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Donnerstag, 17. September 2009

Träume in Schwarz und Weiß - eine erste Filmkritik

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Schon am Dienstag hatte der Film Premiere für Sponsoren und verdiente Eintrachtler; am Mittwoch gab es dann die Premiere für's Volk im ehemaligen Volksbildungsheim und jetzigen Metropolis. Unter den Augen von Alexander Schur und einigen Hundert Eintrachtlern eröffneten Präsident Peter Fischer und FuFA-Abteilungsleiter Stefan Minden den Abend; kurz und knapp hielten sich auch die Macher des Films Ralf Holl und Andreas Heller bei ihren Eröffnungsworten. Sodann folgten über zwei Stunden Eintracht; von der Erwähnung des Gründers der Victoria Albert Pohlenk mit dem alles begann bis hin zu Meisterchoreo und einem kurzen Interview mit dem aktuellen Trainer Michael Skibbe.

110 Jahre Eintracht Frankfurt, da gibt es jede Menge zu erzählen und egal was du erzählst, es fehlt immer etwas. In diesem Falle die Zeit von 1899 bis 1959.

Im Grunde basiert der Film im Wesentlichen auf drei Füßen: Einer davon ist der Fußball der Eintracht: Spielszenen aus den Fünfzigern durften ebensowenig fehlen, wie der Zauber der Siebziger mit Grabi, Holz und Nickel oder der Neunziger; Okochas Zaubertor, Yeboahs Antritt, Webers Tragik oder Fjörtofts Treffer gegen Lautern und später Schurs Kopfball gegen Reutlingen. Dazu kamen Einspielungen und Erläuterungen aus dem Eintracht Museum.

Das zweite Standbein fußte auf Interviews. Ehemalige Spieler der Eintracht äußerten sich zu ihrer Zeit; Jürgen Grabowski, der sich noch heute sehr freut, wenn die Kurve Tankards Song mit den Worten wir haben die Eintracht im Endspiel gesehen, mit dem Jürgen ... anstimmt, Charly Körbel, der als Bub nach dem 0:7 gegen den KSC im Stadion anwesend war und zu der Überzeugung gelangte, dass er zu so einem Verein niemals gehen würde, Erwin Stein, der zweifache Torschütze aus dem Europapokalfinale 1960 gegen Real Madrid, dessen Spitzname Zuggersche lautete oder Ansgar Brinkmann, dem bekanntermaßen das Spiel gegen Kaiserslautern und die Fans der Eintracht zeigten, dass es im Fußball um mehr als nur um Geld und Erfolge geht. Auch wurden rare Bilder von Meistertrainer Paul Osswald gezeigt, der noch einmal betonte, dass er über zwölf Jahre lang die Kickers geformt hatte, bevor er sie mit der Eintracht in Berlin 1959 schlagen durfte. Auch kamen Legenden aus anderen Vereinen zu Wort, Beckenbauer, Netzer oder Uwe Seeler.



Trinklein, Bindewald, Lindner, Feigenspan, Schur, Hölzenbein, Nickel, Fjörtoft und Dietrich Weise sprachen ebenso über die Eintracht wie die Präsidenten Gramlich, Ohms, Heller, Fischer und AG-Vorsitzender Bruchhagen sowie Sparmann, Pröckl und Axel Hellmann, die gemeinsam nach dem Beinahe-Lizenzentzug 2002 den Karren aus dem Dreck gezogen hatten. Immer wieder schön ist es, Toni Hübler zu lauschen - Toni, der nicht nur den englischen Rasen in Frankfurt einführte, sondern auch die Herren Fußballer über einen Flaschenzug mit Bier versorgt hatte. Trainer Ribbeck weiß bis heute nicht, wie die Bierflaschen, die er bei einer Stippvisite unter den Betten fand, ins Zimmer kamen. Ein anderer erzählte, dass ab nun die Uhren anders gehen würden.

Der dritte Strang bezog sich auf die Fans der Eintracht. Leitmotivisch führte Mario, der Präsi des EFC Sossenheim durch den Film; wir sahen die Meisterchoreo ebenso wie Kurvenbilder aus den Achtzigern, Philipp Reschke (Tankard is doch ne Punkband, oder?) und Gerre erzählten, wie es dazu kam, das Tankard in Berlin beim Endspiel die Kurve rocken konnten, Pferd erwähnte, dass noch vor zwanzig Jahren 34 Eintrachtler beim Auswärtsspiel in Bremen zugegen waren - heute sind es nahezu einige Tausend, die Woche für Woche in der Republik unterwegs sind. Das Filmteam war bei Rado FanOmania zugegen, besuchte den Riederwald kurz vor dem Abriss und bei der Grundsteinlegung und wir sahen Matze Thomas erstes TV-Interview nach dem Pokalsieg 1988 auf dem Römer. Feiernde Eintrachtfans in der Bembelbar in Berlin durften ebenfalls nicht fehlen. Interviews mit DJ DAG, der irritierender Weise ein fünfjähriges SV im Wiederholungsfalle für in Ordnung hielt, St.Tropez-Bar Macher Andy Backer, dessen Siebziger Kutte im Museum hängt, mit Rudi Köhler oder dem Eintracht-Peter fehlten ebenso wenig, wie Statements der Spieler Ochs und Nikolov zur Kurve oder Doc Hermanns und Frank Gottas Buch Im Herzen von Europa. Rainer Kaufmann merkte völlig zu Recht an, dass die Eintrachtler ein trinkfestes, reiselustiges und sangesfreudiges Völkchen sind.

Es ist ein Film, dem man anmerkt, dass die Macher nicht allzutief in der Szene stecken, die aber gleichwohl über Recherche wesentliche Punkte gestreift haben. Sie bewegten sich in der VIP-Lounge und ließen Kitty Pohl vor dem großen Logo der Zeitung mit den vier Buchstaben über Promis erzählen, wie überhaupt Werbung im Film deutlich zugegen war, man merkt zu sehr, welche Bank den Film unterstützte, welcher Flughafenbetreiber und welche Agentur oder welcher Club den Machern freundlich gesinnt war.

Den stärksten Moment hatte der Film, als der EFC Sossenheim auf Tour war und einzelne Mitglieder ungekünstelt und authentisch ohne vor einer Reklameecke zu sitzen vor der Kamera sprachen. Bewegend das Statement eines Mitgliedes über das soziale Engagement; der EFC kümmert sich auch um Leute, denen das Glück im Leben von der Schippe gesprungen ist. Sehr schön auch die Bilder aus dem Roten Club, dem Eintracht-Treff in den Siebziger Jahren - inclusive eines Interviews mit dem blutjungen Mario aus dieser Zeit, der nun der Präsi der Sossenheimer ist - und noch immer in Eintracht-Bettwäsche schläft.

Ich hätte mir mehr Bilder aus der Szene gewünscht: wie läuft eine Auswärtsfahrt; was heißt es, heute von Hundertschaften der Cops empfangen zu werden; was nehmen die Fans auf sich, um Woche für Woche durch die Republik zu kutschen; was bedeutet es, eine Choreo im Stadion zu inszenieren oder wie ist es um die Artikulation der Fans bestellt; weder die Internet-Situation wurde beleuchtet, noch die Fan geht vor erwähnt, auch das Fanprojekt und dessen Geschichte fand keine Aufnahme in den Film. Selbst Uli Mathejas Bibel Schlappekicker und Himmelstürmer musste außen vor bleiben. Einige Fanauftritte wirkten arg inszeniert, da hätte das wirkliche Leben bessere Bilder hergegeben.

Fazit: Wir haben einen Eintrachtfilm gesehen, der für den Hardcorefan wenig Neues enthielt, der aber den Frankfurtern einen schönen Einblick in den Mythos Eintracht Frankfurt gibt. Nicht jeder hat Nickels Seitfallzieher in Offenbach oder dessen direkt verwandelte Ecke zum 6:0 gegen die Bayern vor Augen, nicht jeder kennt die Bilder, die nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft über das Team gedreht wurden und nicht jeder weiß auf Anhieb, dass die Eintracht, auf dem Weg zum Uefa-Cup gegen Rotterdam in Grün-Weiß spielte. Werner Reinkes wunderbarer Erzählstil ist ein weiteres Plus des sehr kurzweiligen Filmes, der Vieles streift, dabei jedoch zuweilen ein distanziertes Fragen unterlässt. So werden zwar die Stadionverbote thematisiert - Betroffene kommen jedoch nicht zu Wort. Auch die Ultra-Szene stößt auf wenig Resonanz (ogleich es wohl im Vorfeld Spannungen gab, die letztlich dafür verantwortlich sind) - dafür aber der Kontakt-Polizist Stahmer - ohne wiederum die Fanbetreuung mit einzubeziehen. Wo es hätte spannend werden können, hören die Infos auf. Dass das Endspiel 1932 keine Erwähnung fand ist ebenso schade, wie das Aussparen der NS-Zeit, sieht man einmal von Billy Otts kurzer Erläuterung zum Angestelltenverhältnis der damaligen Spieler beim Schlappeschneider ab, was ursächlich verantwortlich für den Begriff Schlappekicker war. Den Auftritt des Herrn Hammer der den Kurvenklassiker Pipi Langstrumpf ballermannesk vertont hatte, hätte man sich schenken können, Henni und Gerd waren nur mäßig lustig, großartig hingegen das Erinnern an Alfred Pfaff.

Im End ist es ein Film, dessen DVD sicherlich an Weihnachten in ganz Frankfurt vermehrt auf dem Gabentisch liegen wird, ein Film für die ganze Familie - auch für die Junior Adler, die derzeit auswärts noch im Kinderblock der Heimmannschaft sitzen müssen - aber jetzt schon Erlebnisse sammeln, die womöglich dereinst Grundlage für einem weiteren Film sein können.

Freuen dürfen wir uns auf Szenen, welche nicht im Kino dafür aber auf DVD gezeigt werden, womöglich relativiert sich dann einiges von meinem Beitrag, ich bin gespannt. Immerhin haben die Macher das gemacht, wo viele von erzählt haben: Sie haben einen Eintracht-Film realisiert: Und dafür gibt es: Ein großes Dankeschön.

8 Kommentare:

  1. Ich bin gestern abend, meine vorab im Museum erstandene Eintrittskarte in der Tasche, mit dem Auto durch Frankfurt gekurvt, habe (ich weiß ich weiß: Schande...) das Kino nicht gefunden... :-o..., hab irgendwann die Suche aufgegeben und bin wieder zurück Richtung Mainz aufgebrochen. Deswegen vielen Dank für die informative Aufbereitung, die einen guten Eindruck des Films vermittelt. Deine ja durchaus auch kritischen Anmerkungen sind für mich insofern tröstlich, dass ich es jetzt zwar immer noch schade, aber nicht mehr ganz so bedauerlich finde, dass ich gestern dann aus ...ähem...gegebenen Umständen, nicht dabei sein konnte.

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  2. mensch r.u.s, das ist ja ein ding, das metropolis kennt in ffm eigentlich jeder. aber mit dem auto durch die city ist für ortsunkundige riskant, mAn landet gerne mal dort, wo noch nie ein mensch war :-) aber verpasst hast du auf jeden fall etwas, jedoch die dvd gibt es ja auch noch.

    danke fürs feedback und viele grüße

    beve

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  3. Danke, Beve, für deine Eindrücke und die gewohnt ungeschminkte Kritik.

    Gruß vom Kid

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  4. Was passiert eigentlich mit dem Gewinn den der Film abwirft?
    Fliesst der in die Fanszene? Oder für einen guten Zweck? Oder wird der in die eigene Tasche gesteckt?

    Wurde dazu was gesagt bei der Premiere?

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  5. Beve, es ist immer eine Wohltat Deine Texte zu lesen. Ich war gestern auch im Kino und kann Deiner Bewertung nur zustimmen. Insbesondere bezüglich dem Thema Fanszene hast Du den Nagel auf den Kopf getroffen. Ich hebe den Hut vor Dir.

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  6. Danke Beve! Du bist mein Fenster in die Heimat & meine Teilhabe an den Dingen um den Verein des Herzens. Texte, Texte, gib mir Texte & Worte, dann fehlt mir nichts mehr.

    Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen,
    Fritsch.

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  7. Schön beschrieben Axel + den Nagel auf den Kopf getroffen...

    Wieso sollte der Gewinn des Films irgendwie in die Fanszene fließen?
    Da haben zwei Menschen einen Film gedreht über einen bestimmten Gegenstand im konkreten Falle unser aller Lieblingsverein und die Leute, die diesen Gegenstand lieben motzen nur rum, statt sich zu freuen.

    wib

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  8. danke euch für die freundliche aufnahme. über gewinn kann ich nichts sagen, vielleicht sind die macher ganz froh, wenn sich der verlust in grenzen hält.

    viele grüße

    beve

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