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Sonntag, 5. Oktober 2008

Heimspiel in Mannheim


Eigentlich begann das Spiel schon am Abend zuvor, als wir beim Italiener in Neu Isenburg einen Gutschein verfutterten. Im Hintergrund schickten sich Ostwestfalen an, ihr Heimspiel gegen den KSC zu verlieren, im Vordergrund genoss unsere Nummer 29 den freien Abend und die Krönung des ganzen war dann ein überaus freundlicher Paolo, der uns nicht nur einige Euros der Rechnung erließ, sondern uns gar eine eigene Autogrammkarte unterschrieb.

Als sich dann um Mitternacht mein Geburtstag näherte, drückte mir Pia ein Carepaket für den Samstag in die Hand; Becher, Salzstangen, Würstchen – und ne Karte für das Spiel inklusive einem Platz in einem der Autos, die sich nach Mannheim aufmachen wollten.

Und so kam’s dann auch. Gegen elf marschierte ich alleine mit meinem Beutelchen in Richtung Konsti, (Pia hatte familiäre Verpflichtungen und Stefan beauftragt, allzeit ein wachsames Äuglein auf mich zu haben, damit mir ein SV erspart bleiben möge. Sie kennt mich.) erstand einen Fünf-Liter-Kanister Sonnenhof-Äbbelwoi und wanderte zur Bahnhof Nordseite, wo eine bunte Mischung aus Fanclublern., Forumsnasen und Bloggern schon wartete. Händegeschüttel, Happy Birthday, Prost. Das letzte Mal, als die Eintracht an meinem Geburtstag kickte, war Anno 2003. Damals gab’s ein 0:1 gegen Dortmund, heuer war also ein Sieg fällig.

Die Fahrt verlief entspannt, wobei es nicht ganz einfach ist, aus einem Kanister während der Fahrt in ein Becherchen zu gießen, ein schwarz-weißer Schal flatterte im Fahrtwind, die Sonne blinzelte auf die A67 und während wir noch siegesgewiss fachsimpelten, glitten wir schon über die Einfahrtsstraße nach Mannheim. Schon eine Woche zuvor hatte es hier ja den Probelauf gegeben – als unsere U23 Buben hier gegen Waldhof antraten – und mit 1:2 verloren. Mannhaft hatten sie sich gegen die Niederlage gestemmt, allein, es sollte nicht sein.

War der Parkplatz während des Waldhof-Spiels noch kostenlos, so mussten wir nun 4 Euros berappen, was nach einigem Gesuche und Gekruschpel auch gelang. Und so stellten wir die Kiste ab, öffneten den Kofferraum, wo unser Fahrer Doctore Hammer noch einige kulinarische Schmankerln in Petto hatte und wir schmausten und schwatzten, dass der liebe Gott einen Gefallen an uns gehabt hätte. Die Zeit verging wie im Flug, jede Menge Eintrachtler defilierten an uns vorbei, etliche bekannte Gesichter blieben stehen, es wäre ein Ding der Unmöglichkeit, sie alle aufzuzählen– und da der Gründel Heinz mir im Forum öffentlich gratuliert hatte, so wussten natürlich einige davon, dass ich heute gealtert bin und gratulierten herzlich, sehr nett anzuschauen war dabei das Eintracht-Küchelchen von Kallewirsch incl. brennendem Kerzlein. Alle naslang bimmelte mein Handy oder wurde mir eine Hand entgegen gestreckt. Von daher auch nochmal an dieser Stelle an alle ein Vielen Dank für die Glückwünsche.

Plötzlich kam Aleks Vasovski an uns vorüber, erblickte mich, gab High Five und meinte salopp: Alles Gute, Beve, du Lump. Heute rocken wir hier schwer einen, oder?

Naja ich gebs zu, so war es nicht. Aber er kam wirklich vorbei; ich erblickte ihn, rief seinen Namen und schickte ein Alles Gute hinterher, er stockte kurz, lächelte - und marschierte weiter.

Aus allen Ecken strömten Eintrachtler Richtung Stadion, es gab phasenweise leichte Verwirrung ob des zu begehenden Weges – da viele von uns ja keine Karten für den Gästeblock besaßen, trennten sich einige Wege. Von der Straße ertönte Blaulicht, scheinbar war der Mob aus Frankfurt im Anmarsch, was mich auch nicht sonderlich interessierte, überall ein Guude, ein Morsche und im Großen und Ganzen war’s ein eher lässiger Anmarsch, bei dem ich so ganz nebenbei erfuhr, was es mit den Katten auf sich hat.

Lässig war auch die Eingangskontrolle, meine Karte wollte niemand sehen, angefasst wurde ich auch nicht und so lungerten wir noch ein Weilchen vor den Aufgängen zu den Blöcken herum, tranken ein Schöppchen und schoben uns dann auf unsere Plätze in diesem Fußballstadion, dass noch ein Fußballstadion ist. Etwas dämlich war nur, dass ich noch mal nachguckte, wo denn Block 21 sei – bis ich feststellte, dass ich zu Block 19 musste. Die 21 war der Eintrittspreis. Prost Herr Beverungen. Kaum stand ich, ging’s auch schon los. Nicht nur die Gästekurve war fest in unserer Hand, auch der gegenüberliegende Block war komplett mit Frankfurtern gefüllt und auch zwischendrin hockten etliche Adler. Aus den Boxen röchelte gefühlte zwanzig Mal der White Stripes Song seven nation army, die Blauen unten flitzten um die Wette und die Eintracht begann wie immer defensiv, die Hauptrolle im Mittelfeld übernahm traditionsgemäß ein großes Loch. Linker Hand parkte der Eintracht Bus, rechts im Eck stapelten sich überdimensionale aufblasbare Reklame-Bierkästen und Amanatidis hockte auf der Bank.

Kurve und der Gegenüberliegende Block hatten mittlerweile komplett die Kontrolle im Stadion übernommen, und wir versuchten so gut es ging, unsere Jungs nach vorne zu peitschen. Nikolov hielt wie ein Großer, und so stand’s zur Halbzeit Nullnull. Auf meinem Weg nach draußen traf ich Rudi, der gleichfalls Geburtstag hatte – und musste erfahren, dass Marc von einem Polizeihund attackiert und gebissen wurde, und kaum hörte ich’s, sah ich ihn auch schon mit badagiertem Arm. Arme Socke und gute Besserung, Fußball ohne Leiden gibt's nicht. APDAB*

Als ich noch am Büdchen anstand, ließen mich die Geräusche im Inneren erahnen, dass etwas unschönes passiert sein musste – und so war es auch, die Eintracht hatte einen Treffer kassiert, was die Sangeslust in unserem Bereich leider merklich trübte. Dennoch spycherte sich unser Schweizer in der 66. Minute irgendwie durch, wuppte das Bällchen in den Strafraum und Steinhöfer traf zum Ausgleich. Dies muss unseren Trainer gewurmt haben, denn er wechselte ihn aus, und prompt gelang es unseren Helden, nur wenig später den zweiten Treffer zu kassieren, was so manchen in Mannheim veranlasste, lautstark über einen Trainerwechsel nachzudenken.

Die Eintracht wehrte sich noch ein bisschen, aber das 1:2 aus unserer Sicht hatte auch nach 90 Minuten Bestand, und so schlichen wir mit hängenden Köpfen aus dem Stadion. Zumindest die meisten, nur zwei Mädels hatten Glück. Sie konnten nämlich das Trikot von Amanatidis ergattern, der gleichermaßen enttäuscht an den Zaun kam und zudem noch einen Ball zu den Fans kickte.

Dass das Ergebnis innerhalb kürzester Zeit in meiner Wahrnehmung zweitrangig werden sollte, wusste ich zu dem Zeitpunkt noch nicht, denn kurz nach Verlassen des Blockes traf ich Roland und er konfrontierte mich mit der traurigen Nachricht, dass sich Steffen, Museumsmitarbeiter, Allesfahrer und U23 Stadionzeitungsmacher am Vorabend bei einem Autounfall schwer verletzt hatte. Es war wohl das erste Spiel seit Jahren, dass Steffen deshalb nicht sehen konnte und von daher meine flehentliche Bitte, dass er bald wieder auf die Beine kommt. Wir brauchen dich.

Bedröppelt marschierte ich dann in Richtung der Parkplätze und traf unterwegs auf meine Mitfahrer. Da es an der Kreuzung weiter vorne grade zu Rennereien kam, die einen hatten weiße Helme auf, die anderen nicht, blieben wir noch ein Weilchen außerhalb des Spielfeldes bis sich die Lage beruhigt hatte und wir seelenruhig zum Auto marschierten. Dort gab’s noch die ein oder andere Diskussion und es war bald klar, dass niemand großartig traurig wäre, wenn Eintracht Frankfurt einen Trainerwechsel publik machen würde. Allerdings wollte auch niemand in der Haut unseres Vorsitzenden stecken, denn auch wir hatten niemanden im Gepäck, dem wir die Lösung der hiesigen Probleme adäquat zutrauen würden. Schwierig, das Ganze.

Zurück ging’s flott über die Autobahn und ich saß zum ersten Mal in einem Auto, in welchem du mittels einer Kamera den Bereich hinter deinem Auto auf einem Monitor angucken kannst. Was es nicht alles gibt.

Als die ersten schon in der Klapper beim Schoppen hockten, passierten wir Pfungstadt und nur wenig später lief auch der gebeutelte Rest dort ein, schwatzte über dies und jenes und nicht uninteressant war die Ansicht über unser Kurvenverhaltens aus verschiedenen Blickwinkeln. RedZone, der im Stehblock das Spiel verfolgt hatte, schwärmte von unserem Auftritt, ich jedoch, der am anderen Ende der Kurve stand, mäkelte an der lustlosen Haltung etlicher Fans während des Rückstandes um mich herum herum. Alles eine Frage des Standpunktes. Auch der Standpunkt.

Später kam dann doch noch Pia, die verzweifelt versucht hatte, mich anzurufen – während mein Handy in der Gastwirtschaft mangels Empfang stumm wie ein Goldfisch in der Kugel blieb. Aber dies ist eine andere Geschichte.

So ging dann peu a peu ein Tag vorbei, an dem ne ganze Menge passiert ist, Marcs Wunden wahrscheinlich schneller heilen als Steffens und vor allem die Erkenntnis bleibt: Es gibt wichtigeres als Fußball.





*APDAB - All PoliceDogs Are Bastards


2 Kommentare:

  1. Es gibt Wichtigeres als Fußball.

    So ist es.

    Mensch Steffen, komm´ bloß wieder auf die Beine!

    Rüdiger

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  2. ja, das ist das was bleibt.

    viele grüße

    beve

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