, Netzer) gehörte, nebst Verbot über die Mittellinie zu gehen (Nickel hat immer zu mir gesagt: Ausschalten, marschieren, mir den Ball geben), so etablierte sich Körbel nach dem Wechsel von Uwe Kliemann zur Hertha im Sommer 1974 als Vorstopper mit der Nummer vier. Während vorne Grabi, Nickel und Hölzenbein (die wären ja heute unbezahlbar) in der gegnerischen Hälfte zauberten, war für Spieler wie Roland Weidle oder Körbel an der Mittellinie Schluss. Gerd Trinklein hatte sich im Finale des DFB-Pokals 1974 darüber hinweg gesetzt - und prompt einen Treffer erzielt.
Körbel bekannte, dass er die ersten Jahre bei der Eintracht mitgeschwommen sei, da die anderen Kameraden ihn führten. Die Spieler zeigten sich verantwortlich für das gesamte Team - und die Jungen Respekt vor den Älteren. Lag ein Älterer auf der Massagebank, so reichte ein Blick - und die Jungen trollten sich. Deswegen habe ich mich auch kaum massieren lassen.
Charly etablierte sich in der Bundesliga - und heiratete in Dossenheim seine Margarethe. Die Hochzeit brachte einige Schwierigkeiten mit sich, Charly ist evangelisch, seine Frau katholisch und die jeweiligen Pfarrer weigerten sich zunächst, eine gemeinsame Trauung zu vollziehen. Dies hatte zur Folge, dass nach einigem Hin und Her der katholische Pfarrer (der immerhin Fußballfan war und sich für den 1.FC Nürnberg begeisterte) sich bereit erklärte, an einer ökumenischen Zeremonie teil zu nehmen; der Preis war: Charly Körbel, DFB-Pokalsieger und Nationalspieler musste Eheunterricht nehmen und unterschreiben, dass der Nachwuchs katholisch getauft wird. Nach Eheschließung trat Körbel aus der Kirche aus, was zur Folge hatte, dass der evangelische Pfarrer zum Entsetzen der Mutter den Austritt öffentlich über die Kanzel verkündete.
Zu seinem ersten Länderspiel kam Körbel am 22.Dezember 1974 in Malta; das Spiel fand in La Valetta auf dem berüchtigten Hartplatz stand und der Weltmeister kam zu einem mühevollen 1:0; neben Körbel standen auch Hölzenbein und ab der 46. Minute Bernd Nickel auf dem Platz. Dazu stürmte der Offenbacher Erwin Kostedde. Schon im Oktober 1975 endete nach dem sechsten Spiel die Karriere als Nationalspieler; zu stark dominierte der Bayern Block mit Maier, Beckenbauer, Schwarzenbeck und Hoeneß die Nationalelf - und als Körbel gegen Griechenland die Defensive vernachlässigte, da die Spanier Netzer und Breitner außer Form waren und Beckenbauer bei einem Gegentor auf sich alleine gestellt war, da kam der Abpfiff - mit 22 Jahren. Der Franz hat mich nicht mehr angeguggt, da wusste ich schon, was los war.
Dennoch absolvierte Körbel im Trikot der Eintracht im Europacup der Pokalsieger und im Uefa-Cup 48 internationale Spiele und errang 1980 den Uefa-Cup. Zu den besten Spielen zählen dabei die Partien gegen die Bayern. 1980 bezwang die Eintracht die Münchner im Rückspiel des Halbfinales mit 5:1, schon 1977 standen sich beide Teams im gleichen Wettbewerb gegenüber; 4:0 siegte die Eintracht in Frankfurt, 2:1 in München. Aber auch die Partie gegen Feyennoord Rotterdam blieb Körbel in nachhaltiger Erinnerung, eines der besten Spiele der Eintracht - mit 4:1 fegten die Adler (in grünen Trikots) Rotterdam vom Platz; Cha und Pezzey, Grabi und Holz, Neuberger und Körbel, Nickel und Nachtweih - ein großartiges Team begeisterte ganz Deutschland.
Cha Bum, einer der großartigsten Spieler, der je für die Eintracht aufgelaufen ist, stand unter dem besonderen Schutz von Charly Körbel - aber auch dem ganzen Team. Als Cha aus Südkorea nach Deutschland kam, landete er in einem anderen Universum. Unbekannte Schriftzeichen oder unbekanntes Essen bereiteten dem gläubigen Cha erhebliche Probleme, über die ihm die gesamte Mannschaft hinweg half - wie Körbel seinerzeit von einem funktionierendem Team geleitet wurde; eine Erfahrung, die Charly bis heute als sein Kapital bezeichnet. Gerade im Vergleich zur heutigen Zeit, da bspw. ein Spieler wie Caio mehr oder minder auf sich alleine gestellt ist, zeigt sich, wie wertvoll die Einflüsse erfahrener Spieler auf die Qualität einzelner Spieler sein kann. So haben wir den Cha aufgebaut. Heute ist alles ganz anders, man kümmert sich nicht darum.
Legendär wurden die Sitzungen im Hinterzimmer beim Ruppe Karl in Ober-Erlenbach (wenn wir einmal in der Saison schlecht gespielt haben). Der Gastwirt, der in diesem Jahr leider verstorben ist, öffnete sein Reich für die Spieler, stellte Wodka hin, verschloss die Türe und klopfte auch dem Anti-Alkoholiker Cha auf die Schulter: Sauf, Cha. Sauf.
So wurden unglaublich viele Probleme intern geklärt. Heute geht jeder seine eigenen Wege, die Zeit ist schnelllebiger, früher gab es einen Reporter der Bild, die Abendpost/Nachtausgabe und die Rundschau - heute steht überall eine Kamera.
Jürgen Grabowski musste 1980 nach einem Tritt von Lothar Matthäus seine Karriere beenden, Holz zog es ein Jahr später nach Amerika (nach dem dritten Pokalsieg der Eintracht mit Charly Körbel) und im Jahr 1983 beendeten nicht nur Willi Neuberger und Bernd Nickel ihre Karrieren im Eintracht-Trikot; Cha wurde nach Leverkusen transferiert und Bruno Pezzey nach Bremen. Gerade der Verkauf von Pezzey erregte die Gemüter. Pezzey, der während der Halbzeit in Düsseldorf (dem letzten Saisonspiel 82/83) von seinem bevorstehenden Verkauf erfuhr, wurde in seiner Zeit bei Eintracht Frankfurt zu einem Freund Körbels. Körbel wiederum hatte zwar kurz zuvor seinen Vertrag bei der Eintracht verlängert, jedoch waren mit dem Verkauf von Cha und Pezzey nicht mehr die Bedingungen gegeben, unter denen er unterschrieben hatte. Abends saßen Pezzey, der das Angebot von Werder Bremen vorliegen hatte und Körbel beisammen - und Pezzey sagte: Weißt du was, du gehst mit nach Bremen.
Pezzey, Nickel und Körbel flogen gemeinsam in Urlaub nach Forida, derweil Werder Bremen Bereitschaft signalisierte, auch Körbel zu nehmen. Letzlich aber hatte Eintracht Frankfurt in der Sommerpause den Schweden Jan Svensson verpflichtet, aus Berlin kam Jürgen Mohr, so siegte letztlich doch Charlies Einstellung und sein großes Herz für die Eintracht: Ich kann die jungen Spieler nicht im Stich lassen. Wenn ich jetzt auch noch gehe, fällt alles zusammen - und das wollte ich nicht sagte Charly - und bewies das richtige Gespür.
Mit Falkenmayer, Kraaz und Berthold ging die Eintracht in die neue Saison 83/84 und die Qualitäten eines Charly Körbels waren gefragter denn je. Die Mannschaft stemmte sich gegen den Abstieg, alleine gelassen von Trainer Zebec, der einen Kampf gegen sich und den Alkohol führte und blieb vom 03. September 1983 (3:0 gegen Düsseldorf) bis zum 25. Februar 1984 (3:0 gegen Kickers Offenbach) 174 Tage ohne Sieg. Mittlerweile hatte Dietrich Weise erneut das Traineramt inne und schaffte letztendlich den 16. Platz, welcher immerhin zu Relegationsspielen gegen den Dritten der Zweiten Liga, den MSV Duisburg berechtigte. Zuvor, am 31. Spieltag, verlor die Eintracht ihren Kapitän. Körbel hatte im Spiel gegen den 1.FC Nürnberg zwei Treffer erzielt, als es kurz nach dem Anstoß im Anschluss an den zweiten Treffer zu einem folgenschweren Zusammenprall mit Rüdiger Abramczik kam - und Charly Körbel sich das Schienbein brach. Die Eintracht aber spielte für ihren Kapitän, besiegte den Club mit 3:1 und holte auch in den letzten drei Spielen fünf von sechs möglichen Punkten. Nach einem 5:0 in Duisburg stand der Klassenerhalt nahezu fest, das Rückspiel endete 1:1 und somit blieb die Eintracht erstklassig. Schon am dritten Spieltag der Folgesaison stand Körbel wieder auf dem Platz, im Bein steckte zweieinhalb Jahre lang ein langer Nagel, der den Knochen stabilisierte und der heute im Museum zu bewundern ist.
Die Eintracht, die ein Jahrzehnt lang durch spielstarken Fußball geglänzt hatte, befand sich fortan in den unteren Tabellenregionen; andere Tugenden waren gefragt, die einstige Qualität nur im Ansatz vorhanden. Charly Körbel, Nummer vier und Kapitän marschierte vorneweg - und besaß einen großen Bonus bei den Fans, gerade in den seltenen Fällen, als er schlecht spielte.
Eine schwierige Phase hatte Körbel unter Trainer Feldkamp zu überstehen der ihn - ohne mit ihm gesprochen zu haben - als Kapitän absetzen wollte. Natürlich war Körbel gekränkt und wenig begeistert - und kann daher sehr gut nachvollziehen, wie es Ioannis Amanatidis ergangen ist, welchen durch den neuen Trainer Michael Skibbe im vergangenen Sommer das gleiche Schicksal ereilte. Körbel sprach damals mit Ama, sagte: mir ist das auch passiert, bleib besonnen - und überlege dir, was du sagst. Körbel selbst führte die Mannschaft damals mit Blick auf Feldkamp auf das Feld und dachte sich: Du kriegst mich nicht kaputt - bevor ich gehe, gehst du. - und sollte trotz des folgenden Pokalsieges, dem nunmehr vierten mit Körbel, Recht behalten. Vielleicht wäre es besser gewesen, wir hätten den Pokal nicht geholt und mehr Ruhe im Verein gehabt. Für Feldkamp war Geld wichtig, Geld, Geld, Geld - das hat nicht gepasst.
Feldkamp verließ die Eintracht, ebenso wie zuvor Lajos Detari, den Siegtorschützen des bislang letzten Pokalerfolges. Körbel blieb es vorbehalten, in der Saison 88/89 im letzten Saisonspiel gegen Hannover 96 einen Treffer zu erzielen, der die Eintracht immerhin erneut in die Relegation brachte - um diese mit 2:0 und 1:2 gegen den 1.FC Saarbrücken knapp zu überstehen.
Mit der Rückkehr von Ralf Falkenmayer und der Verpflichtung von Uwe Bein begann die Aera des Fußballs 2000, die mit Tony Yeboah einen weiteren Schub erfuhr - auch wenn Bein unter der Woche phasenweise kaum trainierte. Sicherer Rückhalt in jenen Jahren war Torhüter Uli Stein, der alleine für mindestens 10 Punkte gut war.
Große Stücke hielt Körbel, wie so viele, auf Ralf Falkenmayer, der für die Mannschaft unglaublich wichtig war.
Seine letzte Saison spielte Charly Körbel 1990/91. Am vorletzten Spieltag absolvierte er sein 602tes und letztes Bundesligaspiel, eine gelbe Karte führte zu einer Sperre, so dass sich Charly nicht mehr aktiv vor heimischen Publikum verabschieden durfte. Obgleich er körperlich durchaus noch in der Lage gewesen wäre, weiter aktiv zu spielen, wollte er abtreten, wie er begonnen hatte; in einem Team, das ganz oben steht, dass die Leute mich in guter Erinnerung behalten.
Lange Jahre hat Körbel seinen Körper gepflegt, machte Urlaub in den Heilbädern von Ischia, während seine Kollegen auf Ibiza oder Mallorca weilten. Der Lohn waren jene 602 Spiele - dies bedeutet, dass ein junger Spieler ab heute 20 Jahre lang 30 Spiele pro Saison absolvieren müsste - und selbst dann diesen Rekord nicht eingestellt hätte, wie Stefan Minden von der FuFA anmerkte - eine unglaubliche Leistung, die auch jene Spieler immer wieder verblüfft, die neu zur Eintracht stoßen.
Auch nach seinem Karriereende blieb Charly Körbel der Eintracht gewogen, zunächst als Co-Trainer, dann als Trainer, später als Scout und jetzt als Vorstandsberater und Leiter der Fußballschule. Doch diese Zeit wird sicherlich in einer weiteren Veranstaltung aus der Reihe Tradition zum Anfassen näher beleuchtet. Eine Tradition, die kaum jemand besser verkörpert und auch fördert als Charly Körbel.
Danke dafür.
Eröffnet wurde die Veranstaltung aus der Reihe Tradition zum Anfassen zunächst durch eine Anekdote von Matze Thoma, der den damaligen Co-Trainer Körbel auf dem Flug zum Uefa-Cup-Spiel nach Lodz kennen lernte. Körbel bot Matze an, mit der Mannschaft zu fahren - obgleich dieser eigentlich zunächst nach Oppeln wollte, Verwandtschaft besuchen, nahm Matze das Angebot an. Einem Charly Körbel schlägt man nichts ab - und so kam es, dass unser jetziger Museumsdirektor nur wenig später eine Nacht an einem Bahnhof in Polen verbrachte - die Nähe zum Team war es wert.
Geboren am 1.12.1954 in Dossenheim nahe Heidelberg war Charly schon als Kind fußballverrückt, sowohl nach der Schule als auch beim FC Dossenheim gab es nichts Schöneres, als dem runden Leder nach zu jagen. Obgleich sein Vater Eintracht-Fan war, interessierte sich der junge Charly eher für die Teams aus dem nordbadischen Raum wie den KSC, Waldhof oder den VfR Mannheim.
Im September 1964 war Körbel dann bei einem denkwürdigem Spiel zu Gast; im heimischen Waldstadion unterlag die Eintracht dem KSC trotz Egon Loy im Tor mit sage und schreibe 0:7 - bis heute die höchste Niederlage der Bundesligageschichte; schon nach 13 Minuten führten die Gäste mit 3:0. Charlies Reaktion war eindeutig: Zu so einem Verein gehst du nicht - obgleich er schon früh den Traum hatte, Bundesligaspieler zu werden
In der Jugend durchlief Körbel viele Auswahlmannschaften, über Nordbaden, Baden bis hin zur Jugendnationalmannschaft des DFB; begleitet hat ihn dabei der nahezu gleichaltrige Uli Stielike, der nur wenige Kilometer entfernt in Ketsch aufwuchs und Fußball spielte. Auf die Frage, wie denn der DFB auf Spieler in der fußballerischen Provinz aufmerksam wurde, antwortete Körbel kurz und prägnant: Qualität.
Trainer der Jugendnationalmannschaft war zu Beginn der Siebziger Herbert Widmayer unter dessen Fittichen Körbel und Stielike aber auch Dieter Kastner, später Müller, Bernd Dürnberger, Jürgen Glowacz oder Harald Schumacher zu gestandenen Bundesligaspielen reiften. Natürlich wurden auch die großen Vereine auf die Spieler, die bei vielen internationalen Spielen auch im Ausland Erfahrungen sammelten, aufmerksam. Körbel absolvierte nebenbei noch eine kaufmännische Ausbildung; wie ich die bestanden habe, weiß ich bis heute nicht.
Der erste Verein, der nachhaltiges Interesse an der Verpflichtung von Charly Körbel zeigte, war der VfB Stuttgart. Ein Vertreter des VfB, der noch heute dort als graue Eminenz tätig ist, kam ins Geschäft, fragte Körbel, ob er nicht wechseln wolle - und drückte ihm 100 Mark in die Hand; Charly nahm das Geld und bat sich Bedenkzeit aus. Später sagte er ab; das Geld aber hat er behalten erzählte er lachend.
Das Konzept mit Jugendnationalspielern eine Mannschaft aufzubauen sollte auch beim HSV aufgehen; Talentspäher Gerhard Heid sichtete die jungen Spieler und bewies ein glückliches Händchen, schon Rudi Kargus (Worms) und Manni Kaltz (Ludwigshafen) waren dem Ruf gefolgt, Charly Körbel sollte der nächste sein. Der erste Flug seines Lebens führte ihn in den Norden, um ein Probetraining zu absolvieren - sein Trainingspartner war kein Geringerer als Uwe Seeler, der nach einer langwierigen Achillessehnenverletzung langsam wieder in Tritt kam. Trainer Klaus Ochs schlug die Bälle nach vorne und Körbel sollte sich im Duell mit Seeler beweisen; keine einfache Aufgabe für den Bub aus Dossenheim, wollte er auf der einen Seite sich beweisen, so zeigte er doch Respekt vor Seeler und bemühte sich, ihn nicht erneut zu verletzen. Ich war ja auch später einer der fairsten Bundesligaspieler. Diese Aufgabe gelang ihm derart bravourös, dass er mit einem unterschriftsreifen Zwei-Jahres-Vertrag wieder in Dossenheim landete. Nicht nur die Bemühungen seitens der Hamburger Verantwortlichen hatten ihn beeindruckt, auch Uwe Seeler selbst setzte sich dafür ein, dass Körbel zum HSV wechseln solle.
Abends saß ich mit meinen Kumpels zusammen und sagte: Ich geh zum HSV.
Die Kumpels aber waren gar nicht begeistert, so weit weg, bist du wahnsinnig war die einhellige Meinung, zumal die A-Jugend des FC Dossenheim auf hohem Niveau spielte. Wir haben gegen gegen den KSC 3:0 gewonnen, auf dem Hartplatz in Dossenheim.
Letzlich war dem jungen Charly alles zuviel, das Abwerben, der optionale Verlust seines Umfeldes; wisst ihr was, ich bleibe noch ein Jahr in Dossenheim - und habe dem HSV abgesagt. Trotz mehrfacher Bemühungen seitens der Hamburger (Hast du ne Meise) hielt Charly Wort - und blieb im Alter von sechzehn Jahren zunächst in Dossenheim.
Sein Kollege in der Nationalmannschaft war zu der Zeit auch Wolfgang "Scheppe" Kraus, der bei der Frankfurter Eintracht spielte - und der ihm langsam die Eintracht schmackhaft machte. Die Anwerbung verlief schleichend und unaufdringlich, Geschäftsführer Jürgen Gerhardt besuchte später die Körbels, brachte Blumen für die Mama und umgarnte die Körbels bei Kaffee und Kuchen. Ernst Berger lud Körbel dann ein, einmal ein Spiel der Eintracht im Waldstadion zu besuchen. Im alten Oval gab es eine Ecke mit Clubsessel und Keksen, dort nahm Charly Platz, auch der damalige Trainer Erich Ribbeck stellte sich vor; jünger als manch Spieler und gewillt, dem Nachwuchs eine Chance zu geben - und dies imponierte dem jungen Mann aus Dossenheim, der zwar noch ein Jahr in der A-Jugend spielen konnte - aber mit der ersten Mannschaft trainieren wollte. So unterschrieb er einen Vertrag als Olympiaamateur, eine Konstruktion, die es ihm ermöglichte, sowohl für die A-Jugend, aber auch für die Amateure und die Profis spielberechtigt zu sein.
Trainer der Amateure waren seinerzeit die Deutschen Meister von 1959, Hermann Höfer und Dieter Stinka; ein weiterer Spieler der Meisterelf von 1959 stand sogar noch im Kader der Saison 1972/73; Friedel Lutz, den Charly als seinen Lehrmeister bezeichnete, ebenso wie er viel von den alten Recken Kalla Wirth oder Lothar Schämer lernen konnte. Ich habe geguckt, was die älteren Spieler machen, was die heutigen Spieler nicht machen, die gehen an dir vorbei.
Der Wille zum Lernen und das Beachten der Älteren brachten Charly neben seinem außerordenlichem Talent den ersten Pflichtspieleinsatz im Trikot der Frankfurter Eintracht. Am 11.08.1972 besiegte die Eintracht den 1.FC Kaiserslautern am Betzenberg mit 3:1; es war ein Spiel im Ligapokal, der Gegenspieler war Klaus Toppmöller - und der Trainer des 1.FCK der spätere Eintracht-Trainer Dietrich Weise. Die Bundesligapremiere erfolgte am 7. Spieltag im Heimspiel gegen Bayern München. Ausfälle von Lutz und Wirth bewogen Trainer Ribbeck dazu, den 17jährigen Körbel gegen den erfolgreichsten Stürmer der Bundesligageschichte zu stellen, gegen Gerd Müller. Müller traf zwar zum 1:2 Anschlusstreffer wenige Minuten vor Spielende, das Lob aber gebührte dem Neuling und der Sieg der Eintracht.
Dabei war Körbel in der Annahme, nicht zum Kader zu gehören, schon vor dem Wochenende mit dem Zug in seine Heimat gefahren, um mit seinen Jungs zu trainieren. Die Eintracht telefonierte ihm hinterher, da zunächst niemand wusste, wo er sich aufhielt. Ribbeck höchstselbst kutschierte ihn nach Frankfurt zurück, Körbel hatte ja noch keinen Führerschein.
Seine erste Heimat in Frankfurt war der Riederwald, er bezog zusammen mit Raimund Krauth die Wohnung am Trainingsgelände der Eintracht als Nachfolger von Bernd Nickel und Jürgen Kalb, die zuvor ihren Spaß dort gehabt hatten. Während sich Spieler wie Thommy Rohrbach oder Gerd Trinklein ins Nachtleben stürzten und sich geschickt den Kontrollversuchen des Trainers Ribbeck entzogen, der mit seinem schwarzen Ledermantel alle Register der Überwachung zog, war es für Körbel schon ein Privileg, auszuschlafen.
Wie für einige andere, sorgten Ribbecks Angewohnheiten für Irritationen. So durften die Spieler im Trainingslager in Grünberg nur wenig bis nichts trinken. Selbst nach intensiven Laufeinheiten gab es beim Mittagessen nichts; in der Folge drehten die Spieler die Dusche auf und wollten das kalte Wasser zu sich nehmen - bis Ribbeck hinter ihnen auftauchte, sie von der Dusche weg zog und das Wasser abstellte. Das muss man sich mal vorstellen. Ich habe ihn neulich mal daraufhin angesprochen, heute will er davon nichts mehr wissen erzählte Charly lachend.
Körbel absolvierte in seiner ersten Saison 18 von 34 möglichen Ligaspielen - bis 1991 stand er von 646 möglichen Spielen 602 mal auf dem Platz - und dies trotz einem Schienbeinbruch; eine schier unvorstellbare Leistung. Knapp zwei Jahre nach seinem Debut wurde Körbel zum ersten Mal Pokalsieger durch ein 3:1 gegen den HSV, ein weiteres Jahr später erzielte er selbst den 1:0 Siegtreffer gegen den MSV Duisburg und stemmte den DFB-Pokal erneut in die Höhe; mit gerade mal 20 Jahren eine erstaunliche Bilanz, zudem er sich als Spieler in der Liga etabliert hatte und außerdem im 40er Kader für die WM 1974 gelistet wurde. Beharrlicher Wille zum Lernen und der Respekt vor den Älteren hatten sich schon früh ausgezahlt - und dabei stand er erst am Beginn einer einzigartigen Karriere.
Hat er zu Beginn seiner Karriere häufig im defensiven Mittelfeld den Terrier geben müssen, zu dessen Aufgaben das Ausschalten des gegnerischen Spielmachers (Overath, Netzer) gehörte, nebst Verbot über die Mittellinie zu gehen (Nickel hat immer zu mir gesagt: Ausschalten, marschieren, mir den Ball geben), so etablierte sich Körbel nach dem Wechsel von Uwe Kliemann zur Hertha im Sommer 1974 als Vorstopper mit der Nummer vier. Während vorne Grabi, Nickel und Hölzenbein (die wären ja heute unbezahlbar) in der gegnerischen Hälfte zauberten, war für Spieler wie Roland Weidle oder Körbel an der Mittellinie Schluss. Gerd Trinklein hatte sich im Finale des DFB-Pokals 1974 darüber hinweg gesetzt - und prompt einen Treffer erzielt.
Körbel bekannte, dass er die ersten Jahre bei der Eintracht mitgeschwommen sei, da die anderen Kameraden ihn führten. Die Spieler zeigten sich verantwortlich für das gesamte Team - und die Jungen Respekt vor den Älteren. Lag ein Älterer auf der Massagebank, so reichte ein Blick - und die Jungen trollten sich. Deswegen habe ich mich auch kaum massieren lassen.
Charly etablierte sich in der Bundesliga - und heiratete in Dossenheim seine Margarethe. Die Hochzeit brachte einige Schwierigkeiten mit sich, Charly ist evangelisch, seine Frau katholisch und die jeweiligen Pfarrer weigerten sich zunächst, eine gemeinsame Trauung zu vollziehen. Dies hatte zur Folge, dass nach einigem Hin und Her der katholische Pfarrer (der immerhin Fußballfan war und sich für den 1.FC Nürnberg begeisterte) sich bereit erklärte, an einer ökumenischen Zeremonie teil zu nehmen; der Preis war: Charly Körbel, DFB-Pokalsieger und Nationalspieler musste Eheunterricht nehmen und unterschreiben, dass der Nachwuchs katholisch getauft wird. Nach Eheschließung trat Körbel aus der Kirche aus, was zur Folge hatte, dass der evangelische Pfarrer zum Entsetzen der Mutter den Austritt öffentlich über die Kanzel verkündete.
Zu seinem ersten Länderspiel kam Körbel am 22.Dezember 1974 in Malta; das Spiel fand in La Valetta auf dem berüchtigten Hartplatz stand und der Weltmeister kam zu einem mühevollen 1:0; neben Körbel standen auch Hölzenbein und ab der 46. Minute Bernd Nickel auf dem Platz. Dazu stürmte der Offenbacher Erwin Kostedde. Schon im Oktober 1975 endete nach dem sechsten Spiel die Karriere als Nationalspieler; zu stark dominierte der Bayern Block mit Maier, Beckenbauer, Schwarzenbeck und Hoeneß die Nationalelf - und als Körbel gegen Griechenland die Defensive vernachlässigte, da die Spanier Netzer und Breitner außer Form waren und Beckenbauer bei einem Gegentor auf sich alleine gestellt war, da kam der Abpfiff - mit 22 Jahren. Der Franz hat mich nicht mehr angeguggt, da wusste ich schon, was los war.
Dennoch absolvierte Körbel im Trikot der Eintracht im Europacup der Pokalsieger und im Uefa-Cup 48 internationale Spiele und errang 1980 den Uefa-Cup. Zu den besten Spielen zählen dabei die Partien gegen die Bayern. 1980 bezwang die Eintracht die Münchner im Rückspiel des Halbfinales mit 5:1, schon 1977 standen sich beide Teams im gleichen Wettbewerb gegenüber; 4:0 siegte die Eintracht in Frankfurt, 2:1 in München. Aber auch die Partie gegen Feyennoord Rotterdam blieb Körbel in nachhaltiger Erinnerung, eines der besten Spiele der Eintracht - mit 4:1 fegten die Adler (in grünen Trikots) Rotterdam vom Platz; Cha und Pezzey, Grabi und Holz, Neuberger und Körbel, Nickel und Nachtweih - ein großartiges Team begeisterte ganz Deutschland.
Cha Bum, einer der großartigsten Spieler, der je für die Eintracht aufgelaufen ist, stand unter dem besonderen Schutz von Charly Körbel - aber auch dem ganzen Team. Als Cha aus Südkorea nach Deutschland kam, landete er in einem anderen Universum. Unbekannte Schriftzeichen oder unbekanntes Essen bereiteten dem gläubigen Cha erhebliche Probleme, über die ihm die gesamte Mannschaft hinweg half - wie Körbel seinerzeit von einem funktionierendem Team geleitet wurde; eine Erfahrung, die Charly bis heute als sein Kapital bezeichnet. Gerade im Vergleich zur heutigen Zeit, da bspw. ein Spieler wie Caio mehr oder minder auf sich alleine gestellt ist, zeigt sich, wie wertvoll die Einflüsse erfahrener Spieler auf die Qualität einzelner Spieler sein kann. So haben wir den Cha aufgebaut. Heute ist alles ganz anders, man kümmert sich nicht darum.
Legendär wurden die Sitzungen im Hinterzimmer beim Ruppe Karl in Ober-Erlenbach (wenn wir einmal in der Saison schlecht gespielt haben). Der Gastwirt, der in diesem Jahr leider verstorben ist, öffnete sein Reich für die Spieler, stellte Wodka hin, verschloss die Türe und klopfte auch dem Anti-Alkoholiker Cha auf die Schulter: Sauf, Cha. Sauf.
So wurden unglaublich viele Probleme intern geklärt. Heute geht jeder seine eigenen Wege, die Zeit ist schnelllebiger, früher gab es einen Reporter der Bild, die Abendpost/Nachtausgabe und die Rundschau - heute steht überall eine Kamera.
Jürgen Grabowski musste 1980 nach einem Tritt von Lothar Matthäus seine Karriere beenden, Holz zog es ein Jahr später nach Amerika (nach dem dritten Pokalsieg der Eintracht mit Charly Körbel) und im Jahr 1983 beendeten nicht nur Willi Neuberger und Bernd Nickel ihre Karrieren im Eintracht-Trikot; Cha wurde nach Leverkusen transferiert und Bruno Pezzey nach Bremen. Gerade der Verkauf von Pezzey erregte die Gemüter. Pezzey, der während der Halbzeit in Düsseldorf (dem letzten Saisonspiel 82/83) von seinem bevorstehenden Verkauf erfuhr, wurde in seiner Zeit bei Eintracht Frankfurt zu einem Freund Körbels. Körbel wiederum hatte zwar kurz zuvor seinen Vertrag bei der Eintracht verlängert, jedoch waren mit dem Verkauf von Cha und Pezzey nicht mehr die Bedingungen gegeben, unter denen er unterschrieben hatte. Abends saßen Pezzey, der das Angebot von Werder Bremen vorliegen hatte und Körbel beisammen - und Pezzey sagte: Weißt du was, du gehst mit nach Bremen.
Pezzey, Nickel und Körbel flogen gemeinsam in Urlaub nach Forida, derweil Werder Bremen Bereitschaft signalisierte, auch Körbel zu nehmen. Letzlich aber hatte Eintracht Frankfurt in der Sommerpause den Schweden Jan Svensson verpflichtet, aus Berlin kam Jürgen Mohr, so siegte letztlich doch Charlies Einstellung und sein großes Herz für die Eintracht: Ich kann die jungen Spieler nicht im Stich lassen. Wenn ich jetzt auch noch gehe, fällt alles zusammen - und das wollte ich nicht sagte Charly - und bewies das richtige Gespür.
Mit Falkenmayer, Kraaz und Berthold ging die Eintracht in die neue Saison 83/84 und die Qualitäten eines Charly Körbels waren gefragter denn je. Die Mannschaft stemmte sich gegen den Abstieg, alleine gelassen von Trainer Zebec, der einen Kampf gegen sich und den Alkohol führte und blieb vom 03. September 1983 (3:0 gegen Düsseldorf) bis zum 25. Februar 1984 (3:0 gegen Kickers Offenbach) 174 Tage ohne Sieg. Mittlerweile hatte Dietrich Weise erneut das Traineramt inne und schaffte letztendlich den 16. Platz, welcher immerhin zu Relegationsspielen gegen den Dritten der Zweiten Liga, den MSV Duisburg berechtigte. Zuvor, am 31. Spieltag, verlor die Eintracht ihren Kapitän. Körbel hatte im Spiel gegen den 1.FC Nürnberg zwei Treffer erzielt, als es kurz nach dem Anstoß im Anschluss an den zweiten Treffer zu einem folgenschweren Zusammenprall mit Rüdiger Abramczik kam - und Charly Körbel sich das Schienbein brach. Die Eintracht aber spielte für ihren Kapitän, besiegte den Club mit 3:1 und holte auch in den letzten drei Spielen fünf von sechs möglichen Punkten. Nach einem 5:0 in Duisburg stand der Klassenerhalt nahezu fest, das Rückspiel endete 1:1 und somit blieb die Eintracht erstklassig. Schon am dritten Spieltag der Folgesaison stand Körbel wieder auf dem Platz, im Bein steckte zweieinhalb Jahre lang ein langer Nagel, der den Knochen stabilisierte und der heute im Museum zu bewundern ist.
Die Eintracht, die ein Jahrzehnt lang durch spielstarken Fußball geglänzt hatte, befand sich fortan in den unteren Tabellenregionen; andere Tugenden waren gefragt, die einstige Qualität nur im Ansatz vorhanden. Charly Körbel, Nummer vier und Kapitän marschierte vorneweg - und besaß einen großen Bonus bei den Fans, gerade in den seltenen Fällen, als er schlecht spielte.
Eine schwierige Phase hatte Körbel unter Trainer Feldkamp zu überstehen der ihn - ohne mit ihm gesprochen zu haben - als Kapitän absetzen wollte. Natürlich war Körbel gekränkt und wenig begeistert - und kann daher sehr gut nachvollziehen, wie es Ioannis Amanatidis ergangen ist, welchen durch den neuen Trainer Michael Skibbe im vergangenen Sommer das gleiche Schicksal ereilte. Körbel sprach damals mit Ama, sagte: mir ist das auch passiert, bleib besonnen - und überlege dir, was du sagst. Körbel selbst führte die Mannschaft damals mit Blick auf Feldkamp auf das Feld und dachte sich: Du kriegst mich nicht kaputt - bevor ich gehe, gehst du. - und sollte trotz des folgenden Pokalsieges, dem nunmehr vierten mit Körbel, Recht behalten. Vielleicht wäre es besser gewesen, wir hätten den Pokal nicht geholt und mehr Ruhe im Verein gehabt. Für Feldkamp war Geld wichtig, Geld, Geld, Geld - das hat nicht gepasst.
Feldkamp verließ die Eintracht, ebenso wie zuvor Lajos Detari, den Siegtorschützen des bislang letzten Pokalerfolges. Körbel blieb es vorbehalten, in der Saison 88/89 im letzten Saisonspiel gegen Hannover 96 einen Treffer zu erzielen, der die Eintracht immerhin erneut in die Relegation brachte - um diese mit 2:0 und 1:2 gegen den 1.FC Saarbrücken knapp zu überstehen.
Mit der Rückkehr von Ralf Falkenmayer und der Verpflichtung von Uwe Bein begann die Aera des Fußballs 2000, die mit Tony Yeboah einen weiteren Schub erfuhr - auch wenn Bein unter der Woche phasenweise kaum trainierte. Sicherer Rückhalt in jenen Jahren war Torhüter Uli Stein, der alleine für mindestens 10 Punkte gut war.
Große Stücke hielt Körbel, wie so viele, auf Ralf Falkenmayer, der für die Mannschaft unglaublich wichtig war.
Seine letzte Saison spielte Charly Körbel 1990/91. Am vorletzten Spieltag absolvierte er sein 602tes und letztes Bundesligaspiel, eine gelbe Karte führte zu einer Sperre, so dass sich Charly nicht mehr aktiv vor heimischen Publikum verabschieden durfte. Obgleich er körperlich durchaus noch in der Lage gewesen wäre, weiter aktiv zu spielen, wollte er abtreten, wie er begonnen hatte; in einem Team, das ganz oben steht, dass die Leute mich in guter Erinnerung behalten.
Lange Jahre hat Körbel seinen Körper gepflegt, machte Urlaub in den Heilbädern von Ischia, während seine Kollegen auf Ibiza oder Mallorca weilten. Der Lohn waren jene 602 Spiele - dies bedeutet, dass ein junger Spieler ab heute 20 Jahre lang 30 Spiele pro Saison absolvieren müsste - und selbst dann diesen Rekord nicht eingestellt hätte, wie Stefan Minden von der FuFA anmerkte - eine unglaubliche Leistung, die auch jene Spieler immer wieder verblüfft, die neu zur Eintracht stoßen.
Auch nach seinem Karriereende blieb Charly Körbel der Eintracht gewogen, zunächst als Co-Trainer, dann als Trainer, später als Scout und jetzt als Vorstandsberater und Leiter der Fußballschule. Doch diese Zeit wird sicherlich in einer weiteren Veranstaltung aus der Reihe Tradition zum Anfassen näher beleuchtet. Eine Tradition, die kaum jemand besser verkörpert und auch fördert als Charly Körbel.
Danke dafür.
DAZKE AXEL!
AntwortenLöschenUff. Danke.
AntwortenLöschenAuch uff und d a n k e .
AntwortenLöschenDa hast Du aber auch wirklich alles nieder geschrieben.
Vielen Dank! Als ob man dabei gewesen wäre (was mir leider nicht möglich war).
AntwortenLöschenSehr, sehr schön. Balsam auf die wunde Seele eines "Fußball-Romantikers" wie mich.
AntwortenLöschenCharly ist in vielen Belangen einer der grössten Vorbilder aller Zeiten nicht nur für mich. Seine Einstellung stimmt immer.
AntwortenLöschenIch erinnere mich noch an eine Begegnung im Sportmedizinischen Institut FfM.ev. Das müsste auch so 90/91 gewesen sein, bin aber nicht sicher. Charly Körbel spielte noch in seinen letzten aktiven Jahren. Wie auch immer waren u.A. Falkenmeier, Bein und eben ER, Charly da, zum jährlichen Check. Ergebnis: Falke, (natürlich, Fussball ist ein Laufspiel!), dicht gefolgt von Charly waren unterm Strich TOPfit. Der Rest ok. Und das müsste kurz vor dem Ende seiner aktiven Spielzeit gewesen sein. Höchsten Respekt ich habe und Hochachtung vor einem, wie Charly.
Thx Beve, auch immer TOP dabei ;)
Super Beitrag Beve, wie so oft! Hat mich echt gefesselt! Leider habe ich Charly damals als kleiner Knirps nicht mehr richtig bewusst spielen sehen.
AntwortenLöschenIch weiß ja, dass HB die Stimme nach Außen ist, aber Charly könnte sich auch öfter äußern, ohne das es dem "Image" der Eintracht schaden würde.
Schwegler hat ja auch sehr positiv von Charly gesprochen.
Auch Trainer Skibbe sollte gut zuhören, es gibt hier durchaus ein paar Leute von denen auch er noch was lernen kann. Pro kaffeekränzchen!
Egal, auf jeden Fall ist es gut Körbel in der Eintracht Familie zu wissen.
Gilt auch irgendwie für dich Beve! Ich liebe vor allem auch deine Berichte von den Auswärtsfahrten. Ich glaube dafür habe ich dich noch nie gelobt, was eigentlich eine Unverschämtheit ist! :(
Von wegen immer nur Mittelmaß, hier ist die Eintracht noch Spitze!
Danke für die Mitnahme, Beve! Danke für diese wunderbare Reise, Beve! Alles, aber auch wirklich alles hier, leuchtet in einem ganz besonderen & grandiosen Licht. Mir fehlen schlicht & ergreifend die Worte.
AntwortenLöschenViele Grüße & weiterhin sichere Straßen,
Fritsch.
Ich glaube, das Buch, das Buch braucht man wohl dann eher nicht zu kaufen... ;-)
AntwortenLöschenvielen dank für das freundliche feedback
AntwortenLöschenund grüße dazu
beve
Traurig war ich, weil ich nicht dabei sein konnte. Jetzt war ich es doch. Danke, Beve!
AntwortenLöschenGruß vom Kid
Ganz großes Kino wieder Beve !
AntwortenLöschenEs macht einfach Spaß hier zu lesen und die Eintracht zum Greifen nah zu haben.
Und Charly war/ist für mich einer der ganz großen im Adler-Trikot.
Vielen Dank für den tollen Beitrag, der alles abdeckt !
schön, dass ihr nun auch dabei gewesen seid :-)
AntwortenLöschenviele grüße
beve