Seiten

Donnerstag, 23. Oktober 2008

Frustrierte Freude

Abpfiff, 2:1 gewonnen.

Vor dem Spiel marschierte ich mit Pia zum Gleisdreieck, zerwühlt von der derzeitigen Situation bei Eintracht Frankfurt, die seit Monaten kein Spiel mehr gewonnen hat und kraftlos auftritt. Anderes liegt im Argen, dazu demnächst mehr. Gestern freute ich mich, vor dem Spiel einen Apfelwein zu trinken, mit Leuten zu quatschen, die immer da sind - und gleichzeitig graute mir vor dem Spiel. Ich erwartete den immergleichen zähen bewegungsarmen Fußball, erwartete ein frühes Gegentor und die immergleiche Leere. Als die Anfangsaufstellung durchgegeben wurde, war ich geschockt.

Nikolov, Fink, Inamoto, Spycher, Ochs, Chris, Russ für die Defensive, Köhler, Korkmaz, Fenin und Liberopoulos für die Offensive - so standen die Zeichen auch gegen den KSC auf Halten.
Um so erstaunter war ich, dass urplötzlich Bewegung im Spiel war, die Aufstellung stand auf dem Papier, die Menschen selbst rannten, eroberten Bälle und lieferten endlich mal wieder eine der Grundvoraussetzungen für ein Fußballspiel ab. Bewegung.

Leider ergaben sich keine Torchancen, die Eintracht konnte nicht, der KSC wollte und konnte nicht. 44. Minute - Stillstand. Kämpfen und Siegen skandierten die Anhänger schon von der ersten Minute an, einheitlicher als die Monate zuvor, entschlossener.

Die zweite Hälfte brachte wenig erbauliches, der KSC wurde mutiger, was jedoch nicht allzuviel bedeutete, bis zur 70. Minute gab es hüben wie drüben keine nennenswerte Torchance. Die öffentliche Forderung nach dem Spieler Caio wurde ignoriert, man kann dazu stehen, wie man will - später kam der Kapitän, Amanatidis. Dann Chance für Karlsruhe, dann für die Eintracht. Zwischendrin gabs Ecken für uns. Köhler. Köhler. Köhler. Die Bälle flogen hoch in den Sechzehner, niemand von der Eintracht kümmerte sich drum, Verpuffung wirkungslos.

Achtzig Minuten brüllte ich "Eintracht" - in der 82. führte der KSC mit 1:0. Tränen wanderten zum Auge, ich sackte zusammen und fluchte, weshalb dies nicht schon nach drei Minuten geschehen war, ich hätte mir vergeblich Hoffen sparen können. Funkel raus, Funkel raus. Das war ich. Ein Croissant flog mir an den Kopf, zehn Meter von mir entfernt tobte der ehemalige Besitzer, wollte mir an den Kragen, Umfeld und Ordner bändigten ihn. Tausendfach erscholl es nun: Funkel raus.

Biber und Pia riefen Eintracht - und Köhler versenkte die Kugel zum Ausgleich ins Netz.


Wie nun? Was habe ich zu fühlen? Freude? Frust? Frustrierte Freude. 1:1, wenigstens mein Tipp; zum Leben zu wenig, zum Sterben zuviel. Erstaunlicherweise hallte auch nun Funkel raus durchs Stadion, ein etwas unpassender Moment der Meinungsäußerung - wobei ich inhaltlich nicht widersprechen würde. Aber doch nicht nach einem Tor der Eintracht.

Sekunden später rauschte der Ball Millimeter an unserem Pfosten vorbei, der KSC hatte den Sieg verschossen. Nachspielzeit zwei Minuten. Das wars. Ein Pünktchen gegen grottige Karlsruher; wenn du gegen die nicht gewinnst, gegen wen dann? Aber besser als verloren.

Nicht ganz: Freistoß Steinhöfer, irgendwie dann Amanatids, Amanatidis. Tor. Tooooooooor für die Eintracht. High Five - ausgelassen geht anders.

Freude, Erleichterung, Fragezeichen. Und nun?

Der Croissantwerfer tritt mich beim Abgang, ich bleibe ruhig, andere springen in die Bresche, halten ihn zurück, verteidigen mich. Ich gehe mit Pia zum Ausgang, Biber ist schon weg, am Gleisdreieck treffe ich sie wieder. Viele treffe ich dort, Stimmengewirr, Apfelwein, Arndt sogt für uns - Danke dafür.

Müßig sind Platzierungen, gewinnst du die letzten beiden Spiele hast du sechs Punkte, wirst neunter, pfeift der Schiri zwei, dreimal gegen dich, verlierst du die letzten beiden Spiele und wirst fünfzehnter. Mit Pech sechzehnter. Abstieg, von mir aus Relegation. Kleinigkeiten entscheiden - Und die Eintracht wird stets gegen den Abstieg spielen, was beileibe keine Schande ist - dies Los trifft beinahe zehn Teams. Die Frage ist: Wie.

Sie wird erst dann nicht gegen den Abstieg spielen, wenn sie finanziell auf Augenhöhe mit Schalke, Hamburg, Bremen, Wolfsburg steht. Dies ist ein weiter Weg und bedeutet Gazprom, VW oder so. Will ich das? Nein.

Wie nun?

Cottbus steht an. Ein weiterer Prüfstein. Für das Team. Für uns. Für den Trainer. Für den Vorstand. Heribert Bruchhagen dürfte ein Glas Rotwein getrunken haben.

Viele sind sich uneins. Verwischt der Sieg gegen den KSC die Verhältnisse und übertüncht die Wirklichkeit. Oder war er der Startschuss hin zu einer Eintracht, die wir sehen wollen. Über den Kampf zum Spiel, über das Spiel zum Sieg? Zuhause liegen zwei Tickets für die Partie in der Lausitz, wie ich hinkomme, weiß ich noch nicht. Aber ich werde dasein. Was soll man sonst machen, mit einem angebrochenen Leben?

Eines ist sicher:

Worte schießen keine Tore.

Abends verließen Pia und ich als letzte das Gleisdreieck. Aßen Pizza in Sachsenhausen. Schön, dass wir uns haben.



Das Foto des fliegenden Balles stammt von Stefan Krieger. Danke

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.