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Montag, 8. November 2010

Schwarzweißbunt


Es regnet. Nicht überraschend aber so ist es nunmal im November. Als Pia und ich Richtung Straßenbahn laufen, bimmelt in meiner Straße eine Glocke, der Kartoffelmann ist da. Doch er ruft nicht etwa ein schnödes Kaddoffel in den Tag, nein er singt förmlich: Kartoffeln, dicke gelbe Kartoffeln - und auch Äpfel und wir marschieren lachend vorbei.

Schon in der Straßenbahn die durch Oberrad rumpelt sitzen Eintrachtler, Schals um die Hälse gebunden - alle mit dem gleichen Ziel, das Bundesligaspiel gegen Wolfsburg zu sehen. Am Mühlberg steigen wir in die S-Bahn um und mit jeder Station steigen mehr Eintrachtfans zu, Mütter mit Kinder rücken zusammen, ab und an ertönt ein Schlachtruf, klimpert Flaschenbier, bis wir am Bahnhof Stadion ausgespuckt werden, der bis zur WM 2006 noch Sportfeld hieß; ein Begriff aus der NS-Zeit. Auf dem Weg zum Parkplatz treffen wir Carola und Stefan, die Stimmung ist gut, der Regen juckt nicht und ich hole am UF-Container unser Schwarze-Bembel-Banner ab, das wir anlässlich des Pokalspiels gegen den HSV wie andere EFCs auch über die Ultras haben anfertigen lassen. Groß ist es - unser erstes eigenes Banner.

Auf dem Parkplatz am Gleisdreieck treffen sich seit Jahren jede Menge Eintrachtler, die sich überwiegend über das Eintrachtforum kennen gelernt haben. Arndt bringt meist frisch gekelterten Abbelwein mit, wenn er nicht da ist, springen Richi und Laura in die Bresche, dazu schleppen die Fans von Spundekäs bis Grillgut je nach Lust und Laune alles mögliche zum Verzehr herbei, verhungert oder verdurstet ist hier noch niemand. Als Begrüßungstrunk wird in der Regel ein Boni gereicht, ein kleiner Kräuterschnaps, der dir alles zusammenzieht und den ich hier und nur hier trinke.

Als ich ankomme, stehen schon jede Menge Leute vor Ort und quatschen, sie alle aufzuzählen, würde den Rahmen sprengen aber es ist immer so, dass die Zeit verfliegt. Pedro, der sich ein bisschen über das Banner beschwert hat, kommt spät - ich drücke es ihm in die Hand und wir lassen ein Foto machen, soviel Spaß muss sein. Schon geht es durch die Unterführung Richtung Stadion, hier steht Sigi und verkauft die Fan geht vor, in digitalen Zeiten ein Fossil. Nicht der Sigi, die Zeitung. Wenn aber all die geschriebenen Worte, die Fotos in den Tiefen der virtuellen Welt verschwunden sind, dann liegt vielleicht noch irgendwo eine alte Zeitung herum - und wir können nachlesen, wie es damals wirklich war. Gerne wird gesagt, dass das Internet nichts vergisst - doch viele Links, die vor Jahren erstellt wurden, funktionieren heute nicht mehr; die Inhalte sind verschwunden - so sie nicht irgend jemand gespeichert hat.

Der Einlass am Stadion geht relativ schnell, mein Banner interessiert niemanden, ich will es ja auch nicht aufhängen - nur aufbewahren. Dann nehme ich die Stufen, um auf meinen Platz zu kommen, Reihe 14 im Oberrang, das ist ganz schön steil und als ich oben ankomme, sind sie schon da: Pia, die sich ein bisschen früher aufgemacht hat und Daddy, der wie immer über die Louisa durch den Wald ins Stadion marschiert ist.

Kaum sitze ich, geht es auch schon los; die Eintracht ohne Chris und Meier - dafür aber mit einem tollen Tor nach 26 Minuten; Gekas hat kurz vor dem Strafraum abgezogen und Benaglio keine Chance gelassen. Wolfsburg, mit den vermeintlichen Stars Diego, Dzeko, Grafite sieht blass aus; die Eintracht kämpft, spielt. Jung und Ochs auf rechts, Köhler und Schwegler in der Mitte und hinten spielt Nikolov die Saison seines Lebens. Tzavellas und Altintop beackern die linke Seite, während mittig hinten Franz und Russ nichts anbrennen lassen. Caio ist auch dabei.

Sensationell das 2:0, aus nahezu 30 Metern donnert Schwegler die Kugel ins Netz, High Five, Staunen, Jubel.

Nach der Pause dann das 3:0, Franz wird im Strafraum umgerupft, Elfmeter für die Eintracht. Durfte Altintop noch gegen den HSV antreten, während Gekas sich die Kugel in St. Pauli schnappte, obgleich Altintop auch schießen wollte, so war die Situation heuer deutlich; Altintop überlässt Gekas den Ball und dieser verwandelt zum 3:0, Benaglio war fast noch dran, hätte er die Arme lang gemacht, hätte er den Ball gehalten - aber wenn es läuft, dann läuft es. Wahnsinn.

Wolfsburg ist keine schlechte Mannschaft, dies kann man nach dem dritten Treffer erkennen, humorlos der erste Treffer für die Gäste. Die Eintracht wankte, aber sie fiel nicht. Nikolov hält die Adler im Spiel, entschärft einige Bälle, während andererseits Benaglio gegen Jung und Fenin klären kann. Skurril die Szene, als Ochs an der Außenbahn nach einem Zweikampf mit Mandzukic vor diesem steht und Wolfsburgs 18 völlig sinnfrei auf dem Boden zusammenbricht, um eine Karte zu provozieren. Er wird wissen müssen, dass wir uns seinen Namen gemerkt haben. So endet ein tolles Fußballspiel mit einem völlig verdienten 3:1 für die Eintracht, die kurzzeitig auf den dritten Platz hüpft, Seligkeit allenthalben. Nikolov und Gekas werden besonders gefeiert, selbst Attila hebt die Flügel zur Feier des Tages und ein großer Applaus prasselt von den Rängen hernieder

Während Pia und Daddy zum Auto marschieren, wandere ich noch einmal ans Gleisdreieck, trinke einen Abbelwein und freue mich mit all den anderen über eine bislang überragende Saison. Es ist schon recht ruhig, als ich dann zur S-Bahn-Station aufbreche; Blaulicht kreist ins Dunkel - ich denke mir nichts dabei. Erst spät am Abend erfahre ich, dass hier nach dem Spiel ein junger Eintrachtfan über die Gleise laufend von einem Zug erwischt wurde und gestorben ist. Welch ein tragisches Ende für ein so dollen Nachmittag.

Die S-Bahn rollt ein, ich gucke aus dem Fenster; Menschen kommen und gehen, während ich ein paar Fotos mache. Mittlerweile bin ich ja quasi nackig, wenn ich nicht zumindest meine kleine Lumix dabei habe. Keine Ahnung, was ich mit all den Bildern machen soll, ein paar habt ihr ja sicherlich schon hier entdecken können - aber es macht alleine schon Spaß, mit den Augen der Kamera zu denken.

Am Mühlberg steige ich aus, die Linie 16 kommt schon angerollt und bringt mich ins dunkle Oberrad. Eigentlich will ich ja nur kurz meinen Ausweis für das sonntägliche U23-Spiel holen um dann gleich weiter ins Nordend zu fahren - doch die Straßenbahn fährt mir vor der Nase weg. Und so entscheide ich mich, am Main über die Schleuse zum Kaiserlei zu laufen; kaum ein Mensch ist unterwegs, Die Lichter der Schleuse spiegelen sich im Fluss, ab und an schippert ein Kahn vorbei und die Nacht wirkt schwarz-weiß. In der Ferne rauscht der Verkehr.

Ich wandere über die Kaiserleibrücke und durch die Unterführung an der Hanauer Landstraße. Ein fantastischer Ort unter dieser gigantischen Kreuzung. Tunnels voller Graffiti in jede Richtung, Neonlicht dazu. Am Ostpark vorbei geht es zur Eissporthalle und da kommt auch schon Pia angesaust, die mich für die letzten Meter ins Nordend mit dem Golf abholt. Nun ist es warm und wieder bunt; ein seltsamer Tag geht zu Ende, schwarzweißbunt mit tollen Eindrücken, traurigen Momenten und einem grandiosen Sieg der Eintracht.

Wie immer könnt ihr den Spielbericht bei Kid nachlesen und den Spieler des Tages wählen, beim Stefan gibt es die passenden Fotos dazu.




Foto 1: Wib

Fotos 2-6: Beve

4 Kommentare:

  1. Danke, Beve!

    Was für ein wunderbares Wochenende. Was für ein toller Abschluss. Was für grandiose Bilder & Worte. Champions League hin oder her. Hier sind die Champions zu Hause. Hier bleibe ich.

    Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen,
    Fritsch.

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  2. "Caio ist auch dabei."
    treffender kann man diesen umstand nicht formulieren :-)

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  3. der caio. ahjoo :-)

    dank euch und viele grüße

    beve

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  4. ... schön, dass man das jetzt auch in Bonn endlich lesen konnte :-))

    lg t

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