Red is the colour of the new republic
Blue is the colour of the sea
White is the colour of my innocence
Not surrender to your mercy
(The Men they couldn't hang - The Colours)
Sonntag, 3.Oktober 2010 - kein guter Tag, um nach Stuttgart zu fahren. Zum einen tobt dort seit Wochen ein Kampf Bürger gegen Staat um die Tieferlegung des Bahnhofs, zum anderen tobt dort die sogenannte Wasen und zum dritten hat die Eintracht dort in den letzten Jahren seltenst gut ausgesehen. Letzteres allerdings macht mir weniger Sorgen, der VfB ist derzeit Tabellenletzter und die Eintracht hat letztes Jahr auch die Hertha in vergleichbarer Situation besiegt - also geht es gegen zehn am Morgen los. Pia, der silberne Golf, die Ente und ich machen uns auf Richtung Riederwald, um Stefan R. abzuholen, der zur verabredeten Zeit brav am Treffpunkt wartet. Ein U-Turn später fahren wir am Bornheimer Hang vorbei und landen hinter dem Bus von Energie Cottbus, dem sogenannten Cott-Bus. Energie kickte heute beim FSV, während wir auf die A 661 rollten, am Offenbacher Kreuz auf die A3 und am Frankfurter Kreuz auf die A5. Sonnig der Tag, rotgrün die Blätter, blau der Himmel und leise die Musik, vorwiegend The Men they couldn't hang, dazu ein buntes Sammelsurium an Songs, die uns schon in den letzten Wochen begleitet haben - neu in Beves Charts: Dashboard Confessional - Everybody learns from desaster; ein frommer Wunsch.
Der Verkehr hielt sich in Grenzen, Hockenheim, Hoffenheim, Heilbronn - ab und an ein Eintrachtler, ansonsten gepflegtes Reisen, wie es sich für einen schönen Herbstsonntag gehört. Bei Stuttgart Zuffenhausen verließen wir die Autobahn, schafften auch die Radarkontrolle ohne Probleme, um uns in Zuffenhausen selbst in die Schlange stehender PKWs einzureihen.
Nun ist seit der Zeit der Untertunnelung des Pragsattels der Verkehr in Stuttgart meines Wissens etwas kontrollierter als die Jahre zuvor, von daher ließen wir uns durch eine Spurverengung nicht ins Bockshorn jagen und quälten uns Meter für Meter nach vorne, auch passierten wir einen Edekamarkt, der stark an das Düsseldorfer Stadion erinnerte. Nach einer Weile erblickten wir den Boschturm und dachten: Nu gehts aber gleich vorwärts. Falsch gedacht; aus Metern wurden Zentimeter, Tunnel hin, Tunnel her - es ging nur äußerst gemächlich vorwärts, der Eingeborene sagt hierzu: gschwind. Wir holperten nach einer gefühlten Ewigkeit aus dem Tunnel - und meine Laune sank merklich. Die im Kopf gefasste Entscheidung, in Cannstadt nahe eines Industriewerks zu parken wurde durch die Schlange dort wartender Fahrzeuge torpediert - jedoch sprenkelte sofort ein Hoffnungsschimmer als wir an den Parkplatz der vergangenen Partie beim VfB dachten: Yep, dort geht es hin - nah der Mineralbäder, unweit des Neckars - dort wird sicher noch ein Plätzlein für uns sein.
Die Idee schien gut; allein Stuttgart nicht bereit; kaum bogen wir in das Sackgässlein ein, erblickten wir ein Polizeiauto samt Inhalt, der sich gerade um einen anderen PKW kümmerte; da schien es keine gute Idee, sich gegen die Fahrtrichtung ins Parkverbot in einer Anlieger-Frei-Zone zu stellen. Dies sah ein anderer Eintrachtler genau so, den wir schon auf der Autobahn entdeckt hatten. Also Kehrtwende Marsch und ab ins Bädergebiet - eine Idee, die zuvor schon Milliarden vor uns hatten, jeder Flecken, ob erlaubt oder verboten war durch PKWs in Beschlag genommen; wir schlichen durch schmale Gässchen, knoteten uns ein Endlosknoten in den Golf und als die Verzweiflung uns zu übermannen drohte fanden wir einen völlig legalen Parkplatz, in den der vor uns fahrende Mercedes nicht hinein passte; Oh heiliger Golf, gebenedeit bist du unter den Autos.
Nichts wie raus und hinein in die Freiheit. Die Sonne brannte und wir marschierten über den Berger Steg in Richtung Wasen, welche nicht unser primäres Ziel war, aber in unmittelbarer Nähe des Neckarstadions liegt. Die Fahrgeschäfte wirbelten Menschen in die Luft, die kreischend in ihren Sitzen hingen; Massen schoben sich auf dem Hort der Gemütlichkeit entlang - und wir sahen zu, dass wir den Platz des Vergnügens so schnell wie möglich verließen. Unmengen von Dirndls, Krachledernen und Sepplhüten waren unterwegs - man hätten meinen können, man sei in München. Oktoberfest in Deutschland - und die ganze Republik zeigt sich weiß-blau; neulich gabs sogar im Solzer, einer altehrwürdigen Ebbelwoiwirtschaft in Bornheim weiß-blaue Servietten und eine Ankündigung für zünftige Wochen. Als ob in einem Münchner Biergarten irgendjemand auf die Idee kommt, Frankfurter Wochen im Oktober einzuführen; völlig zu Recht natürlich nicht. Angesichts der Debatten um Sarrazin und der vermeintlichen Islamisierung der Republik, sollten die Deutschen ihr Augenmerk eher auf die drohende Verseppelung richten.
Wie auch immer, wir orderten an einer Tanke ein Schöppchen und marschierten auf der gesperrten Straße in Richtung Stadion. Die ersten Busse waren schon dort, Buffo hockte am Zaun und wartete auf die Geiselgangster und da es noch früh war, kehrten wir im PSV-Heim ein, futterten eine Rote und hockten uns in die Sonne. Auf dem Sportplatz machten sich ein paar Bezirksligakicker warm, ein paar Jungs ballerten auf eine Torwand und der Wirt der Gaststätte hatte einen eigenen Parkplatz auf dem Gelände; ein Schild verkündete: Wirt.
Zu angemessener Zeit verließen wir den gastlichen Ort und marschierten zum finsteren Gästeeingang, wie gehabt nicht auf direktem Weg - es könnte so einfach sein - sondern um vier Ecken und stellten uns in die wartende Menge. Pia machte sich zum Fraueneingang auf, während Stefan und ich uns inmitten männlicher Leiber Stück für Stück voran schoben. Obgleich es jetzt keine Unmengen an Frankfurter waren, dauerte der Einlass ewig; jeweils nur eine Person durfte den Eingang passieren und erst nach der Durchsuchung, die fairerweise gesagt moderat war, kam der nächste dran. Dies sah bei den Frauen nicht anders aus. Und blöde ist, wer sich hinten anstellt, Pia und ich machten dabei die gleiche Erfahrung: Stets kommt von irgendwoher ein Trupp sich selbst höchst wichtig fühlender und auf die Allgemeinheit scheißender Fans an und stellt sich dummdreist vor die wartenden Deppen; in der Regel kleinere Grüppchen, die Solidarität stets einfordern, wenn es um ihre Belange geht, ansonsten aber den gewöhnlichen Fan für strunzblöde halten. Es wird der Tag kommen, an dem ich ein SV ob der eigenen Leute riskiere und auch für Pia lege ich nicht die Hand ins Feuer, dass es demnächst bei vergleichbarer Situation nur bei Worten bleibt.
Wir wanderten in den gut gefüllten Gästeblock und schlugen uns nach oben durch. Ein Blick in den Oberrang zeigte uns, dass dort Stuttgarter sitzen - und auch dies ist stets ein Quell wiederkehrender Freude: Man braucht bloß nach unten zu rotzen oder Bier zu schütten und hat schon die Gästefans am Wickel. Von daher wanderten wir noch weiter nach oben, um geschützt unter dem Rang zu stehen. Es dauerte nicht lange, bis der erste zu uns kam und allen Ernstes meinte, dies sei sein Platz. Das ist mir bei einem Auswärtsspiel noch höchst selten passiert; in einem Sitzplatzbereich, der von allen nur zum Stehen genutzt wird, aufgefordert zu werden, den Platz zu verlassen, zumal ich den Kerl kannte. Und zumal es generell keine Stehplätze, sondern nur verkappte Sitzplätze gibt. Aber gut, wir dackelten ein paar Stufen nach unten und mir ging so langsam alles auf den Sack; immerhin standen wir noch immer geschützt unter dem Oberrang.
Die Cannstatter hatten es sich am anderen Ende der Kurve bequem gemacht, die hauseigene Kurve war zwecks Stadionumbaus abgerissen und so gähnte dort, wo die Cannstätter Kurve ihr einstiges Zuhause hatte ein riesiges Loch. Die Sonne beschien die Anzeigetafel, dass man nichts lesen konnte, was aber nicht weiter tragisch war.
Anpfiff.
Kaum hatte ich mich sortiert, knallte die Kugel von der Latte des Frankfurter Tores zurück ins Spielfeld; erstes Durchatmen. Weitere folgten, der VfB vergab reihenweise gute Möglichkeiten und wie aus dem Nichts erzielte Gekas den Führungstreffer der Eintracht. Ungläubiger Jubel, wir nehmen doch gerne eine unverdiente Führung in Stuttgart an.
Auf der linken Abwehrseite war der dafür vorgesehene Tzavellas nur höchst selten zu finden - und trotz der Räume schaffte der VfB bis zur Pause kein Tor, ein höchst glücklicher Umstand für die teils zu schlafmützig agierende Eintracht, bei der Ochs wieder für Caio von Beginn an dabei war.
Die zweite Halbzeit brachte eine aufgewecktere Frankfurter Mannschaft, während den Stuttgarter gar nichts gelang; folgerichtig dann der zweite Frankfurter Treffer durch Chris. Zwischendrin flogen ein paar Becher durch den Block, einige scharmützelten sich mit den Stuttgarter Fans drumrum und richtig heiß ging es erst wieder in den letzten zehn Minuten her. Flog zunächst Delpierre nach einer rüden Attacke an Ochs vom Platz, schaffte der VfB Sekunden danach den Anschlusstreffer. Zehn Schwaben warfen nun alles nach vorne, die Eintracht taumelte - und fiel: Das 2:2 kurz vor Ende bedeutete zunächst das Ende aller Träume vom ersehnten Auswärtssieg. Die Stuttgarter Kurve johlte, die Frankfurter erkannten das nach oben geschwungene Fähnchen des Linienrichters und es dauerte ein Weilchen, bis der VfB-Anhang realisierte, dass das Tor nicht zählte. Schadenfreude, Schadenfreude hey hey hey. Mit Hängen und Würgen retten 11 Frankfurter den hauchdünnen Vorsprung bis zum Schlusspfiff und ich entkam einem Herzinfarkt nur um Haaresbreite. Mag sein, dass der Sieg unverdient war, mag sein, dass Schiri Brych den vermeintlichen Ausgleich zu Unrecht aberkannte - was zählt sind dreckige drei Punkte.
Aber bei aller Liebe; so wie die Eintracht heute aufgetreten ist, wird sie wenn überhaupt nur dreckige Siege einfahren. Zu wenig Bewegung, kaum Pressing, eine schwimmende Hintermannschaft und mangelnde Laufbereitschaft prägten das Spiel der SGE, die nun auf den zehnten Platz geklettert ist; immerhin.
Wir wurden dann von den Ordnern aus dem Block geschickt, durchbrachen zwei Polizeisperren auf dem Weg zum Auto, wo uns Flo noch eine Weilchen begleitete; löschten den Durst an der Tanke und marschierten über die Sepplwasen zurück zum Golf, der brav auf uns gewartet hatte.
Und dann fing das Elend erst richtig an. Milliarden Fahrzeuge waren unterwegs; wir quälten uns aus dem Parkplatz, reihten uns in den stehenden Verkehr ein und tröpfelten Stück für Stück dem Tunnel entgegen. Dort tröpfelten wir Stück für Stück durch den Tunnel, um anschließend Stück für Stück Richtung Autobahn zu tröpfeln. Es war grausam. Noch am gleichen Abend erreichten wir auf die Autobahn und verließen sie alsbald, um feste Nahrung zu uns zu nehmen; der liebe Gott wollte, dass wir in Mundelsheim landeten - und dort in der Gastwirtschaft zur Sonne. Wenn ihr Käsespätzle mögt, dann fahrt dorthin; wer jedoch Jägerschnitzel mag, der möge um dieses Location einen großen Bogen machen. Zwei zähe unpanierte Schnitzelläppchen schwammen in einer Soße, die in den frühen Siebziger zu Nierchen gereicht wurde, darin schwammen uninspiriert vorgeschnittene Dosenchampignons. Herrschaftszeiten, wie kann man den in einem gutbürgerlichen Restaurant in Zeiten von Aldi und Co noch Dosenchampignons servieren. Immerhin, die Pommes waren ok und es waren auch keine Erbsen in der Soße. Vielleicht war dies aber auch die Strafe dafür, dass wir uns zunächst ungefragt an den Stammtisch gesetzt hatten - der jedoch als solcher nicht ausgewiesen war.
Wir beglichen die Rechnung, schmissen den Golf an und rollten zurück auf den Highway - um in den nächsten Stunden nicht wirklich vom Fleck zu kommen. Abends um halbzehn steckten wir in einem Stau, der sich gewaschen hatte. Nach einer schier endlosen Zeit ließ sich der Grund erahnen; Fahrbahnverengung, aus vier Spuren wurden zwei. Doch wer gedacht hatte, dass es nun flüssiger vorwärts ging, wurde bitterlich enttäuscht. Rote Bremslichter, wohin das Auge blickte. Am Rande der Autobahn Verkehrsschilder mit dem Hinweis: Stau. Ach nee. Stefans Idee dem Verkehrsfunk zu lauschen, brachte Klarheit: 12 km Stau wg Baustelle folgten 16 km Stau wegen eines Unfalls. Doch nicht mit uns; 300 Meter später verließen wir die Autobahn, warfen einen Blick in die Straßenkarte und sausten durch menschenleere Landstraßen Richtung Sinsheim. Von Zeit zu Zeit erkannten wir die roten Bremslichter nebenan, und als ersichtlich war, dass wir nach knappen 20 km den Stau hinter uns gelassen hatten, enterten wir erneut den Highway; nie war ich glücklicher, das Stadion der TSG Hoffenheim zu passieren. Über die A67 und 14 km Baustelle auf der A5 erreichten wir kurz vor Mitternacht endlich Frankfurt; hätte die Eintracht das Spiel noch aus der Hand gegeben, hätten wir wohl irgendwann den Golf mitten auf der Autobahn geparkt.
Wir lieferten Stefan brav zu Hause ab und da punkt Mitternacht ein Grund zu feiern anlag, die Uhr 23:59 anzeigte und wir mitten im Stadtteil Riederwald waren, bogen wir kurzerhand zum Eintrachtstadion ab, wo der Neubau des Leistungszentrums seiner Vollendung entgegensieht - und stießen Punkt zwölf auf dem Heimatgelände der Eintracht imaginär an. Wenig später trudelten wir im Nordend ein; Pia musste noch Muffins backen, doch so langsam neigte sich ein langer Tag dem Ende entgegen. Von mir aus können sie den Bahnhof oben lassen - dafür ganz Stuttgart unter die Erde bringen. Aber Hauptsache gewonnen. Auswärtssieg! Schnarch.
Einen fundierten Spielbericht findet ihr wie immer bei Kid, tolle Fotos bei Stefan.
Fotos: Pia und Beve
White is the colour of my innocence
Not surrender to your mercy
(The Men they couldn't hang - The Colours)
Sonntag, 3.Oktober 2010 - kein guter Tag, um nach Stuttgart zu fahren. Zum einen tobt dort seit Wochen ein Kampf Bürger gegen Staat um die Tieferlegung des Bahnhofs, zum anderen tobt dort die sogenannte Wasen und zum dritten hat die Eintracht dort in den letzten Jahren seltenst gut ausgesehen. Letzteres allerdings macht mir weniger Sorgen, der VfB ist derzeit Tabellenletzter und die Eintracht hat letztes Jahr auch die Hertha in vergleichbarer Situation besiegt - also geht es gegen zehn am Morgen los. Pia, der silberne Golf, die Ente und ich machen uns auf Richtung Riederwald, um Stefan R. abzuholen, der zur verabredeten Zeit brav am Treffpunkt wartet. Ein U-Turn später fahren wir am Bornheimer Hang vorbei und landen hinter dem Bus von Energie Cottbus, dem sogenannten Cott-Bus. Energie kickte heute beim FSV, während wir auf die A 661 rollten, am Offenbacher Kreuz auf die A3 und am Frankfurter Kreuz auf die A5. Sonnig der Tag, rotgrün die Blätter, blau der Himmel und leise die Musik, vorwiegend The Men they couldn't hang, dazu ein buntes Sammelsurium an Songs, die uns schon in den letzten Wochen begleitet haben - neu in Beves Charts: Dashboard Confessional - Everybody learns from desaster; ein frommer Wunsch.
Der Verkehr hielt sich in Grenzen, Hockenheim, Hoffenheim, Heilbronn - ab und an ein Eintrachtler, ansonsten gepflegtes Reisen, wie es sich für einen schönen Herbstsonntag gehört. Bei Stuttgart Zuffenhausen verließen wir die Autobahn, schafften auch die Radarkontrolle ohne Probleme, um uns in Zuffenhausen selbst in die Schlange stehender PKWs einzureihen.
Nun ist seit der Zeit der Untertunnelung des Pragsattels der Verkehr in Stuttgart meines Wissens etwas kontrollierter als die Jahre zuvor, von daher ließen wir uns durch eine Spurverengung nicht ins Bockshorn jagen und quälten uns Meter für Meter nach vorne, auch passierten wir einen Edekamarkt, der stark an das Düsseldorfer Stadion erinnerte. Nach einer Weile erblickten wir den Boschturm und dachten: Nu gehts aber gleich vorwärts. Falsch gedacht; aus Metern wurden Zentimeter, Tunnel hin, Tunnel her - es ging nur äußerst gemächlich vorwärts, der Eingeborene sagt hierzu: gschwind. Wir holperten nach einer gefühlten Ewigkeit aus dem Tunnel - und meine Laune sank merklich. Die im Kopf gefasste Entscheidung, in Cannstadt nahe eines Industriewerks zu parken wurde durch die Schlange dort wartender Fahrzeuge torpediert - jedoch sprenkelte sofort ein Hoffnungsschimmer als wir an den Parkplatz der vergangenen Partie beim VfB dachten: Yep, dort geht es hin - nah der Mineralbäder, unweit des Neckars - dort wird sicher noch ein Plätzlein für uns sein.
Die Idee schien gut; allein Stuttgart nicht bereit; kaum bogen wir in das Sackgässlein ein, erblickten wir ein Polizeiauto samt Inhalt, der sich gerade um einen anderen PKW kümmerte; da schien es keine gute Idee, sich gegen die Fahrtrichtung ins Parkverbot in einer Anlieger-Frei-Zone zu stellen. Dies sah ein anderer Eintrachtler genau so, den wir schon auf der Autobahn entdeckt hatten. Also Kehrtwende Marsch und ab ins Bädergebiet - eine Idee, die zuvor schon Milliarden vor uns hatten, jeder Flecken, ob erlaubt oder verboten war durch PKWs in Beschlag genommen; wir schlichen durch schmale Gässchen, knoteten uns ein Endlosknoten in den Golf und als die Verzweiflung uns zu übermannen drohte fanden wir einen völlig legalen Parkplatz, in den der vor uns fahrende Mercedes nicht hinein passte; Oh heiliger Golf, gebenedeit bist du unter den Autos.
Nichts wie raus und hinein in die Freiheit. Die Sonne brannte und wir marschierten über den Berger Steg in Richtung Wasen, welche nicht unser primäres Ziel war, aber in unmittelbarer Nähe des Neckarstadions liegt. Die Fahrgeschäfte wirbelten Menschen in die Luft, die kreischend in ihren Sitzen hingen; Massen schoben sich auf dem Hort der Gemütlichkeit entlang - und wir sahen zu, dass wir den Platz des Vergnügens so schnell wie möglich verließen. Unmengen von Dirndls, Krachledernen und Sepplhüten waren unterwegs - man hätten meinen können, man sei in München. Oktoberfest in Deutschland - und die ganze Republik zeigt sich weiß-blau; neulich gabs sogar im Solzer, einer altehrwürdigen Ebbelwoiwirtschaft in Bornheim weiß-blaue Servietten und eine Ankündigung für zünftige Wochen. Als ob in einem Münchner Biergarten irgendjemand auf die Idee kommt, Frankfurter Wochen im Oktober einzuführen; völlig zu Recht natürlich nicht. Angesichts der Debatten um Sarrazin und der vermeintlichen Islamisierung der Republik, sollten die Deutschen ihr Augenmerk eher auf die drohende Verseppelung richten.
Wie auch immer, wir orderten an einer Tanke ein Schöppchen und marschierten auf der gesperrten Straße in Richtung Stadion. Die ersten Busse waren schon dort, Buffo hockte am Zaun und wartete auf die Geiselgangster und da es noch früh war, kehrten wir im PSV-Heim ein, futterten eine Rote und hockten uns in die Sonne. Auf dem Sportplatz machten sich ein paar Bezirksligakicker warm, ein paar Jungs ballerten auf eine Torwand und der Wirt der Gaststätte hatte einen eigenen Parkplatz auf dem Gelände; ein Schild verkündete: Wirt.
Zu angemessener Zeit verließen wir den gastlichen Ort und marschierten zum finsteren Gästeeingang, wie gehabt nicht auf direktem Weg - es könnte so einfach sein - sondern um vier Ecken und stellten uns in die wartende Menge. Pia machte sich zum Fraueneingang auf, während Stefan und ich uns inmitten männlicher Leiber Stück für Stück voran schoben. Obgleich es jetzt keine Unmengen an Frankfurter waren, dauerte der Einlass ewig; jeweils nur eine Person durfte den Eingang passieren und erst nach der Durchsuchung, die fairerweise gesagt moderat war, kam der nächste dran. Dies sah bei den Frauen nicht anders aus. Und blöde ist, wer sich hinten anstellt, Pia und ich machten dabei die gleiche Erfahrung: Stets kommt von irgendwoher ein Trupp sich selbst höchst wichtig fühlender und auf die Allgemeinheit scheißender Fans an und stellt sich dummdreist vor die wartenden Deppen; in der Regel kleinere Grüppchen, die Solidarität stets einfordern, wenn es um ihre Belange geht, ansonsten aber den gewöhnlichen Fan für strunzblöde halten. Es wird der Tag kommen, an dem ich ein SV ob der eigenen Leute riskiere und auch für Pia lege ich nicht die Hand ins Feuer, dass es demnächst bei vergleichbarer Situation nur bei Worten bleibt.
Wir wanderten in den gut gefüllten Gästeblock und schlugen uns nach oben durch. Ein Blick in den Oberrang zeigte uns, dass dort Stuttgarter sitzen - und auch dies ist stets ein Quell wiederkehrender Freude: Man braucht bloß nach unten zu rotzen oder Bier zu schütten und hat schon die Gästefans am Wickel. Von daher wanderten wir noch weiter nach oben, um geschützt unter dem Rang zu stehen. Es dauerte nicht lange, bis der erste zu uns kam und allen Ernstes meinte, dies sei sein Platz. Das ist mir bei einem Auswärtsspiel noch höchst selten passiert; in einem Sitzplatzbereich, der von allen nur zum Stehen genutzt wird, aufgefordert zu werden, den Platz zu verlassen, zumal ich den Kerl kannte. Und zumal es generell keine Stehplätze, sondern nur verkappte Sitzplätze gibt. Aber gut, wir dackelten ein paar Stufen nach unten und mir ging so langsam alles auf den Sack; immerhin standen wir noch immer geschützt unter dem Oberrang.
Die Cannstatter hatten es sich am anderen Ende der Kurve bequem gemacht, die hauseigene Kurve war zwecks Stadionumbaus abgerissen und so gähnte dort, wo die Cannstätter Kurve ihr einstiges Zuhause hatte ein riesiges Loch. Die Sonne beschien die Anzeigetafel, dass man nichts lesen konnte, was aber nicht weiter tragisch war.
Anpfiff.
Kaum hatte ich mich sortiert, knallte die Kugel von der Latte des Frankfurter Tores zurück ins Spielfeld; erstes Durchatmen. Weitere folgten, der VfB vergab reihenweise gute Möglichkeiten und wie aus dem Nichts erzielte Gekas den Führungstreffer der Eintracht. Ungläubiger Jubel, wir nehmen doch gerne eine unverdiente Führung in Stuttgart an.
Auf der linken Abwehrseite war der dafür vorgesehene Tzavellas nur höchst selten zu finden - und trotz der Räume schaffte der VfB bis zur Pause kein Tor, ein höchst glücklicher Umstand für die teils zu schlafmützig agierende Eintracht, bei der Ochs wieder für Caio von Beginn an dabei war.
Die zweite Halbzeit brachte eine aufgewecktere Frankfurter Mannschaft, während den Stuttgarter gar nichts gelang; folgerichtig dann der zweite Frankfurter Treffer durch Chris. Zwischendrin flogen ein paar Becher durch den Block, einige scharmützelten sich mit den Stuttgarter Fans drumrum und richtig heiß ging es erst wieder in den letzten zehn Minuten her. Flog zunächst Delpierre nach einer rüden Attacke an Ochs vom Platz, schaffte der VfB Sekunden danach den Anschlusstreffer. Zehn Schwaben warfen nun alles nach vorne, die Eintracht taumelte - und fiel: Das 2:2 kurz vor Ende bedeutete zunächst das Ende aller Träume vom ersehnten Auswärtssieg. Die Stuttgarter Kurve johlte, die Frankfurter erkannten das nach oben geschwungene Fähnchen des Linienrichters und es dauerte ein Weilchen, bis der VfB-Anhang realisierte, dass das Tor nicht zählte. Schadenfreude, Schadenfreude hey hey hey. Mit Hängen und Würgen retten 11 Frankfurter den hauchdünnen Vorsprung bis zum Schlusspfiff und ich entkam einem Herzinfarkt nur um Haaresbreite. Mag sein, dass der Sieg unverdient war, mag sein, dass Schiri Brych den vermeintlichen Ausgleich zu Unrecht aberkannte - was zählt sind dreckige drei Punkte.
Aber bei aller Liebe; so wie die Eintracht heute aufgetreten ist, wird sie wenn überhaupt nur dreckige Siege einfahren. Zu wenig Bewegung, kaum Pressing, eine schwimmende Hintermannschaft und mangelnde Laufbereitschaft prägten das Spiel der SGE, die nun auf den zehnten Platz geklettert ist; immerhin.
Wir wurden dann von den Ordnern aus dem Block geschickt, durchbrachen zwei Polizeisperren auf dem Weg zum Auto, wo uns Flo noch eine Weilchen begleitete; löschten den Durst an der Tanke und marschierten über die Sepplwasen zurück zum Golf, der brav auf uns gewartet hatte.
Und dann fing das Elend erst richtig an. Milliarden Fahrzeuge waren unterwegs; wir quälten uns aus dem Parkplatz, reihten uns in den stehenden Verkehr ein und tröpfelten Stück für Stück dem Tunnel entgegen. Dort tröpfelten wir Stück für Stück durch den Tunnel, um anschließend Stück für Stück Richtung Autobahn zu tröpfeln. Es war grausam. Noch am gleichen Abend erreichten wir auf die Autobahn und verließen sie alsbald, um feste Nahrung zu uns zu nehmen; der liebe Gott wollte, dass wir in Mundelsheim landeten - und dort in der Gastwirtschaft zur Sonne. Wenn ihr Käsespätzle mögt, dann fahrt dorthin; wer jedoch Jägerschnitzel mag, der möge um dieses Location einen großen Bogen machen. Zwei zähe unpanierte Schnitzelläppchen schwammen in einer Soße, die in den frühen Siebziger zu Nierchen gereicht wurde, darin schwammen uninspiriert vorgeschnittene Dosenchampignons. Herrschaftszeiten, wie kann man den in einem gutbürgerlichen Restaurant in Zeiten von Aldi und Co noch Dosenchampignons servieren. Immerhin, die Pommes waren ok und es waren auch keine Erbsen in der Soße. Vielleicht war dies aber auch die Strafe dafür, dass wir uns zunächst ungefragt an den Stammtisch gesetzt hatten - der jedoch als solcher nicht ausgewiesen war.
Wir beglichen die Rechnung, schmissen den Golf an und rollten zurück auf den Highway - um in den nächsten Stunden nicht wirklich vom Fleck zu kommen. Abends um halbzehn steckten wir in einem Stau, der sich gewaschen hatte. Nach einer schier endlosen Zeit ließ sich der Grund erahnen; Fahrbahnverengung, aus vier Spuren wurden zwei. Doch wer gedacht hatte, dass es nun flüssiger vorwärts ging, wurde bitterlich enttäuscht. Rote Bremslichter, wohin das Auge blickte. Am Rande der Autobahn Verkehrsschilder mit dem Hinweis: Stau. Ach nee. Stefans Idee dem Verkehrsfunk zu lauschen, brachte Klarheit: 12 km Stau wg Baustelle folgten 16 km Stau wegen eines Unfalls. Doch nicht mit uns; 300 Meter später verließen wir die Autobahn, warfen einen Blick in die Straßenkarte und sausten durch menschenleere Landstraßen Richtung Sinsheim. Von Zeit zu Zeit erkannten wir die roten Bremslichter nebenan, und als ersichtlich war, dass wir nach knappen 20 km den Stau hinter uns gelassen hatten, enterten wir erneut den Highway; nie war ich glücklicher, das Stadion der TSG Hoffenheim zu passieren. Über die A67 und 14 km Baustelle auf der A5 erreichten wir kurz vor Mitternacht endlich Frankfurt; hätte die Eintracht das Spiel noch aus der Hand gegeben, hätten wir wohl irgendwann den Golf mitten auf der Autobahn geparkt.
Wir lieferten Stefan brav zu Hause ab und da punkt Mitternacht ein Grund zu feiern anlag, die Uhr 23:59 anzeigte und wir mitten im Stadtteil Riederwald waren, bogen wir kurzerhand zum Eintrachtstadion ab, wo der Neubau des Leistungszentrums seiner Vollendung entgegensieht - und stießen Punkt zwölf auf dem Heimatgelände der Eintracht imaginär an. Wenig später trudelten wir im Nordend ein; Pia musste noch Muffins backen, doch so langsam neigte sich ein langer Tag dem Ende entgegen. Von mir aus können sie den Bahnhof oben lassen - dafür ganz Stuttgart unter die Erde bringen. Aber Hauptsache gewonnen. Auswärtssieg! Schnarch.
Einen fundierten Spielbericht findet ihr wie immer bei Kid, tolle Fotos bei Stefan.
Fotos: Pia und Beve
uff, das klingt ja ganz übel. Zum Glück seid ihr für diese Tortur mit einem Sieg belohnt worden.
AntwortenLöschenIn einer Bockenheimer Kneipe entkam ich dem Herzinfarkt nur dadurch, dass ich in Minute 85 für 10 Minuten spazieren gegangen bin.
Danke. Sehr schön zu lesen, wie immer.
AntwortenLöschen"was zählt sind dreckige drei Punkte."
AntwortenLöschenJa. Aber nicht nur. Der heilige, gebenedeite Golf, die drohende Verseppelung der Republik, aber auch die Soße, die in den frühen Siebziger zu Nierchen gereicht wurde und die dummdreisten, sich selbst höchst wichtig fühlenden und auf die Allgemeinheit scheißenden Fans zählen ebenfalls - so oder so. Danke dafür, danke fürs Mitnehmen, immer wieder. Und natürlich auch für den Link in die Klappergass'.
Gruß vom Kid
PS: Am Riederwald ein neues Jahr zu beginnen, ist nicht das Schlechteste und mit großem Abstand das Beste, was man nach einer solchen Fahrt tun kann. :-) Es ist überhaupt ein guter Plan, sich von den Dingen, die mies laufen, nicht unterkriegen zu lassen, und sich stattdessen einfach über die zu freuen, die das Leben lebenswert machen. Immer noch und immer wieder. Und in Gedanken bin ich heute Abend dabei. :-)
Diese dreckigen drei Punkte sind der Dank für all die Strapazen, die man auf sich nimmt: Staus, schlechte Jägerschnitzel & nächtliche Ritte durch lange Tage.
AntwortenLöschenDanke, Beve. Immer ein Vergnügen. Immer wieder.
Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen,
Fritsch.
Dir zum Trost Axel, warst nicht der einzigste
AntwortenLöschender zeitlich gesehen eine Auswärtsfahrt nach Mailand gemacht hat.
Bin um 13.15 in S angekommen und habe um 14.30 S wieder verlassen in die einzigste Richtung wo noch fahrbar war. Hatten dann in einem Vorort Namens Rommelshausen am P & R die Kiste abgestellt. Zum Glück fährt die S-Bahn am Sonntag
nur 2mal anstatt 6mal die Stunde! Mit all den einheimischen Seppl`s ne halbe Stunde gewartet um dann 5 Stationen später an der Haltestelle Bad Cannstatt ausgespült zu werden. Nur noch 30 min Fussmarsch mit 3 Kids um rechtzeitig zum Torjubel den Einlass zu erreichen.
Dort lernte ich nach 30 Jahren regelmässigen Besuchs von Fussballspielen, das eine 20 cm lange und 0,5 cm breite Kette am Geldbeutel eine
verbotene Waffe darstellt und ein Einlass damit nicht möglich sei.
Nach dem Spiel das gleiche in umgekehrter Richtung, das wir logischer Weise für uns am falschen Ende von S waren haben wir um 20.30 endlich Böblingen erreicht um dann in horrender Geschwindigkeit von durchschnittlich 30 km die
A81 entlang zu kriechen. Da die Kids und ich seit dem Frühstück nix gegessen hatten noch ein Zwischenstopp, der war aber im Vergleich zu dir sehr gut, Schnitzelreste in Serviette mit nach Hause gebracht:-))
Dazwischen Anruf von Mama, die Kids haben morgen Schule.... vonwegen Stau...du bist bestimmt noch an einem Bierstand gewesen...die Jungs sagen eh das gleiche wie du...
Um 23.30 hatten uns der Bodensee wieder:-)
Auswärtssieg:-))
und Premiere für meinen Jüngsten(8J)
PS:Sind uns kurz über den Weg gelaufen als du den
"High again" Aufkleber abfotografierst hast.
Grüsse vom See
Yogi
Sehr schöner Hemspielbericht - wie immer!
AntwortenLöschenSehr gut auch die Passage über den "Trupp sich selbst höchst wichtig fühlender und auf die Allgemeinheit scheißender Fans " - ich kenne das Gefühl nur zu gut.
Danke und Gruß
Martin
rückblickend war der start in deinen geburtstag eigentlich perfekt - nachts am riederwald :-)
AntwortenLöschenich hatte ja schon ein wenig panik, den geburtstag im stau auf der autobahn zu beginnen.
es war ein schöner tag - vom wetter her auf jeden fall. mich persönlich haben die einlasskontrollen schon genervt. dass zuwenig weibliches personal vorhanden war, aber vor allen dingen, dass sich frankfurter mädels einfach so vordrängeln mussten. die solidarität unter weiblichen eintrachtfans nach leverkusen ließ in stuttgart bei einigen mädels sehr zu wünschen übrig. traurig. auch als ich sie darauf aufmerksam machte, erntete ich nur höhnisches gelächter. ok, wenn man sich anstellt ist man der depp. einige meinen wohl, mehr rechte zu haben als andere. scheiß auf solidarität. ich war da schon extrem angepisst.
letztendlich: dreggisch gewonnen, wie ich es mir nach unserem tor gewünscht hab.
das zählt und einiges andere.
aber was bleibt sind schon die fragen. die fragen, welche stadien sich eigentlich noch anzufahren lohnen ...
stuttgart zur wasenzeit gehört leider nicht mehr dazu.
nicht auszudenken, wenn die eintracht das ding noch vergeigt hätte.
AntwortenLöschenseid bedankt fürs feedback - und lasst euch nicht unterkriegen.
viele grüße
beve
Danke Axel, nach der drastischen Schilderung von matschigem Fraß in 70er-Nierensoße ist mein eben noch vorhandener Kohldampf wie weggeblasen. ;-)
AntwortenLöschenHallo Axel,
AntwortenLöschenlese Deine Berichte immer gerne und möchte heute mal ein Lob da lassen ! Herrlich !
Mach bitte weiter so !
Viele Grüße,
Olaf