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Mittwoch, 20. Mai 2009

Heimspiel in Hoechst

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Draußen war's wärmer als drinnen - was lag also näher, als sich an einem Dienstagabend auf die kleine Reise nach Frankfurt-Hoechst zu begeben, um einem Freundschaftsspiel der Eintracht gegen die hiesige SG Hoechst beizuwohnen.

Die Farbwerke Hoechst, einst größter Arbeitgeber der Region und Garant für bescheidenen Wohlstand sowie geschlossener Fenster im Stadtteil sind lange aufgelöst, das Kennzeichen FH für Frankfurt Hoechst längst Geschichte und auch die Oberligazeiten der SG Hoechst sind lange vorbei. Möbel-City-Wesner, einst ein riesiges Möbelhaus, ist weggezogen; übrig blieben die leerstehenden Gebäude und die damit verbundene Tristesse und die Hoffnung auf bessere Zeiten.

Pia, die Maus und ich parkten den silbernen Golf nahe des ehemaligen Möbelhauses und wandelten durch den Hoechster Stadtpark. Kinder fuhren Fahrrad, Erwachsene saßen in Gruppen beieinander, ein Weiher glänzte in die Sonne und uns beschlich ein Hauch von Urlaubsfeeling. Dennoch sorgten wir uns, ob es heute Abend angesichts der derzeitigen Situation zu seltsamen Erscheinungen kommen würde, alles schien möglich, obgleich wir nur zu einem Freundschaftskick marschierten, der üblicherweise allen Beteiligten nur Spaß bringt.

Hinter dem Park liegt der Sportplatz der SG Hoechst, der Glanz vergangener Zeiten ist auch hier einem leisen Abgesang gewichen; alte Werbebanden deren Lack im Laufe der Jahre verwitterte umrunden den Hauptplatz, eine Anzeigetafel, gefertigt aus dem Stahl des Werbenden wartete auf Tore. Kinder und emsige Helfer wuselten umher, derweil ein DJ hinter dem Tor seine Anlage verkabelte. Wir zahlten moderate sechs Euro Eintritt, (ein Programm zum Spiel gab es leider nicht) und orderten einen Apfelwein, der viertel Liter zu 1,50 - bar bezahlt. Die Sonne beschien den Frühlingsabend, während wir um den Platz wanderten und uns in eine kleine blechernen Hütte auf eine Bierbank setzten und unseren Apfelwein tranken. Auf der Ersatzbank, es war nett, denn: noch nicht einmal Auswechselspieler waren wir.

Allmählich füllte sich der Sportplatz mit Zuschauern, vorwiegend Kids sausten über das Gelände, während der DJ seine Anlage mittlerweile in Schwung gebracht hatte. In brüllender Lautstärke schallten Stimmungs-Melodien über den Platz, dass sich selbst die Grashalme die Ohren zuhielten, auch sie wollten die Regenwürmer nicht husten hören. Ballermanninferno allez!

Stefan war mittlerweile gekommen und überbrachte die Nachricht, dass der Trainer der Eintracht erkrankt sei - in weiser Voraussicht wohl, die Trainerbank stand nicht weit entfernt von den Stehplätzen - und wer weiß auf welche Ideen der emtional bewegte Fan in diesen Tagen kommen könnte. Gecoacht wurde das Team dann von Armin Reutershahn und Andi Menger.

Auslöser für das Freundschaftsspiel in Hoechst war wohl ein medialer Aprilscherz des HR, welcher behauptet hatte, dass ein reicher Unternehmer die SG Hoechst im Stile des Projektes Hoffenheim übernehmen würde; so kam es auch, dass der Aufstellungsverkünder des Waldstadions auch in Hoechst mit Hilfe der Kinder sein Bestes gab. Bis auf die Nummer 3 Caio und Markus Russ klappte dies auch ganz ordentlich, wobei zur Ehrenrettung gesagt werden muss, dass Marcos Vorname falsch auf dem Spielberichtsbogen stand und Caios Null recht klein geschrieben war. Man kann ja nicht alles wissen ...


Kurz vor Spielbeginn verließen wir die Ersatzbank und wanderten um den Sportplatz, insgesamt werden wohl rund 1000 Zuschauer gekommen sein, darunter auch die Fanbeauftragten der Eintracht, Rudi und ZoLo sowie unser Lieblings-Pokalsiegertrainer Dietrich Weise. Beieinander standen auch die Herren Durstewitz, Palmert und Schmitt sowie Heribert Bruchhagen, der dabei Rede und Antwort stehen durfte - bis die Kids spitzkriegten, dass der Chef hier war und schon wurde er umringt und ließ sich brav fotografieren.

Kaum wurde die Partie angepfiffen, die Gastgeber in weiß, die Eintracht in rot-schwarz, tönte ein Grüppchen Wir ham die Schnauze voll und zack hatte ich ein Mikrofon vor der Nase. Der HR versuchte Stimmen einzufangen und erwartete eine Stellungnahme, die von mir auch recht knapp ausfiel: So schlecht sind die Hoechster doch gar nicht. Verständnislose Augen schauten mich an. Bei strahlendem Sonnenschein gaben die Hoechster dann ihr Bestes - dass die Eintracht, welche keineswegs mit einem Rumpfteam angetreten war, klar dominierte, verwunderte wenig und so stand am Ende ein 17:1 zu Buche - ich hätte es nicht gewusst, hätte uns der Schiri nicht das Ergebnis mitgeteilt. Oka und Frank Lehmann standen je eine Halbzeit im Tor, Caio spielte durch und großer Jubel brandete auf, als die Hoechster den Ehrentreffer erzielten. Beide Hoechster Torhüter hatten ihren großen Tag und verhinderten mit Glanzparaden Ärgeres.

Die meiste Zeit verbrachte wir mit gepflegten Unterhaltung; mit ZoLo quatsche ich immer gerne, desgleichen mit Eintracht-Veteran Roland Gerlach oder unserem Sossenheimer Freund, den ich vor Jahren in der Klapper kennen lernte. Seit er meinem Schoppen zu Boden warf, ich ihm nach kurzem Disput einen anderen übergekippt hatte und wir uns daraufhin die Hand gaben, treffen wir uns vorwiegend bei Auswärtsspielen und erinnern uns gerne an die Anfangstage zurück. Die Filzlaus hockte brav hinter dem Tor und insgesamt ging es relativ ruhig zu. Nach Spielende begann das große Flitzen; Kids stürmten auf die Spieler zwecks Autogrammen zu, die Spieler sausten in die Kabine, allen voran Korkmaz, Meier und Caio; während Fenin sein Trikot einem Rollstuhlfahrer in die Hände drückte. Krük und Petkovic und Sebastian Jung schrieben brav Autogramme, während der Eintrachtbus schon auf die frisch geduschten wartete.

Alex Meier scheint derzeit arg verunsichert, er kam als erster aus der Kabine und scheute sich sogar davor, den wartenden und drängelnden Kindern Autogramme zu geben - nicht schön, aber nach all den Attacken auf ihn verständlich. Zeugwart war interessanter Weise der Deutsche Meister Friedel Lutz, der weitgehend unbehelligt seine Arbeit verrichten konnte. Peu a peu schoben sich die Kicker in den Bus, und plötzlich tönte hinter uns ein lautes Funkel raus. Pia drehte sich erbost um und bat sichtlich erzürnt um Ruhe - das Grüppchen, welches sich um den Rufer scharte, blickte leicht irritiert aus der Wäsche - aber auch sie sahen dann ein, dass hier die SG Hoechst Gastgeber war und die Kids und deren Spaß eigentlich im Mittelpunkt stehen sollten; die Kids, die solche Aktionen gar nicht verstehen können. Dies Argument zog, der Trupp trollte sich, ebenso wie der Bus, der bald darauf hupend das Gelände verlassen sollte. Pia, Stefan und ich trollten uns dann ebenfalls in Richtung Bierstand, die Wurst war ausverkauft, das Bier noch nicht - und nach einem Schöppchen verließen wir ebenfalls den Sportplatz und wanderten durch den Park und tröpfelnden Regen zurück zum Auto.

Dunkel wurde es allmählich, die Nacht legte sich über Frankfurt - Zeit für eine letzte Pizza und eine Erinnerung an den vergangenen Tag, der wohl freundlicher war, als es der letzte Spieltag gegen den HSV sein dürfte. Leider Gottes.

3 Kommentare:

  1. Pia hat "sichtlich erzürnt um Ruhe gebeten"? Das hätte ich gerne gehört! :-)

    Danke, Pia, für deinen Mumm, danke, Beve, für den Bericht und danke an die Maus, dass sie immer dabei ist. Ich mag sie immer mehr, diese kleine, graue Maus. :-)

    Gruß vom Kid

    PS: Fenin ist cool und Meier ein armes Schwein.

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  2. Danke, Pia, für Deine Courage!

    Danke, Beve, für den wunderbaren Bericht. Mein Auge vor Ort!

    Ich aber gehe einmal mehr durch diese traurige Welt des Leids. Es gibt Zeiten, die sollten einfach nicht sein.

    Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen,
    Fritsch.

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