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Mittwoch, 3. März 2010

Tradition zum Anfassen: Fanszene der Neunziger im Museum


Tatort: Museum der Frankfurter Eintracht
Veranstalter: Museum und FuFa
Thema: Tradition zum Anfassen: Kurvendiskussion - Die Fans der Neunziger Jahre

Nachdem wir im vergangenen Jahr die Fanszene der achtziger Jahre beleuchtet hatten, den verlorenen Kampf um ein Fanhaus, Heysel und die Folgen, erste Fanzeitungen, widmeten wir uns nun der Fanszene der Neunziger. Eingeladen waren der Allesfahrer und langjährige Fansprecher Andreas "Pferd" Hornung, der damalige Leiter des Fanprojektes Dr. Fedor Weiser, die damals aktiven Ultras Sascha Heibel und Kai Kauermann sowie Andreas Klünder, dem die Eintracht so schöne Sachen wie die Traditionstrikots anlässlich des 100jährigen Bestehens oder eine eigene Internetseite zu verdanken hat. Die Veranstaltung stieß auf großes Interesse, so waren nicht nur etliche Aktivisten aus der damaligen Zeit erschienen, sondern auch junge Leute, die damals gerade das Licht der Welt erblickten und natürlich Kurt E. Schmitt, unser erster Ultra - Anno 1959. Sogar Axel Hellmannn, damals Fan wie wir, heute Vizepräsident des Vereins, wohnte der Veranstaltung bei.

1990 - 1999 das sind zehn Jahre voller Höhen und Tiefen; Jahre voller Emotionen, die für viele bis heute unvergessen sind. Über Fußball 2000 nach Rostock zu Heynckes direkt in die zweite Liga und über Ehrmantraut zum Klassiker gegen Kaiserslautern, als Fjörtofts 5:1 in letzter Sekunde den Klassenerhalt 1999 bescherte - natürlich konnten nicht alle Erlebnisse an einem einzigen Abend erzählt und beleuchtet werden - aber unsere Gäste lieferten einen schönen Überblick über eine Dekade, die noch ohne Handy und Internet begonnen hatte und mit der Angst vor Systemabstürzen anlässlich der Jahreszahl 2000 endete.

Das erste Pflichtspiel der Neunziger bestritt die Eintracht am 24.02.1990 gegen den VfB Stuttgart - und sie siegte mit 5:1; das letzte Pflichtspiel brachte am 18.12.1999 ein 0:3 beim SSV Ulm. Bei beiden Spielen hieß der Trainer Jörg Berger, der jedoch nach dem Spiel in Ulm entlassen wurde, wie zuvor schon im April 1991, als die Eintracht im Waldstadion gegen den HSV mit 0:6 unterlag.

Die Fanszene der Eintracht war zu Beginn des Jahrzehnts überschaubar; Fanclubs und Fanprojekt boten die organisatorische Plattformen und die Ende 1991 gegründete und bis heute existierende Fanzeitung Fan geht vor diente als Sprachrohr. Noch dachte niemand an Logen oder Arenen; die Heimat der altgedienten SGE Fans war der G-Block, in den Blöcken daneben verloren sich die anderen Anhänger auf den Stehplätzen oder auf der Gegentribüne. Die Haupttribüne war schon damals von VIPs besetzt. Die Zahl der Auswärtsfahrer schwankte erheblich - mal waren von Pferd handgezählte 23 Fans in Bremen, mal weit über 10.000 in Rostock. Auch die Zuschauerzahlen bei Heimspielen waren höchst unterschiedlich, ausverkauft waren stets die Spiele gegen die Bayern, ansonsten konnte man ohne Schwierigkeiten Eintrittskarten an der Tageskasse erstehen, um Stein, Bein, Falke oder Yeboah zaubern zu sehen. Man trug Kutte oder Trikot; das Merchandising wurde seitens der Eintracht sträflich vernachlässigt - allein im noch heute existierenden Fanshop in der Bethmannstraße konnten sich die Fans mit Eintrachtutensilien eindecken.

Das Fanprojekt organisierte von Zeit zu Zeit Fußballspiele und Treffen zwischen den Fans der jeweiligen Gegner - überhaupt bestimmten Fanfreundschaften das Bild. So kam es zu vielen Treffen zwischen Frankfurter und Duisburger Anhängern - aber auch mit Fans von Dynamo Dresden oder Hansa Rostock - wir erinnern uns: Die Wiedervereinigung steckte noch in den Kinderschuhen; bis vor wenigen Wochen war die DDR für uns noch Ausland gewesen. Auch Bildungsurlaube wurden vom Fanprojekt organisiert.

Fedor betonte, dass die Fanszene zu Beginn der Neunziger von einzelnen Köpfen gelebt hatte - Anjo Scheel, Pferd, Axel Gonther, Rainer Kaufmann, Thommy Kummetat um einzelne Aktivisten zu nennen. Die Adlerfront hatte den ganz großen Reiz verloren - obwohl noch immer im Stadion präsent - Fanpolitik wurde vorwiegend in Gremien gemacht, Fanvertreterversammlungen oder der Fanbeirat als wesentliche Institutionen. Eine dynamische Fanszene wie wir sie heute kennen gab es nicht, die Stimmung mit der Situation nach dem ersten Abstieg 1996 nicht vergleichbar.

Die ersten Fahnenpässe wurden eingeführt, nachdem große Fahnenstöcke zwischenzeitlich sogar verboten waren. Mit Reiner Schäfer, Geschäftsführer der Eintracht zu Beginn der 90er, hatten die aktiven Fans einen verständigen Ansprechpartner.

Während heute vielfältige Informationen jederzeit über das Internet abrufbar sind, bestand die Öffentlichkeitsarbeit mehr oder weniger aus Leserbriefen an die großen Zeitungen. Eigene Kommunikationsstrukturen funktionierten von Mund zu Mund - und erreichten natürlich nur einen Bruchteil der Fans - bis es nach dem Bockenheimer Bembel und dem Fußball-Fan-Kurier mit der Fan geht vor die in den Neunzigern dominierende Fanzeitung geben sollte.

Höhepunkte in den frühen Neunzigern waren sicherlich die Reisen nach Europa. Lodz, Moskau, Dnepropetrowsk, Ljubljana, Bukarest - erlebnisreiche Fahrten standen auf dem Programm - vor allem die Fahrt in die Ukraine blieb in nachhaltiger Erinnerung. Dnepropetrowsk, die Heimatstadt von Leonid Breschnew war ein Zentrum der Rüstungsindustrie und somit militärisches Sperrgebiet. Der Eintrachtflieger war im Zeichen von Glasnost und Perestroika die erste westliche Maschine, die dort landen durfte. Mannschaft, Journalisten und auch die Fans (genau 23 an der Zahl) - sie alle saßen im gleichen Flugzeug; Pferd hatte damals dafür gesorgt, dass auch die Fans mitfliegen durften und der erste der damals dem Flugzeug entstieg war kein Geringerer als Fanurgestein Adi Adelmann - in der Hand einen Kanister Apfelwein. Die Landung wurde live TV übertragen. Auf dem Rückflug spielten Fans und Spieler gemeinsam Karten - heute kaum vorstellbar. Als großer Vorteil erwies sich zudem, dass mit Adrian stets ein Eintrachtfan als Dolmetscher dabei gewesen ist.

In Moskau wurde über das Fanprojekt versucht, ein Treffen mit Fans zu organisieren - was daran scheiterte, dass es bei Dynamo Moskau offiziell keine Fans gab. In einer Halle kam es dann zu einem Fußballspiel zwischen Fans der Eintracht (bestehend aus Fanclubmitgliedern, Reiseveranstalter und Hools) gegen eine Moskauer Traditionsmannschaft, deren Innenverteidigung aus Altinternationalen bestand, die 1958 bei der WM gegen Pelé gespielt hatten. Nach dieser Partie (0:4) kam es zu einem Bankett. Flüssig. Die Eintracht aber sollte siegreich in Moskau bestehen. 6:0 lautete das Endresultat damals.

Für Furore sorgte die Aktion United colors of Bembeltown gegen den alltäglichen Rassismus. Initiiert von Anjo, ausgeführt von Rainer Kaufmann trug halb Frankfurt die legendären T-Shirts, die bis heute im Stadion zu sehen sind. Noch vor anderthalb Jahren ließen die Fanclubs diese Aktion erneut aufleben, sogar die Mannschaft spielte zu Beginn der Saison 2008/09 statt mit Werbeflock mit dem Slogan United Colors of Frankfurt auf der Brust. In den Neunzigern sorgte diese Aktion für großes Aufsehen, der griffige Slogan wurde gerne von den Medien aufgegriffen und die Eintrachtfans waren positiv in aller Munde. Bildlich gesprochen.

Brisant waren die Partien im Uefa-Cup gegen Galatasaray Istanbul; in Frankfurt dominierten die Fans von Galatasaray und verwandelten das Heimspiel in eine Auswärtspartie für die Eintracht. Am End brannte eine türkische Fahne im Frankfurter Block, was naturgemäß die Fans von Gala zur Weißglut brachte. In der Türkei wurden die Eintrachtler heiß empfangen, ein Auto mit einem Sarg obenauf parkte vor dem Hotel und auch die Situation im und vor dem Stadion glich einem Spießrutenlauf.

Pferd betonte, dass vor allem der Wechselgesang der Istanbuler beim Rückspiel die Eintrachtler schwer beeindruckt hatte, bislang waren solche Formen des Supports in Frankfurt gänzlich unbekannt gewesen: auch aus Lodz wurden Formen des Supports übernommen: Das Einhaken der Fans und das gesamte Hüpfen des Blocks kannten die Eintrachtfans von dort.

Wenige Monate zuvor kam es zu einem der dramatischsten aber auch traumatischsten Erlebnis in der Historie der Eintracht. Fuhr das Team und mit ihm über 10.000 Fans am letzten Spieltag als Tabellenführer nach Rostock so kehrten sie geschlagen als Dritter nach Hause zurück. Die Eintrachtler befanden sich in einem Meer der Tränen, zumal die Mannschaft noch in der Woche zuvor es nicht geschafft hatte, europapokaltrunkene Bremer im Waldstadion zu besiegen. Selbst bei einem der wichtigsten Spiele der Vereinsgeschichte war das Stadion damals nicht ausverkauft. Eine Situation, die heute undenkbar wäre.

Bis 1995 spielte die Eintracht regelmäßig international, eines der skandalösesten Spiele trug sich dabei in Wien zu, als die Eintracht dort auf Austria Salzburg traf: Es war nicht nur ein Spiel zweier Fußballmannschaften, es war ein Spiel Deutschland gegen Österreich und der Zorn der Österreicher richtete sich nicht nur gegen die Deutschen, sondern vor allem gegen Tony Yeboah, der nahezu von allen Österreichern rassistisch verhöhnt wurde. Sogar der Trainer von Salzburg, Otto Baric, fiel aus der Rolle und hatte Kachaber Zchadadse bespuckt. 2000 Frankfurter skandierten Nazis raus.

La Coruna, Napoli, Juventus - etliche Reisen brachten dolle Erinnerungen; die letzten internationalen Fahrten führten die Eintracht im UI-Cup nach Plovdiv, Vilnius und Bordeaux; ein 0:3 gegen Zidane und Co besiegelten das Ende im Wettbewerb 95/96. Zehn Jahre sollte es dauern, bis es wieder auf internationales Parkett ging.

Sechs Eintrachtler, machten sich auf nach Plovdiv, 37 waren in Vilnius dabei - Zahlen und Erlebnisse aus einer vergangenen Zeit. Letztlich waren es aber auch diese Reisen, welche die Eintrachtfans zusammen geführt haben; gemeinsame Erfahrungen von Hools und Kutten, Normalos und Fanclubmitgliedern legten den Grundstein für das, was nun folgen sollte; verbindend die Sehnsucht nach gemeinschaftlichen Erlebnissen.

Generell hatten die Eintrachtfans zur damaligen Zeit bundesweit keinen allzuguten Ruf. Wenig Stimmung, wenig Leute, kaum Kreativität, sieht man von einigen wenigen Geschichten ab; dazu das große Waldstadion, unüberdacht in den Kurven, das auch nur wenig an Stimmung zugelassen hatte.

Noch vor dem ersten Abstieg zogen die ersten Fans von der Kurve auf die Gegentribüne; zunächst vereinzelt, wurden es mit den Jahren immer mehr Fans, die unter dem Tribünendach dafür sorgten, dass es auch im Waldstadion immer lauter wurde.

Gerade die jungen Fans, die bei den älteren nur schwer Fuß fassen konnten, begannen sich in neuen Fanclubs, vorwiegend im Umland, zu organisieren. Der EFC Wiesbaden und die Bembelraver gründeten sich und wurden zunächst argwöhnisch beobachtet. Die ersten Schwenkfahnen hielten Einzug und mit ihnen zogen peu a peu die Insignien moderner Fankultur ins Waldstadion ein; Rauch und Pyro, Choreos und Support.

Binding Szene, Inferno Schwalbach, Brigade Nassau hießen neben den schon erwähnten Bembelravern und dem EFC Wiesbaden die neuen Fanclubs einer Eintracht, die ab Sommer 96 nicht mehr nach Neapel oder Moskau fuhr, sondern nach Gütersloh, Meppen und Lübeck - zu sonntäglichen Zweitliga-Partien. Dem sportlichen Niedergang folgte das erste Aufkeimen der Fanszene - und die Gründung der Ultras; der UF97.

Die alten Fanclubs standen den jungen Wilden zunächst distanziert gegenüber; Griesheim, Sossenheim, Hessen 90 fuhren zwar noch auswärts - der Jugend aber fehlte der Bezug und so begannen sie sich selbst zu organisieren. Erstaunlicherweise inspiriert von den Fans des KSC, die sich wiederum am französischen Style (Straßbourg) orientierten, wandelte sich der Begriff Stimmung zum Support.

Die Ultras waren im Grunde ein Zusammenschluss der neuen Fanclubs, deren Logistikzentrum der EFC Wiesbaden bildete. Nun fuhren etliche Busse in die Lande; über 1000 Fans wollten die Eintracht beim ersten Spiel in Lübeck begleiten. Federführend in Frankfurt war dabei Daniel Reith, dessen Wirken auch die Brücke zu den Älteren baute und der maßgeblich den Gedanken von Choreografien in die Kurve hinein trug. Zu dieser Zeit begann auch die Rivalität zu Mainz 05; einem Verein, der bis dato für die Eintrachtfans höchstens eine Rolle gespielt hatte, als dass diese selbst Spiele der Mainzer besucht hatten. Dem Nachwuchs, der Spiele gegen Offenbach nur vom Hörensagen kannte, war nun ein Gegner in unmittelbarer Nähe gegeben.

Nicht nur die Fanszene, auch die Zweite Liga gewann an Bedeutung. Neben der Eintracht war mit dem 1.FC Kaiserslautern auch ein weiteres Gründungsmitglied der Bundesliga abgestiegen; die Zuschauerzahlen schnellten in die Höhe und das Fernsehen nutzte in Form des DSF die Gelegenheit, einzelne Spiele live im TV zu zeigen. Montag abends konnten die Fans nicht nur die Eintracht sehen, sondern auch sich selbst und ihre Aktionen. Rauch und Feuerwerk, auch Choreografien wurden nun bundesweit bekannt - und zogen immer mehr Jugendliche in den Bann. Martin Stein etablierte sich als Vorsänger und gab in der Kurve den Ton vor; nicht jeder war damit einverstanden - die heutige Akzeptanz in der Kurve musste sich erkämpft werden.

Ein wesentlicher Faktor der Bewegung war der Spaßfaktor. Nicht immer wurde das Erlebnis am Ergebnis des Spiels festgemacht; ein vor allem für Ältere irritierendes Moment. Die Bewegungsfreiheit war zu diesem Zeitpunkt für alle gegeben; vom Schwimmbad- bis zum Biergartenbesuch wurden vielfältige Möglichkeiten der Freizeitgestaltung im Rahmen von Fußballspielen genutzt.

Die Ultrabewegung der Eintracht war eine Jugendbewegung mit Kern im Umland, die sich zunächst eher unpolitisch sah. Die großen Veränderungen auch im Bereich der Sicherheit, die im Wesentlichen in der WM 2006 manifestierten, lagen noch in einiger Entfernung; noch war Fußball oldschool - das Manifest der Ultras des AS Rom aber spielte in Frankfurt keine tragende Rolle. Dennoch erhielt die Gruppierung der Ultras zunächst nicht die Zulassung als Fanclub. Über diverse Umwege und Fanclubgründungen erhielten die Ultras dann doch noch vergünstigte Dauerkarten. Kai betonte, dass es ihn mit Stolz erfüllt, wenn er nun die Eintrachtkurve mit ihren Fahnen und Doppelhaltern, mit Choreos und den großen Schwenkfahnen sieht - und er daran denkt, wie klein alles angefangen hat; nicht zuletzt durch Leute wie ihn.

Brachte Rostock 1992 uns das Leiden bei, so lehrte uns der Abstieg, dass in der Not eine Kraft liegt, welche Neues gebären kann. Und wenn die Gegenwart trostlos daher kommt, besinnt man sich der Tradition, der Vergangenheit. Hatte sich bei den Verantwortlichen der Eintracht jahrelang niemand um das historische Erbe gekümmert, so brachten die Bemühungen von Leuten wie Andy Klünder oder Matthias Scheurer nicht nur die Gründungsurkunde ans Tageslicht, woraufhin das offizielle Gründungsdatum vom 1. Mai 1899 zum 8. März 1899 geändert wurde. Im Rahmen der Vorbereitungen zum 100jährigen Jubiläum fand Thomas Bauer den Wimpel zur Deutschen Meisterschaft eingestaubt nach längerer Suche in einem verbautem Schrank am Riederwald. Nicht nur bei Andy Klünder hing dieser Wimpel einige Zeit zuhause. Nun hat er seinen Platz im Museum.

Andy Klünder und Matthias Scheurer kümmerten sich nicht nur mit anderen um das Eintracht-Archiv, sondern schenkten der Eintracht auch mit Dirk Chung eine Homepage und das erste Forum. Als sich erste Erfolge einstellten und das Internet immer mehr an Bedeutung gewann, wurden mit dem Einstieg von Octagon die drei jedoch von Seiten der Eintracht ins Abseits manöveriert. Zuvor wollten die Fans aber auch bei der Eintracht Kontakte knüpfen und ihre Interessen formulieren - die Anfänge der Fan- und Förderabteilung, welche sich dann 2000 gründete, sind in dieser Zeit begründet. Als sich die Fans in den Verein begaben, verabschiedete sich der Profifußball von jenem - dies aber sind Themen der nächsten Kurvendiskussion, wenn es um die Jahre 2000 bis 2010 gehen wird.

Das Team belohnte die Fans mit dem Aufstieg 1998. Legendär wurde die erste Bundesligasaison nach dem Wiederaufstieg, als über 60.000 Zuschauer Zeuge wurden, wie Jan Aage Fjörtoft mit seinem Übersteiger der Eintracht sensationell den Klassenerhalt sicherte. Ein halbes Jahr später zierte die Eintracht abgeschlagen das Tabellenende. Für Salou, Guie-Mien, Heldt, Bulut oder Kracht wurden Millionen ausgegeben und nach der Ehrmantrautschen Bescheidenheit auf dem Gartenstuhl wurde auch dank der ISPR-Millionen wieder geklotzt und nicht gekleckert; Retter Jörg Berger wurde im Anschluss an das letzte Spiel in Ulm gefeuert und durch Felix Magath ersetzt; die Eintracht aber, deren Zukunft noch im Sommer rosig ausgesehen hatte, stand an der Schwelle zu einem neuen Jahrtausend wieder einmal am Abgrund.

Es war wie immer, die sportliche Bilanz konnte mit den Ausgaben nicht mit halten; aber eines konnte die Eintracht nun aufweisen: eine Fanszene die ihresgleichen suchte. Innerhalb weniger Jahre war aus einem mehr oder minder belächelten Haufen in Zeiten von Fußball 2000 eine der angesagtesten Szenen der Liga geworden. Und das, obwohl sich die Eintracht sportlich so desaströs zeigte, wie selten zuvor. Legendäre und typische Momente lieferte die Eintracht anlässlich des vermeintlich ausverkauften Uefa-Cup-Spiels gegen Neapel, als eine ganze Menge Eintrittskarten nach dem Spiel am Riederwald gefunden wurden oder das erste Heimspiel der Zweiten Liga gegen den FSV Zwickau, als die Eintracht nicht genügend Eintrittskarten gedruckt hatte und es zu leichten Tumulten an den Kassen kam.

So waren sie, die Neunziger - und so waren sie auch doch nicht. Jeder hat seine eigene Sichtweise auf die Zeit und es ist unmöglich jeden Sachverhalt im Detail zu durchdringen. Eines aber ist klar; die Fanszene der Eintracht hatte sich in zehn Jahren unglaublich gewandelt; wie sich auch die Inszenierung des Fußballs gewandelt hat. Wie schon angedeutet, richtete sich vieles auf die WM 2006 aus - und mit dem Aufkommen einer neuen Fankultur ging die Schwierigkeit seitens der Vereine, die immer mehr zu Unternehmen wurden, damit zu Recht zu kommen, Hand in Hand. Aber auch der DFB und die Polizei reagierten zunehmend repressiv - aus dem Fan wurde ein Sicherheitsrisiko. Dies aber wird wie so manch anderes Thema der nächsten Veranstaltung zur Fanszene sein. Die Kurvendiskussion geht weiter. Ganz sicher.


Um sich auch über Spiele und Tore der Eintracht in der damaligen Zeit einen Überblick zu verschaffen, empfehle ich euch: klickt euch durch Franks Eintracht-Archiv - das wir sicherlich auch in der nächsten Kurvendiskussion beleuchten werden.

Mittwoch, 24. Februar 2010

Kurvendiskussion Teil II. Die 1990er im Museum


Fans sind seit jeher ein zentraler Bestandteil des Fußballs. Die Leidenschaft, mit der Fußballfans ihren Verein begleiten, macht einen großen Teil der Faszination des Fußballs aus. Fankultur ist ein Teil der Vereinskultur und Fangeschichte ein Teil der Vereinsgeschichte.

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe Tradition zum Anfassen, wollen wir den Wandel der Fanszene vom G-Block über die Gegengerade zur heutigen Nordwestkurve nachzeichnen. Im zweiten Teil der Kurvendiskussion nehmen wir die 90er Jahre in den Blick, weitere Abende werden folgen.

Anfang der 90er Jahre verzaubert die Eintracht ihre Fans mit dem Fußball 2000, doch trotz der großartigen Auftritte gelingt es dem Verein nicht, eine zweite Deutsche Meisterschaft an den Main zu holen. Aber die Reisen zu internationalen Spielen quer durch Europa sind unvergessliche Erlebnisse, von denen viele heute noch schwärmen.

Mitte der 90er Jahre wird die Eintracht sportlich schwächer, 1996 steigt die Mannschaft erstmals aus der Bundesliga ab. Was für den Verein eine sportliche Katastrophe ist, gestaltet sich für die Fanszene als Wendepunkt. Verein, Mannschaft und Fans rücken eng zusammen, und mit kreativem Einsatz geben die Anhänger dem Verein neuen Glanz. Die Zeit des sportlichen Misserfolgs ist auch die Zeit, in der große Ideen geboren werden. Die Ultras gründen sich als übergreifende Fangruppe, Fans initiieren die erste Homepage des Vereins und auch die Geschichte der Adlerträger wird von den Anhängern erstmals genauer erforscht.

Im 10. Teil der Veranstaltungsreihe Tradition zum Anfassen blicken wir auf diese bewegenden Zeiten zurück. Im Museum begrüßen wir am Abend des 25. Februar 2010 um 19:30 Uhr Menschen, die die Eintracht in den 90er Jahren mit viel Engagement begleitet haben.

Dr. Fedor Weiser leitete in den 90er Jahren das Frankfurter Fanprojekt und steht noch heute bei Wind und Wetter im Block 38B. Andreas „Pferd“ Hornung, seit Kindheit Eintrachtfan, engagierte sich seit den 90er Jahren als Fansprecher bei der Eintracht. Andreas Klünder ist einer der kreativen Köpfe der Fanszene. Vereinsarchiv, Internetauftritt, EintrachtfansTV, diese und viele weitere Projekte gehen auf den Ideenreichtum von „Andy“ zurück. Mit Kai Kauermann und Sascha Heibel begrüßen wir auch zwei Anhänger, die die aktive Fanszene der 90er Jahre geprägt haben.

Wir freuen uns, dass darüber hinaus auch viele weitere Protagonisten der 90er Jahre ihr Kommen bereits zugesagt haben, sodass wir auf eine lebhafte Kurvendiskussion aus und mit dem Publikum hoffen dürfen.

Donnerstag, 3. Dezember 2009

Antwort auf einen Blogbeitrag von eintrachtfans.tv


Es folgt eine Antwort auf einen Blogbeitrag von Andy aka Rigobert_G, runtergerotzt ohne Anspruch auf Recht oder Applaus. Leider konnte ich aus technischen Gründen diesen Betrag nicht in Andys Blog unterbringen; so ist es also ratsam, zunächst den Blog zu wechseln, um später hierher zurück zu kehren:

Ich habe meine ganze Jugend im Verein Fußball gespielt, wie so viele Jungs. Unsere Gegner haben wir auf dem Platz geschlagen - manchmal. Haare ziehen oder Pussygehabe gab es nicht, wenn sich jemand dreimal hat fallen lassen, gab es beim vierten mal einen Grund dazu. Wir wollten Spaß - lernten aber auch Fairplay und hockten nach Turnieren in Festzelten und feierten.

Musikgeschmack hatten wir, hörten Led Zeppelin, Pink Floyd und Motörhead - manchmal aber auch nicht, dann hörten wir Abba oder Barclay James Harvest.

Als ich neun war, wurde Deutschland Weltmeister mit Grabi und Holz, dennoch war Gerd Müller ein Großer, Overath, Netzer; auch Cruyff, Neeskens oder Rensenbrink, Lato oder Tomaszewski.

Später im Waldstadion haben mir die Großen immer die Sicht genommen; identifiziert habe ich mich nie mit den Eintrachtfans. Auch nicht mit den Hertha-Fröschen oder Schalke-Knappen. Meistens stand ich mit meinem meterlangen Schal irgendwo rum und freute mich über jedes Tor - wenn ich es denn gesehen hatte. Auf die Idee, dass mir jemand meinen Schal wegnehmen könnte, wäre ich nie gekommen. Da ich Samstags stets selbst kickte, kam ich nur selten in den Genuss, vor Ort zu sein; meist hing ich am Radio und zitterte.

Die Jahre kamen und gingen, mal war ich ein ganzes Jahr bei jedem Heimspiel (85/86) mal ein ganzes Jahr gar nicht (87/88); auswärts war ich selten, mir fehlte das Geld - und die Mitfahrer. Stimmung oder Neudeutsch Support war mir völlig egal, wenn alle Eintracht gerufen haben, hab ich mitgemacht - nur manchmal habe ich mich gewundert, woher die alle wissen, wann was gesungen wird.

Richtig regelmäßig ging ich dann ins Stadion, als ich Andi (aka kreuzbuerger) kennenlernte, ab 1994 bis heute war ich nahezu bei jedem Heimspiel; aber wir waren stets unter uns - noch mit ein paar Kumpels. Die anderen, das waren die Schnösel auf der Haupttribüne oder seltsame Assis, die mit New Model Army, Blue Velvet oder Thomas Mann wahrscheinlich genau so wenig anfangen konnten, wie ich mit dem Gemotze über die eigenen Spieler oder den ausländerfeindlichen Sprüchen. Dachte ich

Immerhin konnten wir uns im und ums Stadion frei bewegen, gegnerische Fans und deren Auftreten waren uns völlig egal; wir kannten keinen Support und kein Rumgehüpfe, wir feuerten unsere Mannschaft an; na gut, bei Schupp und Mornar hörte die Lust auf. Zehn Jahre und länger musste ich aber auch mit anhören, wie Bindewald beschimpft wurde.

Das habe ich nie verstanden.

Plötzlich kickte die Eintracht in der zweiten Liga - wir waren dabei, wir haben eine Niederlage gegen Oldenburg gesehen - aber auch später einen Sieg gegen Fortuna Köln. Wir haben uns im strömenden Regen bis auf die Knochen nass regnen lassen, um ein zähes 2:2 gegen Waldhof zu sehen, sind nach Schweinfurt gefahren. Wir brauchten kein Event, kein Maskottchen, kein Kasperletheater, keine Gruppendynamik; wichtig war, dass die Eintracht gewinnt. Mainz? Hatte und hat die gleiche Bedeutung wie Meppen.

Mit dem Einzug des Privatfernsehens hielten nicht nur merkwürdige Trikots Einzug in die Stadien, auch die Fankurven standen immer mehr im Brennpunkt. Zuvor war eigentlich nur die Katastrophe in Brüssel ein Thema, ansonsten waren wir uns selbst überlassen. Kein Mensch hat dir gesagt, wie du dich wo verhalten sollst, wozu auch, wir wollten Fußball gucken, wollten die Eintracht sehen.

Hooligans waren eine völlig andere Welt, wir hatten keine Berührung, wir brauchten sie auch nicht, genauso wenig wie die Berührung mit den Vip-Räumen.

Sportschau, Rundschau, Kicker - daraus wussten wir, was sich bei der Eintracht über das Spiel hinaus zutrug, die Finanzen, die Spielerwechsel. Bücher gab es wenig; Neumann, Scherzer; später dann der erste Matheja - Großartig, wir lernten Spielernamen aus längst vergangenen Zeiten kennen; Pfaff und Kress und Loy.

Großen Respekt hatten wir vor Dietrich Weise, kein Mensch wäre auf die Idee gekommen, Weise raus zu brüllen.

Über das Internet stellte ich zu Beginn des Jahrtausend fest, dass es noch andere Verrückte gibt; einen Stefan Minden, einen Frank Gotta, einen Andy Klünder um nur ein paar zu nennen - von da an begann eine andere Zeit; ich identifizierte mich mit der Fanszene, wurde Teil von ihr. Ich wurde Stadionsprecher bei den Amas, lernte immer mehr Leute kennen, Präsidenten und Abteilungsleiter, Spieler und ganz andere Fans, die im Hintergrund blieben, aber immer da waren; Kurt Schmidt oder Roland Gerlach oder Jürgen Gerhardt. Plötzlich kannte ich Armin Kraaz, Klaus Lötzbeier, Bernd Hölzenbein; wir machten Eintrachfans TV, stiegen auf und ab - und eines Tages war das Waldstadion weg. Ich habe mich bis heute nicht mit der neuen Arena angefreundet.

Fankurven sind Teil des Geschäfts geworden und mit der Inszenierung von Support und Choreos werden genau die Elemente des Eventfußballs bedient, die nur durch die Medienpräsenz bestand haben. Das Fußballspiel mutierte auf der einen Seite zur Grundlage inszenierter Reklame fußballfremder Firmen - aber auch die Kurve wand sich ab vom Spiel. Statt die Mechanismen des Kapitalfußballs zu torpedieren, sich den Bildern zu verweigern, behauptet man, gegen den modernen Fußball zu sein - interessiert sich aber nicht für das Spiel - sondern für die eigene Stimmung. Wussten wir früher, weshalb Möller oder Heynckes, Ritschel, Kahn, Weise oder Gelsdorf beschimpft wurden, so ist der Grund weggefallen. Das war bei Thurk so und auch nun bei Funkel.

Das ist Partyfußball, es ist egal, ob die Eintracht gewinnt oder verliert, Hauptsache, es passiert irgend etwas, was nachher auf youtube zu sehen ist. Anfeuern zum Zweck die Mannschaft zu unterstützen? In seltenen Fällen kann man es erleben, ansonsten wird gehüpft und geträllert - egal was gerade passiert. Ritualisierte Abläufe; immergleich und kaum noch auseinander zu halten. Spontan? Anarchisch? Witzig? Hintergründig?

Die Funkel Raus Rufe in Berlin, die ich auch nur im TV mitbekommen habe, weil ich derzeit weder auf Kommerzfußball noch auf Ballermanneske Massenparty stehe (aufstehen, setzen, hüpfen, links um, rechts rum blablabla), sind so dämlich wie nur was. Sie basieren auf keinem Hintergrund, stützen nicht das eigene Team, schütten auch keine Häme über den Gegner. Sie sind dumpf und respektlos gegenüber einem Mann, der die Eintracht über Jahre etabliert hat. Es ist die Lust an der eigenen Berauschung, der der Gegenstand egal ist. Für was stehen diese Rufe? Für Kritik am modernen Fußball? Für "unterstützen des eigenen Teams"? Sie stehen für meinen Geschmack für Blödheit. Gleiche Qualität wie Junggesellenabschied in Sachsenhausen. Einfach nur Scheiße. Unkorrekt ist in Ordnung, wenn eine Substanz dahinter steckt; Heynckes, Jones, Möller.

Sieht so das Auflehnen gegen den modernen Fußball aus? Nein, die Eintracht soll gefälligst den Fußball zaubern, wie einst Grabi, Nickel, Holz oder später Bein, Stein, Falke und Yeboah. Und wenn dies nicht mehr der Fall ist, dann wird halt kollektiv ein Sündenbock gesucht, in dem Fall Funkel und ein Erlöser dazu, im letzten Jahr Caio, heuer Skibbe. Man muss uns nur irgendwas erzählen und schon singen wir und hüpfen dazu weil das ja so originell ist. Genauso wenig, wie man mittlerweile die Arenen unterscheiden kannst, kann man heute die Fankurven auseinander halten.

Dass ein Grabi, ein Holz, ein Yeboah oder ein Bein nicht zu bezahlen ist, wird weitestgehend ignoriert. Dann muss halt investiert werden ... lautet der Tenor. Dass dies aber noch mehr Plüschmaskottchen, Flackerwerbung, Logen und Sicherheitsmaßnahmen beinhaltet, fällt bei solchen Forderungen unter den Tisch. Funkel Raus. Darauf kann man sich einigen; dann braucht es auch keinen Ansatz, sich zu überlegen, wie denn die nackte Realität aussieht.

Gegen die Verhältnisse, die den Kommerzfußball etabliert haben, wird nicht protestiert. Fußball soll Spaß machen, uns ablenken von den Schweinereien die uns tagtäglich das Leben schwer machen, von verlogenen und verkommenen Politikern, von der Macht der Banken, die Milliarden an Steuergeldern einstreichen, von den Werbeagenturen, die nichts als Lügen verbreiten und von dem Sicherheitswahn, der alles verbieten will - außer Massenarmut, Naturzerstörung und Krieg. Solange wir noch ein paar Kröten bekommen, machen wir mit. Und wenn nicht, dann fliegen wir raus aus der großen Zentrifuge - mit einem wilden Lachen und Funkel Raus auf den Lippen. Närrisch.

Dein Fußball hat nie existiert, Andy; es ist ein Lebensgefühl, das gegangen ist. Und seit Hoffenheim ist auch das meinige in Bezug auf Fansein Geschichte. Wirklich ändern müssen sich aber die Verhältnisse, die uns gemacht werden, damit einige aus den Speisekarten mit Goldrand bestellen können. Dazu braucht es mehr, als besoffen auf den Stehrängen rumzustolpern um am nächsten Montag wieder in einem Alltag zu stehen, der uns die Lust zum Träumen genommen hat.

Freitag, 3. April 2009

Was ist neu?


Schön ist die Welt - wenn man in Oberrad sitzt, weder Netz- noch Telefonanschluss hat und dazu die Sonne scheint. Kaum bin ich im Nordend und bei Pia nutze ich die digitalen Welten und stelle fest, dass Kid seinen Blog neu designed hat; die Verwechslungsgefahr ist gebannt, Kid ist Kid und ich bin ich.

Neu ist auch der Blog von Andy Klünder, der seinerzeit auch eintrachtfans.tv ins Leben gerufen hat. Es soll eine Einstimmung auf kommende Sendungen sein - hier gibt es Videoschnipsel und mehr.

Nicht mehr ganz so neu ist die Übereinkunft zwischen der Eintracht Frankfurt Fußball AG und den Ultras, es ab dem Cottbus-Spiel am 04.04 gemeinsam zu versuchen. Die AG hat die Restriktionen (personalisierte Eintrittskarten) für alle zurückgenommen und die Ultras wollen den Support bis auf weiteres ohne Pyro angehen.

Passend dazu habe ich während des letzten Heimspiels der U23 gegen Aschaffenburg, (auch Jörn Andersen war zu Gast), ein Feuerzeug unseres Gastgebers geschenkt bekommen. Es trägt die schöne Aufschrift: FSV Frankfurt - Wir bringen Feuer ins Spiel.

Ein Belegfoto gibt es demnächst, derzeit leben Feuerzeug und Kamera getrennt.