
Sekunden später wachte ich auf. Pia war schon draußen gewesen, während ich den finalen Akt der Musikproduktion vollzog und die gesammelten Files auf CD brannte. Dortmund, wir kommen.

Eine illustre Runde machte sich auf den Weg nach Dortmund, an einem grauen Sonntag gegen 10:30 Uhr. Der letzte Sieg beim BVB lag 19 Jahre zurück; es gab finstere 1:6 Klatschen, einen schubsenden Trainer oder dämliche Pokalniederlagen; gefühlter Höhepunkt der letzten Jahre war ein fulminanter Treffer Du-Ri Chas der zu einem Remis gereicht hatte - ansonsten hängende Köpfe. Sechs Siege seit 1963 - das war's.
Schwarz-weißer Schnee türmte sich am Rand der Autobahn, Schmelzwasser spritzte an die Scheibe und weite Teile des Landes lagen unter einer weißen Schneedecke, von Zeit zu Zeit sahen wir in der Ferne Wanderer auf den Feldern, erinnernd an Brueghels Jäger im Schnee.

Ein Auspuff lag am Straßenrand und erzählte schweigend eine Geschichte, schwarz-gelbe Windanzeiger schlafften an der Seite während wir stoisch Meile um Meile abspulten und frohgemut mit den Crackers um die Wette sangen: Mama, schick mir noch Taschengeld. Der Himmel riss auf, die Sonne brach durch und seit gefühlten Ewigkeiten glitt ein Hauch von Frühling durch die Zeit - bis es kurz vor Dortmund wieder grau wurde. Talk about the weather.
Dortmund. Wir gondelten die Ruhrallee hinab, hielten uns links und parkten in einem Wohngebiet nahe des Bahndamms. Da unsere liebgewonnene Kneipe Big Boss am Borsigplatz das Zeitliche gesegnet hatte, mussten wir uns einen neuen Unterschlupf suchen und so spazierten wir durch das Wohnviertel, ausweichend der Hundescheiße und trugen stolz unsere Eintrachtmützen auf dem Kopf; Pia weiß, ich schwarz: Hurra, hurra, die Frankfurter sind da.

Obgleich die Küche schon geschlossen hatte, gab es für uns die Speisekarte von der freundlichen Bedienung, während uns die übrigen Gäste - Männer, alleinstehend, traumlos - etwas irritiert anblickten, es wird wohl nicht oft vorkommen, dass Gästefans an einem Bundesligaspieltag hier einfallen; wir aber bestellten ein Pilsken und freuten uns, dass wir rauchen durften.
Wenig später kam unser Essen - und ich war begeistert: Futtern wie bei Muttern; Rouladen feat. Kartoffeln, Rotkohl und einer Soße wie es in Gottes großem Rezeptbuch steht. Glücklich schaufelte ich mein Glück in mich hinein und auch Pia war durchaus angetan vom Dortmunder Sonntagmittag in einem Wirtshaus der unprätentiösen Art. Heimlich zückte sie den Fotoapparat und hielt einige still lebenden Momente für die Ewigkeit fest, darunter einen aus einem Baumstamm geschnitzten Hasen.

Wir zahlten, wurden mit viel Spaß im Stadion bewünscht und machten uns auf den Weg eben dort hin. Unterwegs sprach uns ein nächster älterer Herr an, was wir denn mit Altintop wollten, dieser sei ja wohl ein Altinflop und überhaupt, Funkel die Flöte, der reißt ja auch bei der Hertha nichts. Er selbst sei ja Bochumer, und erinnere sich noch gut an das letzte Spiel der Eintracht dort, als Pröll sich wütend das Trikot zerrissen hatte. Naja, Funkel war uns wurscht, Altintop bliebe abzuwarten. Immerhin wollte der Bochumer uns heute Abend die Daumen drücken, das war ja schon mal was.
Dortmunder waren gleichfalls unterwegs, viele davon besuchten auf dem Messegelände die Messe Jagd und Hund, eingepackt in ein wärmendes grünes Wams kamen uns jede Menge mit Tüten und Päckchen bepackt aus der Halle entgegen. Nebenan warteten die ersten auf den bevorstehenden Rammstein-Auftritt in der Westfalenhalle: wer am hiesigen Sonntag als Jäger auf Rammstein stand und zudem Stadiongänger ist, der hatte volles Programm.

Das Museum ist weiträumig und in einzelne offene Parzellen gegliedert. Die Ausstellung beginnt mit einem Nachbau der historischen Gründungs-Gaststätte und führt über die ersten Jahre hin zur

Ein weiter Skandal schloss sich unmittelbar an. Gedankenverloren betrachtete ich eine Vitrine als ich einen Klapps auf dem Hintern verspürte. Als ich mich umdrehte erkannte ich wider Erwarten nicht Pia, sondern ... Emma.
Emma ist das Dortmunder Plüschmaskottchen, benannt nach Lothar Emmerich und stellt die Biene Maja da. Sieht kreuzdämlich aus und befand sich auf dem Weg zum Spiel. Und haute mir mirnichtsdirnichts auf den Hintern. Ich war zu verdattert, um zu reagieren und gab den Fall weiter an unsere Adler - mit der Bitte um Rache.

Lasst mal stecken. Witzig waren die Kickertische; während so ziemlich jeder Kicker mit dem klassischen 2-5-3 agiert, konnte man hier auch mit einem 5-4-1 oder 4-4-2 spielen. Pfiffig.
Vielleicht schreibe ich die Tage noch mal einen ausführlichen Bericht über das Borusseum, in dem man sich schon die Zeit vor dem Spiel vertreiben kann; jetzt aber betrachteten wir aus einem Fenster den Einmarsch der Frankfurter Zugfahrer und verließen die Historie, um uns der Gegenwart zu widmen.
Vor unserem Eingang trafen wir auf Max und Dominik sowie einige andere Ultras und unterhielten uns über den letzten SAW, die Aktionen in Nürnberg: Gut: Mütze. Schlecht: Böller, während Kroni und Celi, Ben und ZoLo zu uns stießen. Ruckzuck näherte sich der Anpfiff und wir schoben uns durch die unspektakuläre Eingangskontrolle. Mit Entsetzen sahen wir, dass sich Menschentrauben um den Eingang 61 scharten; der Block schien voll. Wir quetschten uns dennoch hinein - wurden zunächst durch die Massen hin und her geschubst, trafen Daniel um uns dann nach links oben zu verkrümeln. Prompt trafen wir auf Suse und Mülli sowie propain, der den sonst mitreisenden Arne ersetzt hatte. Auch Donna hatte sich in die Ecke verzogen. Die Sicht war gut, die Hütte ziemlich voll und Emma wackelte über das Spielfeld, als wäre nichts geschehen. Auf dem Platz, der arg ramponiert aussah, schwenkten Hundertschaften Fahnen; aus den Boxen blubberte das unvermeidliche you'll never walk alone, die überschätzteste Kurve der Welt, die gelbe Wand, war auch da und dann ging's los: Die Eintracht ganz in Rot, wobei das Rot der Hosen nicht exakt zum Rot der Trikots passte. Dankenswerter Weise hatte Trainer Skibbe nicht an der Aufstellung des letzten Wochenendes festgehalten. Franz war nach Innen gerückt, Chris auf die Sechs, Jungs nach rechts hinten und Liberopoulos auf die Bank.

Köhler hatte die erneute Eintrachtführung auf dem Fuß, Ziegler konnte noch so eben klären, doch nur Sekunden später lag der Ball eigentlich schon im Tor, Altintop hatte alles richtig gemacht, Ziegler war geschlagen und urpötzlich erstarb der Torschrei auf den Lippen; artistisch hatte Hummels einen Ball, der ins Tor gehen musste, noch auf der Line rutschend erwischt.
Kurz danach segelte Altintop durch die Luft, doch leider auch der Ball am Tor vorbei. Nikolov musste dann noch einmal gegen Barrios klären - und so ging es nach einem klasse Spiel mit dem 1:1 in die Pause. Höhepunkt des Dortmunder Support war ein Banner gegen Stadionverbote, ansonsten war die steile Südkurve wie immer schön anzusehen - aber leise.
In der zweiten Hälfte sorgte zunächst der zweite Dortmunder Treffer für Frust. Spycher konnte den Ball nicht gescheit klären, die folgende Flanke von Zidan wurde von Nikolov unterschätzt und im Rücken von Sebastian Jung konnte Barrios einhämmern. Doch wer gedacht hatte die Partie sei gelaufen, der wurde fortan von einer starken Eintracht eines Besseren belehrt. Ochs machte Dampf auf Rechts, Altintop wuselte in der Mitte und Franz trieb die Jungs an, Nikolov rettete gegen Valdez und Chris wurde von jenem Valdez dermaßen rüde gelegt, dass nach Schwegler (Nürnberg) und Korkmaz (Köln) der dritte verletzungsbedingte Ausfall nach einem üblen Foul zu befürchten war. Wieder erhielt der Übeltäter nur Gelb, Chris aber konnte Gott sei Dank weiter machen.

Wie geil.
Franz hüpfte vor Freude wie Rumpelstilzchen auf dem Acker herum und wir skandierten Auswärtssieg - nicht als Wunsch, sondern als Gewissheit.
Wie geil.

Auf dem Rückweg warteten lange Schlangen auf den Einlass zu Rammstein, wir verschenkten ein paar Blättchen an ein paar Dortmunder denen zunächst gar nicht auffiel, dass wir Frankfurter sind und marschierten gut gelaunt Richtung Auto. An der U-Bahnstation enterten die Frankfurter den Eingang, ein paar Dortmunder pöbelten von Oben herunter und einer davon war gerade dabei seinen Schniedel auszupacken, als ihm Pia zurief: Lass mal stecken. Der Rudeboy gehorchte aufs Wort.

Frankfurt hatte uns gegen Elf wieder. Zu allem Überschwang hatte ich im Tippspiel des Blog-G das erste Mal den Tagessieg errungen. Ein geiler Tag. Pia konnte sich gar nicht mehr einkriegen, im DSF lief die Zusammenfassung des Spiels und sie hüpfte durch die Wohnung: Wie geil.
Genau das war es.

Fotos: Pia und Beve