Es sollte ein langer Tag für mich werden, schon morgens um halb sieben radelte ich am Main entlang, um eine in den letzten Monaten vom Museum konzipierte und produzierte Ausstellung zur kommenden Weltmeisterschaft 2011 im Frauenfußball im Frankfurter Römer aufzubauen; sie ist toll geworden und wird im Laufe des Jahres an verschiedenen Orten gezeigt - aber darüber wird es bei Gelegenheit einen eigenen Blogbeitrag geben. Gegen 15:30 radelte ich zurück nach Hause, warf mich unter die Dusche und fuhr ins Museum. Dort installierte ich die Technik, trank einen Kaffee und freute mich auf den bevorstehenden Abend. Anlässlich des bislang letzten Aufstiegs der Eintracht im Sommer 2005 hatten wir gemeinsam mit der Fan_ und Förderabteilung Markus Pröll, Alex Schur und Andree Wiedener zur Tradition zum Anfassen eingeladen, zudem noch Daniyel Cimen - der jedoch leider nicht kommen konnte.
Zahlreiche Fans trudelten peu a peu ein - insgesamt jedoch nicht ganz so viele wie erhofft; was etwas verblüffend ob der Tatsache war, dass die Ereignisse noch gar nicht allzu lange zurück liegen und von vielen hautnah miterlebt wurden. Dennoch war der hintere Raum gut gefüllt - und die Gekommenen bereuten ihre Anwesenheit keineswegs, ganz im Gegenteil.
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Im Sommer 2004 war die Eintracht zum dritten Mal in ihrer Geschichte abgestiegen, Spieler wie Ioannis Amanatidis, Christoph Preuß oder Ingo Hertzsch verließen das Team und auch Trainer Willi Reimann, der auf Grund einer Sperre fünf Spiele im Container in der Baustelle Waldstadion verbringen wollte, wurde von seinen Aufgaben entbunden. Auch der Vertrag von Legende Uwe Bindewald wurde zu dessen Leidwesen nicht verlängert - er wechselte gezwungener Maßen zum Oberligisten Eschborn.
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Als Trainer sollte nach Willen des Vorstandes Ralf Rangnick die Eintracht betreuen, was dieser jedoch mangels Perspektive dankend ablehnte. Schließlich übernahm der Aufstiegsspezialist Friedhelm Funkel die Mannschaft, die um Nachwuchsspieler Patrick Ochs, der von den Amateuren der Bayern zurück geholt wurde und dem alten Haudegen Arie van Lent neu formiert wurde. Neu im Team waren auch Alexander Meier, Benny Köhler, Torben Hoffmann, Markus Weissenberger, Christian Lenze, Markus Husterer, sowie die vielversprechenden Nachwuchsspieler Christopher Reinhard und Marco Russ. Für einen war die Saison zu Ende, bevor sie begonnen hatte. Als bekannt wurde, dass Funkel neuer Trainer wird, zeigten sich die ehemaligen Kölner Kreuz, Keller und Pröll wenig begeistert; (was der Vorstand der Eintracht nicht gerne sah) doch während sich Keller und Pröll dazu durch rangen, es weiterhin bei der Eintracht zu probieren, verabschiedete sich Markus Kreuz in Richtung Erfurt und zahlte sogar einen Teil der Ablösesumme aus eigener Tasche. Hickhack gab es auch um den Brasilianer Chris, dessen ungeklärte Vertragssituation (neben der Eintracht meldete auch ein brasilianischer Verein Ansprüche an) für einigen Wirbel sorgte und ihm eine viermonatige Sperre einbringen sollte - was den Rest des Teams nicht sonderlich beeindruckte; so isser halt, der Brasilianer meinte Schur; der eine macht länger Urlaub und der andere sorgt sich nicht um die Kleinigkeiten von Vertragsdetails.
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Startete die Eintracht, die sich natürlich als Saisonziel den Wiederaufstieg gesetzt hatte, wie Wiedener betonte, durch ein Unentschieden in Aachen und einem hauchdünnen Sieg gegen den KSC noch ganz ordentlich in die Saison, so setzte es beim Titelfavoriten Köln die erste Niederlage. Knapp wurde Dresden besiegt und deutlich in Saarbrücken verloren; ein Triumph für den ehemaligen Eintracht-Coach und damaligen Trainer der Saarländer, Horst Ehrmantraut, eine Schlappe für den Kapitän Alex Schur, der eine gelb-rote Karte kassierte.
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Der Zusammenhalt zwischen Fans und Mannschaft wurde in jener Zeit groß geschrieben, auch bei schwachen Leistungen wurde das Team unterstützt, nicht nur Arie van Lent konnte davon profitieren; auch Du-Ri Cha wurde angefeuert - und erzielte beim Rückspiel in Oberhausen zwei Treffer (nebenbei entwickelte sich auch ein bis heute unvergessener Gesang Du Du Du Du - Ri Ri Ri Ri - Du-Ri, Du-Ri Cha) und auch Andree Wiedener, der nicht immer geliebte, schwärmte von der großartigen Unterstützung in Cottbus, die ihm nachhaltig in Erinnerung geblieben ist.
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Während in der Winterpause Stürmer Nico Frommer nach Oberhausen wechselte, verpflichtete die Eintracht neben Rückkehrer Jermaine Jones für relativ kleines Geld den hierzulande völlig unbekannten Mazedonier Aleks Vasoski - der in der Rückrunde den Defensivverband kompromisslos zusammen hielt. Spätestens nach der klasse Leistung gegen Podolski beim 1:0 gegen Köln, als der Kölner Jungstar nach 66 Minuten entnervt ausgewechselt wurde, hatte sich Vasoski in die Herzen der Fans gespielt. Doch so richtig kam das Team nicht vom Fleck; knappen Heimsiegen folgten Auswärtsniederlagen und nach der Niederlage in Dresden betrug der Rückstand auf einen Aufstiegsplatz immer noch neun Punkte. Glücklich die Umstände, dass die zuvor besser platzierten Teams der Spvgg Greuther Fürth aber auch Alemannia Aachen kaum noch punkten konnten, während sich die schwach gestarteten Löwen aus München ähnlich wie die Eintracht stabilisierten und zum großen Konkurrenten um den Aufstieg entwickeln sollten. Die Eintracht robbte sich Punkt um Punkt an die Aufstiegsplätze heran, die Niederlage bei 1860 war dabei kein Beinbruch - nach der Niederlage in Ahlen jedoch erhielten die Aufstiegsträume einen merklichen Dämpfer, zumal noch drei Auswärtspartien im Osten der Republik anstanden.
Andree Wiedener konnte sich im Laufe der Saison gegen seinen Konkurrenten auf der linken Verteidigerseite, den jungen Reinhard durchsetzen und entwickelte sich zur großen Stütze - dies sei vor allem extremen Trainingseinsatz zu verdanken; so manches mal hatte sich Andree im Training dermaßen reingehängt, dass er für das Spiel eigentlich zu kaputt war.
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Waren die Feierlichkeiten der Fans nach Spielende am Römer trotz einsetzendem Regen noch recht ausgelassen (Ein von Frank Wagner eingespielter Film zeigte im Museum neben Spielszenen und den Feierlichkeiten auf dem Rasen auch Szenen vom Römerbalkon, in denen Alex Schur als auch Du-Ri Cha ihr Gesangstalent zum Besten gaben) so eskalierte die Situation in Alt-Sachsenhausen dann vollends. Obgleich kaum Gästefans anwesend waren und die wenigen mit den Eintrachtlern feiern wollten, sperrte die Polizei das ganze Viertel ab und prügelte auf feiernde Fans ein. Es war ein trauriger Abschluss eines tollen Tages.
Zu diesem Zeitpunkt war der Vetrag mit Andree Wiedener noch nicht verlängert; er blieb als Stand-By-Profi noch für ein Jahr bei der Eintracht; sein Nachfolger wurde Christoph Spycher, der in den kommenden fünf Jahren die linke Seite bespielte. Heute besitzt der ehemalige Bremer Wiedener ein Sportgeschäft in Darmstadt Griesheim und schnürt für die Traditionsmannschaft der Eintracht noch von Zeit zu Zeit die Kickschuhe.
Für Alex Schur bedeutete der Kreuzbandriss aus dem Aue-Spiel quasi das Karriereende. Da er zuvor die notwendigen 20 Spiele absolviert hatte, verlängerte sich sein Kontrakt um ein Jahr und er konnte sich auf die Zeit nach dem Profifußball vorbereiten. Alex absolvierte im folgenden Bundesligajahr nach ausgeheilter Verletzung noch einige Einsätze bei der U23 in der Oberliga und wurde von Trainer Funkel in den letzten beiden Spielen der Saison 2005/06 für einige Minuten in der Bundesliga eingewechselt, um sich von den Fans zu verabschieden. Heute trainiert er erfolgreich die U17 der Eintracht und wurde im Sommer mit seiner Mannschaft sogar Deutscher Meister.
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Und so endete der Abend mit Autogrammen und Fotos und der Gewissheit, dass es immer etwas Besonderes ist, einen Abend im Rahmen der Tradition zum Anfassen im Museum der Eintracht zu erleben. Für die Spieler, für die Zuschauer - aber auch für mich, der sich ganz herzlich bei allen Anwesenden bedankt.
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Fotos: Steffen Ewald, Pia Geiger
Danke für den Bericht, Beve. Gruß vom Kid
AntwortenLöschenBitteschön :-)
AntwortenLöschenBald bist du auch wieder dabei. Hoffe ich!
Viele Grüße
Beve
Ganz herzlichen Dank fürs Aufschreiben und Nachbereiten des Museumsabends. Konnte leider auch nicht da sein, und freu mich drauf, den Eintrag morgen, mit ruhigerem Gemüt und in Ruhe zu lesen.
AntwortenLöschenZwischenzeitlich hoffe ich, dass die Eintracht in naher Zukunft einmal wieder in der Lage sein wird, neue Feier- und Jahrestagesanlässe zu schaffen und wir nicht demnächst in die knifflige Lage kommen und uns im Museum an „5 Jahre 2:1 gegen Bayern München“ oder „Zehn Jahre Auftaktsieg bei Werder Bremen“ erinnern müssen... ,-)
Großartig, vielen Dank. Schön, dass die Museumsabende nicht solchen Schwankungen unterworfen sind wie die Darbietungen der Lizenzspieler. Hinter der Haupttribüne von Rot Weiß Essen fand ich damals vor dem Spiel übrigens fast zufällig die kleine Statue von Helmut Rahn. Gestrüpp wucherte daneben und Müll lag drum herum, ein unschönes Bild. Das war verlorengegangene Tradition.
AntwortenLöschenSchee wars, wie immer. Schade, dass ich diesmal so schnell wegmusste, sonst hätten wir bestimmt noch den einen oder anderen Schoppen miteinander getrunken.
AntwortenLöschenDanke und Gruss
Holger
Danke fürs Mitnehmen, Beve! Danke für den Bericht, Beve! Ein verdammt gutes Gefühl.
AntwortenLöschenViele Grüße & weiterhin sichere Straßen,
Fritsch.
danke fürs feedback; die rahnstatue am rande des essener stadions ist mehr als ein symbol für rwe dieser tage.
AntwortenLöschenbald gibts 5-jahre 0:1 gegen freiburg - damals, erste liga :-)
viele grüße
beve