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Montag, 10. November 2008

The light will stay on


Der 9. November ist ein historischer Tag in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland. Zunächst wurde im Jahr 1918 die deutsche Republik von Scheidemann ausgerufen bzw. die Räterepublik durch Liebknecht, dann brannten im Jahr 1938 (nicht nur) die Synagogen in Nazi-Deutschland, die Reichspogromnacht markierte den Übergang von Diskriminierung zur Massenvernichtung der Juden. Im Jahr 1974 starb Holger Meins, Mitglied der RAF an den Folgen eines Hungerstreiks und 1989 fiel die Berliner Mauer.

Der 9.11.2008 stand unter zwei Vorzeichen. Zum einen erwartete die Eintracht um 17:00 den VfB Stuttgart und zum anderen hatte der kleine Noah Geburtstag, seinen allerersten. Noahs Papa Marcus ist am 29.Oktober verstorben, einfach so. Marcus' Onkel, Kid Klappergass, hat in seinem Blog die Geschichte der beiden nieder geschrieben, neun bewegende Beiträge, die dich zu Tränen rühren.

Und so saß ich Sonntagmorgen vor meinem Laptop, las Kids Geschichte, blickte ungläubig auf die Bilder und hörte den Song The light will stay on von den Walkabouts, der Song, mit dem Kid seine Beiträge zu Marcus beendete.

Draußen war's feucht, der Regen umspülte den Tag, ich kramte in alter Musik, stieß auf Cure, nothing left but faith, auf R.E.M. So.Central Rain und war so gar nicht auf Fußball geeicht, zu grau der Morgen, die Welt, die Gedanken.

Gegen 14:00 kam Pia vorbei, ein Lichtblick an diesem trüben Tag, auch sie hatte Kids letzten Beitrag gelesen, war traurig und so tranken wir einen Kaffee, rauchten eine Cigarette und machten uns dann auf in Richtung Stadion. Da mein Daddy heute mit Mama Beve in Urlaub gefahren ist (er hatte die Abfahrt auf den Sonntag gelegt, in der Hoffnung, die Eintracht möge Samstags gegen den VfB kicken, allein der Spielplan spielte nicht mit) waren wir heute zu zweit und tuckerten nach Niederrad, um den Golf am Parkplatz in der Bürostadt abzustellen.

Unser Ziel lag am Gleisdreieck, genauer gesagt am dortigen Parkplatz. Seit Jahren treffen sich dort Eintrachtfans zum Trinken und Schwatzen, die meisten kennen sich schon lange aus dem Eintracht-Forum und es ist stets ein großes Hallo. Meist organisieren Arndt oder Richie ein paar Schoppen für uns, wir werfen ein bisschen Geld in das bereitgestellte Sparschwein und haben so eine schöne Zeit vor dem Spiel, so auch diesmal.

Ein Pavillon war aufgespannt, die Meute stand bei Äppelwoi oder Bier beisammen und Arndt drückte uns den obligatorischen Boni in die Hand. Boni steht in diesem Falle nicht für unlautere Zahlungen an massenentlassende Manager, sondern für einen Magenbitter, der dir die Schuhe auszieht, quasi der Begrüßungstrunk für die Härtesten der Harten. Für uns.

Hier am Gleisdreieck scheint die Welt noch in Ordnung, auch wenn man von Zeit zu Zeit Teenager entdeckt, die die Schnute verziehen und der seltsamen Erwachsenenwelt so gar nichts Vergnügliches abgewinnen können. Aber die meisten sind vergnügt und freundlich, Männlein wie Weiblein, alt wie jung, arm wie reich - ein Prost, ein Augenzwinkern, ein Hallo.

Die Zeit verflog, kaum angekommen näherte sich der Anpfiff des Spiels und wir schoben uns mit der Menge in Richtung Eingang, wurden schnell durchgelassen und verteilten uns auf unsere Plätze in der Arena, die für uns stets Waldstadion heißen wird.

Viele große Schwenkfahnen waren heute im Oberrang positioniert, was uns ein wenig verwunderte, da diese sonst unten geschwenkt werden - aber schon wenig später erkannten wir den Grund: Die Ultras der Eintracht hatten riesige Blockfahnen gebastelt, die sie beim Einlauf der Teams über den kompletten Unterrang zogen, da war natürlich kein Platz für die großen Fahnen, die nun von oben dazu geschwenkt wurden; ein schönes Bild der Kurve entstand dadurch, das wir leider nur von oben ahnen konnten.

Pias Jüngster Nick saß heute auf der Gegentribüne und durfte ihre schwarz-weiß-karierte Fahne mit ins Stadion nehmen, die er unter vollem Einsatz und unter Beobachtung der stolzen Mama schwenkte - und es wird wohl nicht mehr lange dauern, bis der kleine Kerl unten in der Kurve steht, vergessen sind dann Weihnachtsmann, Zahnfee und Wrestling-Chips, die eben noch den Sinn des Daseins verkörperten. Wir geben alles für unseren Verein.

Die Eintracht begann forsch und erzielte auch bald einen Treffer, der allerdings keine Anerkennung fand, da der Schiedsrichter schon im eigenen Strafraum einen Vorteil unterbunden hatte. Aber nur wenig später traf Liberopoulos zum 1:0 für uns, nicht unverdient. Das Spiel wogte hin und her, der Stuttgarter Lanig mit der 7 auf dem Rücken kurbelte das Spiel ür den VfB an, die Eintracht hielt dagegen und kurz vor Ende der ersten Halbzeit fischte Nikolov einen Ball aus dem Winkel, so dass es mit der knappen Führung in die Pause ging.

In der zweiten Hälfte tankte sich Fenin allen Versuchen ihn zu halten zum Trotz in den Strafraum, schnippte den Ball noch zu Liberopoulos, der mit seinem zweiten Treffer aus kurzer Distanz dem ehemaligen National-Keeper Jens Lehmann keine Chance ließ: 2:0 für die Eintracht und wir brüllten unsere Freude ins Flutlicht der Nacht.

Dies währte allerdings nur kurz, Lanig erzielte den Anschlusstreffer und der VfB drückte. Schiedsrichter Rafati zeigte ein ums andere Mal gelb, unter anderem auch Ochs, der nun in Dortmund fehlen wird. Tsoumou kam für Korkmaz, Ljubicic für Toski, die Zeit tickte runter - und dann lag der Ball im Netz. Ausgleich.

Ich bete ja jedesmal, dass der Schiedsrichter aus irgendeinem unerfindlichen Grund einen Treffer gegen die Eintracht nicht gibt - und diesmal wurden meine Gebete erhört, es ging weiter mit Freistoß für die Eintracht.

Dachte ich.

Aufregung.

Hatte Rafati zunächst auf Freistoß entschieden, so ließ er sich von Nationalspieler Mario Gomez, der den vermeintlichen Treffer erzielt hatte, noch umstimmen - unter Zuhilfenahme des Linienrichters, der nach einem Dialog mit Gomez auf Tor entschied.

Also doch, 2:2. In der 87.

Von den Rängen hallte es Fußballmafia DFB, es sollte aber nichts nutzen, es blieb beim Ausgleich und die Eintracht hatte Glück, dass ein weiterer Schuss nur knapp an Okas Tor vorbeisauste. Im Anschluss kam Fenin über links, setzte sich durch und - hob im Strafraum ab, wie nur selten ein Flugzeug abhebt, formvollendet, überzeugend in A- und B-Note. Ein Traum.

Phase I - Abheben


Phase II - Der Flug


Dass der Schiri in einem solchen Fall nicht auf den Elfmeter-Punkt zeigt, ist nachvollziehbar, allein die folgende Ecke war ein Geschenk, doch es wurde seitens der Eintracht nicht angenommen. Abpfiff. Unentschieden. Frust.

Wir verließen ungehalten unsere Plätze und statteten dem Museum noch einen kurzen Besuch ab. Vor dem Museum kamen Stefan und Eel zu uns, klärten uns über die verworrene Situation beim Ausgleich auf, während zuvor ein paar Stuttgarter irgendwas von Frankfurter Arschlöcher krakeelten. Da ich sowas im eigenen Stadion so gar nicht brauchen kann, pöbelte ich zurück und kurz hatte es den Anschein, dass die Situation eskalieren könne, aber die Schwaben schwebten weiter und schon kam Matze, der noch ein paar Infos für mich für die kommende Veranstaltung dabei hatte und erzählte beiläufig, dass am gestrigen Freitag zwei Stuttgarter kurz vor 15:00 bei ihm waren und sich wunderten, dass noch keine Bierbuden offen seien, immerhin begänne das Spiel doch gleich.

Und ihr wundert euch nicht, dass niemand hier ist und kein Mensch das Eintrittsticket sehen wollte? hatte Matze gefragt und die Stuttgarter begannen zu begreifen, dass sie sich im Tag geirrt hatten. Jaja, wir können alles - außer hochdeutsch. Wer's glaubt.

Auf dem Rückweg trafen wir auf die Fanbetreuer Marc und Rudi, plauschten a wengele und wanderten weiter durch Müllberge von gelben Seiten, die kaum ausgeteilt auf dem Boden landeten und trafen am Gleisdreieck auf den Rest der Forumsmafia.

Noch lange standen wir zunächst mit der werdenden Mama Miriam und Papa Laupi, später mit Arndt bei einem Äppelwoi, räumten dann den Platz auf und marschierten durch den Wald zurück zum Auto, das noch brav an Ort und Stelle auf uns wartete. In Sachsenhausen gab's noch Thai Food für kleines Geld und dann war ein 9.November zu Ende, der trübe begonnen hatte und dann doch noch das ein oder andere Erlebnis brachte, so wie meist, wenn man zum Fußballgucken unterwegs ist. Für andere war es ein trüber Tag. Aber so Gott will, scheint die Sonne eines Tages auch für euch. Denn: The Light will stay on:


The Walkabouts - The Light will stay on



Die Fotos des flying-fenin stammen von Stefan Krieger. Danke dafür.



7 Kommentare:

  1. fenin, grüß mir die sonne,
    grüß mir die sterne und grüß mir den mond.
    dein leben, das ist ein schweben, durch den strafraum, den keiner bewohnt.

    :-)

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  2. Ich sehe - hier wird einem auf Kommentare sogar geantwortet. DAS nenne ich Fan-Betreuung! Danke auch für die freundliche Verlinkung! Ich bedanke mich mit einer erneut unqualifizierten Äußerung: Wusstest du, dass die Gemeinde BEVERUNGEN mit dem Slogan "Willkommen im Land der Märchen und Sagen" für sich wirbt? Nein? Na, jetzt weißt Du's. Nachzulesen unter www.beverungen.de. Haha!

    Gruß auch an Andi K.! Und Pia!

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  3. Hallo Beve,

    (So, damit Du es weisst.;-))

    im "Mutter-Forum" *nur* Geniesser und klammheimlicher Mitleser. Aber eines sollst Du wissen, deine *Berichte* sind das Sahnehäuptchen auf der Adlertorte. Schön, dass Du jetzt einen eigenen Blog dafür eingerichtet hast.

    I gonna watch you.

    Adlergrüße aus Hamburg

    Uwe

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  4. deutschland im herbst.

    da hört man die walkabouts, liest sich in den herbstlichen
    tagesbeginn rein und merkt am ende, dass es doch noch licht und wärme
    gibt. nämlich deinen tollen text! darauf eine cigarette ;)

    hau rein!
    andi

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  5. hallo uwe,

    manchmal könnte mein text auch die olive auf der adlertorte sein, aber das ist auch ok :-)

    dank und gruß


    jo andi, 'n kippchen und'n tee, es ist herbst.

    machts gut

    beve

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  6. da ist mir doch glatt die antwort an katja und pia durchgerauscht.

    dass beverungen-city mit dem slogan "land der märchen und sagen" wirbt, wusste ich nicht. das muss mir ja auch mal jemand sagen.

    sagenhaft.


    von gladbach nach dortmund ist nur ein katzensprung ...

    happy travelling

    beve

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  7. Axel, ich habe nicht nur einmal gesagt und auch geschrieben, dass Du mir immer wieder ein Lächeln ins Gesicht zauberst. Doch wie jedes Wort seine Stunde hat, gibt es wohl auch eine Zeit für Tränen. Meine Tränen mit Freunden, wie Du einer bist, zu teilen, ist ein Geschenk, eine Gnade und eine Stütze für mich.

    Als ich Dich heute Morgen bei Radio Fanomania gehört habe, fuhr ich die Strecke, die ich auch mit Marcus gefahren bin, wenn Onkel und Neffe sich auf den Weg zu ihrer Eintracht machten. Auch die Tränen von heute Morgen teile ich nun mit Dir.

    Danke.

    The light will stay on.

    Kid

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