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Sonntag, 20. Februar 2011

Horror in Nürnberg feat. Vollidioten


Es ist Freitag mittag gegen 11:30 Uhr. Irgendjemand hat uns über Nacht den Heckscheibenwischer geklaut. Merke ich allerdings erst, als der metallene Wischerarm während der Fahrt über die Scheibe kratzt. Ein Geräusch, dass in dir ein Gefühl verursacht wie man es ähnlich nach einem Eintracht-Spiel der letzten Wochen verspürt. Der Tag verspricht nicht wirklich frühlingshafte Temperaturen - aber auch keine Unwetter, wir sind wieder unterwegs. Pia, der Golf und ich. Uns begleiten neben British Sea Power und Rainald Grebe auch The Boxer Rebellion sowie David Bowie, Helmut Zacharias, oder eine Band mit dem schönen Namen My heart belongs to Cecilia Winter. Als The National laufen, singt Pia mit:

It's a terrible love and I'm walking with spiders
It's a terrible love and I'm walkin' in its quiet company

Seltsam, dass eine amerikanische Band über die Eintracht dieser Tage schreibt. Seltsam auch, dass jedesmal, wenn von Sade Soldier of love läuft, irgendjemand nach seinem Handy greift, um zu schauen, ob eine SMS angekommen ist? Macht mal den Versuch. Hat aber nichts mit der Eintracht zu tun.

Auf der Autobahn: Vollidioten. Wir taumeln von Stau zu Stäuchen, hinter Hösbach wird's ernst. Deutschland baut sich neu; Stauen für den Frieden. Bei Wertheim Village am Almosenberg reicht es uns; wir verlassen den Highway und rollen auf die B8 - vorbei an den verkitschten Vollidiotenhäuschen, in denen wahrscheinlich überteuerte Sachen an Vollidioten verkauft werden - Cluburlaub, Clubeinkaufen, Clubverblöden. Wir müssen soviel kaufen, dass das Spritgeld wieder raus ist. Shop dich schön. Jetzt im Moment gibt dort übrigens Peyman Amin gegenüber Ferry's Bistro Autogramme. Nichts wie hin. (Schreibweise Original). Auch wenn ich nicht weiß, wer das ist.

Wir haben andere Pläne, rollen über die Bundesstraße, ein LKW zieht eine Schlange PKWs hinter sich her, weiter weiter. Kurz vor Würzburg geht's wieder auf die A3, bei Biebelsried wieder zurück auf die Bundesstraße. In Kitzingen an der Tanke wird Pias Adlerkarte nicht genommen - das ist keineswegs persönlich gemeint, das Teil wird vom Lesegerät einfach nicht erkannt. Würde ich derzeit genau so machen. Ein paar Meter dahinter in Mainbernheim scheint das Mittelalter noch lebendig; langgezogene Stadtmauern, steinerne Torbögen, malerische Türmchen ohne Outletverkauf dafür aber mit einglasigen Fenstern. Wir sehen bei unserem Spaziergang zwei Autos. Keinen Menschen. Was gibt's zum Mittagessen? Tod mit Ketchup.

Weiter geht's. Drinnen Musik und draußen Deutschland.

Wir erreichen Nürnberg gegen halb vier, leichter Nieselregen begleitet uns als wir zwischen City und Stadion im Stadtteil Galgenhof einen Parkplatz finden - bis zu Beginn des 19. Jahrhunderts parkten hier jedoch keine silbernen Golfs; ein Galgen verabschiedete die Sünder, auch die Unglücklichen.

Der Stadtteil wird durch die Bahnlinie von der Innenstadt getrennt, einen Falkplan haben wir nicht - aber einen großen Autoatlas; ich mache ein Foto vom Innenstadtbereich Nürnberg und fortan tragen wir ein mobiles Navigationsgerät mit uns. Wir wandern durch den Bahnhof, entdecken eine auf Platte aufgezogene Modelleisenbahn und lassen sechs Züge für 50 Cent kreisen; die Welt in einem Glaskasten - Figuren sitzen ein Leben lang unter einem Sonnenschirm, während die Bahn sie umrundet.

Altstadt Nürnberg. Kirchen und Bratwürste stehen für die Historie, Kaufhof und die Müller Drogerie für die Gegenwart. Es ist feuchtkalt, wir lassen uns zum Hauptmarkt treiben, suchen eine Bäckerei die wir nicht finden, entdecken einen nahezu historischen Frisör, den wir nicht gesucht haben und bewundern die Fleischerbrücke, die schon Jahrhunderte auf dem Buckel hat und ein wenig an Venedig erinnert. Später sitzen wir im Gasthaus Andechs und gönnen uns ein Dunkles; dazu gibt's wahlweise Schweinebraten oder Rahmschwammerl. Am Tisch gegenüber sitzen ein paar Nürnberger vom Gute Laune Fanclub Schwabach, trinken Bier und essen zu Abend; unauffällig, harmlos. Dennoch fällt mir auf, wie bescheuert ein Fußballtrikot bei einem erwachsenen Mann aussieht. Völlig egal was dort drauf steht. Richtig albern wird es erst, wenn Reklame für ein Etwas gelaufen wird, das mit Fußball nichts zu tun hat. Das Essen schmeckt.

Mittlerweile hat sich Ina gemeldet, die noch zwei Karten für uns hat; von ihr erfahren wir, dass das Spiel später angepfiffen wird - auf Grund des hohen Verkehrsaufkommens. Wir haben Zeit; marschieren in der anbrechenden Dunkelheit zum Auto zurück, trinken noch einen Schluck Tee und überlegen, noch ein paar Meter näher Richtung Stadion zu fahren, auf dass der Rückweg kürzer wird. Aber das optionale Verkehrsaufkommen lässt uns laufen, keine Lust, im Stau zu stehen oder keinen Parkplatz zu finden. Wir laufen, kaum ein Auto begegnet uns - dafür aber bis dicht zum großen Park und Dutzendteich jede Menge Parkplätze. Was soll's, der Fußballverkehr scheint sich von der anderen Seite zu nähern, der Messeverkehr ein Ende zu haben. Bislang würde kein Mensch auf die Idee kommen, dass hier in der Nähe ein Bundesligaspiel stattfinden wird. Auch ist niemand im Park unterwegs - außer uns zwei warm eingepackten Frankfurtern. In der Ferne gleißt Flutlicht. Erst auf dem großen Messeparkplatz entdecken wir menschliches Leben - Vollidioten mit großen Autos geben Vollgas, andere werden von den Ordnern eingewiesen. Wir schlagen uns in den Wald, erreichen die Arena und umrunden das Frankenstadion, dessen Träger noch immer blau sind. Verblüffend, denn diese Farben haben nichts mit dem Club zu tun. So etwas kennen wir von zuhause aber auch.

Am Gästeeingang treffen wir Ina, sie gibt uns die Tickets und erklärt, dass die Busse fünf Stunden gebraucht hätten - von Frankfurt nach Nürnberg - oh heiliger Golf, danke, dass es dich gibt, verlass uns nicht.

Der Einlass geht flott - es ist nicht mehr allzulange hin bis zum Anpfiff. Ein Gitter verhindert den Weg aus dem Gästebereich hinaus, Begegnungen sollen vermieden werden. Wir quetschen uns in den Block, treffen Holger und Ruth, Kine und Jens und finden einen Platz mit vernünftgem Blick. Dort stehen wir und harren der Dinge die kommen werden. Noch vor dem Einlaufen präsentieren die Nürnberger eine Choreo (Gemeinsam mit Herzblut zum nächsten Sieg) während die Frankfurter ein bisschen leuchten. Im Block macht es auch Bumm. Kommt demnächst eine Rechnung ins Haus - bezahlbar, man hat ja Prämien gespart.

Nach dem Feuerwerk wird auf den Plätzen gesungen und supportet. Hände spreizen, klatschen - Sternenhimmel und so. Die Eintracht spielt ohne Amanatidis in der Anfangsformation, dafür aber mit Heller und Altintop, Rode und Vasoski. Ansonsten kennen wir die Pappenheimer noch vom letzten Kick; Franz nun als rechter Verteidiger. Es geht los, schon halte ich die Luft an - Vasoski hat einen Nürnberger im Strafraum behindert. War's Foul? Nein sagt Schiri Kinhöfer. Hin und her rennen die Kicker, mein Nachbar fuchtelt mir mit den Händen im Gesicht rum, singt alles mit, was vorgegeben wird. Manchmal glaube ich, die kicken da unten absichtlich so schlecht, damit das Fangehampel endlich mal aufhört. Mein Nachbar zur Linken blökt alle fünf Minuten irgendwas von schwul, ein anderer plärrt alle drei Minuten spiel den Ball ab - völlig egal, ob der ballbesitzende Spieler diesen unter Kontrolle hat oder nicht. Als Heller den Ball vertändelt kreischt einer Köhler. Der spielt aber im Moment gar nicht, Meier auch nicht.

Unverdrossen singt die Kurve, wie immer kann man daran nicht ablesen, was auf dem Platz gerade passiert. Ich will Fußball gucken. Unten spielt Chandler für Nürnberg. Ich habe den jungen Mann mit der 26 oft am Riederwald kicken sehen, U19, U23. Jetzt spielt er gegen die Eintracht - freut mich für den Jungen, es gepackt zu haben. Der Stadionsprecher hingegen blökt alle naslang ins Mikro Auf geht's; vielleicht ist er der Grund für den Fanschwund trotz des Erfolges, den eine Tageszeitung in Nürnberg konstatierte. Eine Schlagzeile, die ich mir für die Eintracht wünsche. Das Spiel wogt hin und her und ich überlege, was passiert, wenn Frankfurts Trainer den Spieler Amanatidis in der 87. Minute einwechseln würde. Dann hält Nikolov sensationell einen Kopfball des eigenen Verteidigers Russ. Es bleibt beim 0:0. Andere Szenen, die ich behalten habe, waren ein Zweikampf des Nürnbergers Wolf mit Schwegler, woraufhin Franz grantig wurde und ein Foul von Ochs am Nürnberger Torwart. Hab aber vergessen, in welcher Halbzeit dies war.

Zur zweiten Hälfte wird der Block voller. Der Stadionsprecher gibt wie gehabt den Animator, die Nürnberger Fans wedeln mit Fahnen, die Frankfurter durften ja keine mitnehmen - singen aber, denn Maddin erklärt, dass wir ja alle hier wären, um die Eintracht zu unterstützen. Ich denk mir, nö, ich will Fußball gucken. Dann schießt Rode ein Tor, das hat er toll gemacht. Kurzer Jubel, Bierbecherwurf - doch schon scheint klar, das Ding zählt nicht. Kriegen fast alle mit. Ein paar raffen es erst später, müssen noch Feuerwerk zünden. Sieht doof aus, nachdem das Tor nicht zählt.

In einer ruhigen Minute denke ich: mal schauen, ob es 0:0 ausgeht, das habe ich nämlich getippt. Batsch. 1:0 für Nürnberg. Schieber hatte einen Freistoß aufs Tor gezwirbelt und Oka den Oka gegeben. Dann wird bei der Eintracht gewechselt - mit der Folge, dass Amanatidis nun von Ochs die Kapitänsbinde bekommt und sich Köhler und Tzavellas über den Haufen rennen. Irgendwann verliert Altintop den Ball. Scheiß-Türke ruft einer über uns. Pia dreht sich um, hält dagegen. Der Rest schweigt. Dem 2:0 folgt noch das 3:0 - dann der Abpfiff. Es schneit.

Die Spieler nähern sich zögerlich der Kurve, Vereinzelte der fiesen Frisuren- und merkwürdigen Turnschuhträger auf den Rängen blöken Texte von Hurensöhne und Wichser, das gefällt den Fußballern nicht und sie kehren wieder um. Das sechste Spiel im Jahr 2011. 0:11 Tore, von 18 möglichen Punkten hat die Eintracht nur einen geholt - Grund für Übermut haben einzig die Clubfans. Die Frankfurter schauen neidisch nach Bochum, dort hat der einstige Kollege Korkmaz seinen zweiten Treffer erzielt. Auf der Anzeigetafel in Nürnberg sehen wir noch einmal die Treffer des Clubs. Wunden.

Konsterniert verlassen wir das Stadion, laufen durch den Schneeregen Richtung S-Bahn; zwei Meter vor dem Tunnel schlüpfen Polizisten aus dem Nichts, bilden eine Kette vor uns und versperren den Weg. Oben auf den Plattformen seien zuviele Menschen. Über uns der Schnee, neben uns Massen von Nürnbergern, die davon erzählen, dass die Frankfurter sich montags abends frei nehmen sollen, vor uns eine Polizeikette. Der richtige Zeitpunkt für einen spontanen Amoklauf.

Etwas später gibt die Polizei den Weg frei, es geht hoch auf die Gleise. Trunken vor Freude wollen ein paar Nürnberger eine U-Bahn nach Auschwitz bauen. Als ich meinen Mund aufmache, hält mich Pia zurück. Um dann selbst für Ordnung zu sorgen. Die Umstehenden glotzen blöde. Wer nicht hüpft, der ist ein Fürther. Leckt mich ihr Vollidioten. Als die S-Bahn kommt und die Türen sich öffnen, drückt die Masse Mensch wie Tiere hinein, in Duisburg wird's nicht anders gewesen sein. Der Zug setzt sich in Bewegung, sie singen und patschen mit den Händen an die Verkleidung. Ich wünschte, ich wäre woanders. Im Hauptbahnhof noch einmal Gedränge, Geschiebe - wir halten uns fest, entrinnen dem Fußballgehassel, raus in die Kälte, zurück zum Auto, Galgenhof. Zurück gehts flott, der Golf schnurrt, bald hört es auf zu schneien.

It's a terrible love and I'm walking with spiders
It's a terrible love and I'm walkin' in its quiet company


Donnerstag, 10. Juni 2010

Eine Woche im Juni - Teil I: Herr Dr. Lottermann


Manchmal passiert gar nichts. Dieser Satz ist eigentlich grundfalsch, denn irgendwas passiert ja schließlich immer - aber manchmal passiert nichts, was in nachhaltiger Erinnerung bleibt und zudem Blogrelevanz besitzt; zumindest nach meinem bescheidenen Dafürhalten. Dann aber folgen Erlebnisse Schlag auf Schlag und ein Erlebtes ist eben noch Gegenwart und wird durch ein darauf folgendes Erlebnis in den Hintergrund gedrängt, welches sich ebenso bald im gleichen Hintergrund befinden wird. Um genau zu sein befindet sich alsbald alles im Hintergrund - und vorne lauert der Tod. Dann ist man selbst im Hintergrund, irgendjemand liest die Todesanzeige im Netz und klickt anschließend auf den Button: Gefällt mir. Aber das sind Überlegungen die trübsinnig machen und von daher widmen wir uns der justament vergangenen Gegenwart.

Und die beginnt letzten Mittwoch, so unglaublich das angesichts des Zeitenlaufs klingen mag. Zehn, fünfzehn Besucher tummelten sich im Museum der Frankfurter Eintracht, um an der von der Kirche im Stadion und dem Museum organisierten Veranstaltungreihe Anstoß teilzunehmen; zu Gast war der ehemalige Eintrachtspieler Dr. Stefan Lottermann, der 97 Liga-Spiele für die Eintracht absolvierte, zudem studierte und ein streitbarer Geselle war und ist. Das ist auch gut so, denn schließlich stand die Veranstaltung unter dem Motto: Sich einmischen.

Im Stadion selbst wurde das für den nächsten Tag geplante Länderspiel vorbereitet, statt Eintrachtfahnen wehten jene eines bekannten Automobilherstellers, während Lottermann im Gespräch mit Matze Thoma und Eugen Eckert äußerst unterhaltsam aus seiner aktiven Zeit berichtete. Über Burgsolms kam Lottermann nach Offenbach und kickte dort an der Seite von Rudi Völler, den damals noch niemand Tante Käthe nannte und als die Kickers mal wieder klamm waren, verließen Lottermann und Völler gezwungener Maßen den Verein; der eine landete ablösefrei bei 1860; der andere bei der Eintracht. Für Westgeld. Das war im Jahr 1979; am Ende der Saison hielt Lottermann den Uefa-Cup in den Händen, ein Jahr später den DFB-Pokal. Seine bekannteste Szene auf dem Platz war sicherlich sein Treffer zum 3:0 gegen Rotterdam im Uefa-Cup, das Spiel endete 4:1 und die Eintracht spielte in ... Grün.

Zwischen Training und Spiel pendelte er in Richtung Universität; dort studierend trug er auch im Team den Spitznamen "Der Student" - und so bei Auslandreisen ein Interviewpartner mit Englischkenntissen gesucht wurde, ward der Student der Mann bei der Eintracht für solche Fälle. Begehrt bei seinen Kommilitonen war er nicht zuletzt deshalb, da er in der Tiefgarage der Uni parken konnte und so für kurze Wege sorgte.

Es war eine wilde Zeit, die Proteste gegen die Startbahn West befanden sich auf dem Höhepunkt und auch Lottermann war von der Notwendigkeit des Baus nicht überzeugt. Von daher zögerte er nicht lange, als der Asta der Universität anfragte, ob er einen Beitrag und ein Foto für die Unizeitung beisteuern könne. Als Foto wurde eine Autogrammkarte verwendet - mit Unterschrift - und so erschien jene Zeitung; in überschaubarer Auflage. Als wenig später die Organisatoren des Widerstands eine Broschüre in weitaus höherer Auflage unters Volk brachten, hatten diese kurzerhand Foto und Beitrag aus der Unizeitung übernommen - und so wurde Lottermann über die universitären Grenzen hinaus prominente Symbolfigur für den Widerstand gegen die Startbahn West. Die Höchst AG, Sponsor der Eintracht, aber auch die Eintracht selbst zeigten sich wenig begeistert; er wurde zum Rapport bestellt, wobei sich die Höchst AG durchaus auch darüber freute, dass der Name Infotec (damals eine Tochter der Höchst AG) nun auch außerhalb der üblichen Reichweite von Trikotwerbung zur Kenntnis genommen wurde. Alles in allem wurde aber auch einem Fußballprofi eine eigenständige politische Meinung zugestanden; die Konsequenzen waren also zu vernachlässigen. Falls jemand, der diesen Text liest besagte Broschüre besitzt, so meldet euch - wir suchen sie.

1983/84 wechselte Lottermann nach Nürnberg zum Club - und stieg unter Trainer Heinz Höher sang und klanglos ab. Zum Entsetzen der Spieler wurde der Vertrag mit dem ungeliebten Trainer jedoch verlängert; Höhepunkte seines Wirkens war die Abseitsfalle auf Zuruf; genauer gesagt auf Zuruf des Trainers. Als dies im Spiel gegen Oberhausen gründlich in die Hose ging und da die Oberhausener (mit Wolfgang Kleff im Tor und Manni Burgsmüller im Sturm) die skurrile Variante durchschaute und Allig nach missratener Abseitsfalle in der letzten Minute zum Ausgleich traf, kochte das Fass über. Trotz mehrfacher Aufforderung seitens der Spieler sich mit der Vereinsführung zu einem Gespräch zu treffen, lehnten dies die Vereinsoberen ab. Somit wählten die Spieler (darunter Udo Horsmann, Rudi Kargus und Stefan Lottermann) den Weg über die Presse. Dieses Ansinnen machte schnell die Runde; Drohungen seitens des Vereins wurden ausgesprochen und diese gipfelten trotz bestreiktem Training und vermeintlicher Geschlossenheit der Mannschaft in der Kündigung der sechs vermeintlichen Rädelsführer. Da der Pressetext auf Lottermanns Schreibmaschine verfasst wurde, gehörte dieser ebenso wie Horsmann und Kargus dazu. Der Club aber stieg anschließend souverän auf.

Meinungsfreiheit und Recht; zwei Schuhe, die nicht immer zusammenpassen. Nicht zuletzt nach den Vorkommnissen beim Club leierten engagierte Spieler wie Stefan Lottermann oder Benno Möhlmann eine Art Gewerkschaft an; sie trafen sich mit den Spielführern der Mannschaften und aus anfänglicher Skepsis entstand ein großes Interesse bis 1987 die VDV gegründet wurde, deren Vorsitz zunächst Möhlmann und später Lottermann übernahm.

Lottermann, der seine Profikarriere nach einer Verletzung bei Darmstadt98 1987 beenden musste, unterstützte und beriet Spieler auch gegen den DFB, was ihm naturgemäß nicht nur Freunde einbrachte - so sorgte die VDV dafür, dass Nationalspieler auch an Werbeeinnahmen des DFB profitieren, heute eine Selbstverständlichkeit. Nur einer erwies sich als beratungsresistent; Dieter Eckstein, Raucher. Dieser wohnte zu Nürnberger Zeiten in einem schönen Haus - ohne Brandschutzversicherung. Einen Rat diesbezüglich schlug er in den Wind; selbst als ein Feuerchen den Teppich versengte, wollte er sich nicht versichern. Kurz darauf lebte er in einem Wohnwagen vor dem Haus; ein Feuer hatte dieses tatsächlich nun völlig zerstört.

Sonntag, 24. Januar 2010

Heimspiel in Nürnberg


Diszipliniert verschob die Abwehr und ließ trotz Unterzahl kaum Chancen zu und was aufs Tor kam hielt der überragende Torhüter; die Konter aber saßen wie Nadelstiche - am Ende stand ein klarer Sieg zu Buche und die Akteure schlichen müde aber glücklich vom Feld. Freitag Abend in einer Turnhalle im Westend.

Keine 12 Stunden später rang ich mit dem Muskelkater, der zwar schwächer als erwartet aber latent vorhanden, meine Bewegungen in Zeitlupe versetzte. Meine Nase schnupperte Kaffee; Pia war schon vor mir wach - und bereitete mich auf den Tag vor: Auswärtsspiel in Nürnberg - und um es gleich vorweg zu nehmen: sowohl Pia als auch der silberne Golf sollten heute im Lande bleiben und ich machte mich gegen halb zehn mutterseelenallein auf in die weite Welt. Müde schleppte ich mich zur Straßenbahn, die prompt angerumpelt kam und mich durch die Stadt zur Südseite des Bahnhofs brachte. Meine Handschuhe hatte ich trotz des dezenten Hinweises Pias zur kommenden Kälte zu Hause gelassen: Die verlier' ich eh nur.

Geiselgangster - immer eine gute Alternative, wenn der silberne Golf in Frankfurt bleibt. Wie immer lungerten schon jede Menge finsterer Frankfurter an der Südseite herum und warteten auf die Busse; Kippchen dampften; Junior Adler hockten brav in ihrem Bus und überall ein großes Hallo. Wenig später rollte auch unser Bus ein; der gleiche mit dem ich schon nach Gelsenkirchen und Leverkusen gefahren bin - astreiner Linienbus; keine Toilette, enge Sitze - aber die Lizenz zum Rauchen. Dafür noch mit Tapedeck: für die Jüngeren: das ist so etwas wie ein analoger mp3Player - irre Oldschool. Bloß läuft das Ding mit Tapes - und die hatte kein Mensch dabei - was nicht unbedingt was Schlechtes sein muss.

Gerre und Buffo waren wieder die Organisatoren, Gabi und Ina die Mütter der Kompanie und zwischendrin hockten wir, André und Sandy, Thor und Tom, Dani und Präsi und wie sie alle heißen. Die, die immer dabei sind; die, die zum ersten Mal dabei sind und die, die so wie ich manchmal dabei sind.

Wir rollten durchs graukalte Frankfurt auf die Autobahn auf die A3 und der erste Parkplatz war unser, wie gesagt: der Bus hatte keine Toilette.

Grauweiß rauschte der Süden Deutschlands an uns vorbei; Aschaffenburg, Würzburg, Frauenaurach: von Zeit zu Zeit machten wir ein Päuslein und ich hing mehr oder weniger groggy in meinem Sitz, löste die Rätsel der Rundschau und schaute aus dem Fenster. Die obligatorische Tombola brachte mir wie immer nichts ein - aber stolz trug ich mein schwarz-weiß gestreiftes Mützlein, wie wir alle schwarz-weiße Mützen trugen; die UF hatte stapelweise Mützen herbeigeschafft und verkauften diese zu einem Spottpreis, auf dass die Frankfurter allesamt ein gleiches Bild abgeben. Netter Nebeneffekt: Wenn du jetzt irgendwas anstellst und die Täterbeschreibung: trägt schwarz-weiße Mütze lautet - dann hast du gute Karten. Tausende sollten später die Kappen tragen.

Nürnberg-Messe, wir erreichten recht früh den Parkplatz am Messegelände und halbwegs warm eingepackt marschierte ich am Historical Cowboy and Indian Club vorbei Richtung Stadion, das wohl einen der grausamsten Namen der Liga trägt und von mir daher konsequent Frankenstadion genannt wird. Stelltafeln erzählen die Geschichte des Stadions, das alte Schwimmbad war um diese Jahreszeit geschlossen, die Stadionordnung gut sichtbar verschraubt. Um mir ein wenig die Zeit zu vetreiben, schlenderte ich am Gästeeingang vorbei und wollte das Umland anschauen, allein es scheiterte am mutigen Einsatz der Polizei: Tapfer stellte sich mir ein Stadtsoldat entgegen und verhinderte mein Eindringen in den menschlichen Bereich Nürnbergs. Obgleich jenseits der Sperre jede Menge Frankfurter unterwegs waren; nämlich alle, die von der anderen Seite angereist waren - für mich gab es kein Durchkommen. Ganze Arbeit der Kollegen in Grün.

Ich kaufte noch ein zweites Mützchen für Pia, schwatzte hier und dort und ließ mich dann am Eingang fröstelnd beim Marsch ins Stadion durchsuchen. Im Unterrang unter dem Überhang fand ich einen Platz, der mir gute Sicht versprach - und nette Gesellschaft dazu. Muelli, Suse und Arndt lehnten am Wellenbrecherchen; langsam füllte sich das WM-Stadion, dessen blaue Träger überhaupt nicht zum Rot des Inneren passen - und mir fiel auf, wie weit ein Tor doch vom Platz entfernt sein kann, wenn rund um das Spielfeld noch eine Aschenbahn verläuft. In der Nürnberg-Kurve wurden kräftig Fähnchen geschwenkt, später spazierten etliche Nürnberger mit riesigen Schwenkfahnen aufs Spielfeld und schwenkten diese im Takt des Vereinsliedes; dankenswerter Weise war die Anlage schön leise eingestellt.

Ein Blick auf die Ersatzspieler der Eintracht zeigte, dass Marcel Titsch-Rivero nicht im Aufgebot stand, dafür aber die Herren Preuß, Alvarez, Caio, Heller, Korkmaz, Tsoumou und Torhüter Fährmann. Recht offensiv für meinen Geschmack, eingedenk der Tatsache, dass Schwegler und Franz leicht angeschlagen ins Spiel gegangen sind. Nuja, der Trainer wird wissen, was er macht.

Aus der Nürnberger Kurve wurde uns nun eine kleine Choreo präsentiert, Ultras Nürnberg 1994 stand auf dem Banner, darunter wurden rote und schwarze Pappen hochgehalten und in der Mitte leuchtete ein Sonne. Begrenzt wurde das Banner auf der einen Seite durch das Adlerwappen Nürnbergs und auf der anderen Seite durch die Comicfigur Willi Wacker, der ein Glas Bier hält. Sah ordentlich aus. Sozusagen: Putzig.

Bei uns in der Kurve trugen jetzt wirklich fast alle die erwähnten Mützen, und noch bevor es losging begann der zweite Teil des inoffiziellen Schwanzvergleichs, Rauchwolken stiegen aus unserem Block in die Höhe, illuminiert von ein paar Bengalos - zwischendrin böllerten ein paar Kanonenschläge: Hurra, hurra, die Frankfurter sind da. Wenigstens flog keine Leuchtspur, aber selbst die Böller gehen mir auf den Senkel.

Kaum hatten sich die Rauchwolken verzogen, entdeckten wir eine Chance für die Eintracht, der Ball aber landete nicht im Tor - es muss wohl Ochs gewesen sein, der verzogen hatte. Kälte kroch in einen hinein, Handschuhe wären jetzt gut gewesen; aber wer Wolfsburg überlebt hat, der schafft auch Nürnberg. Als die Kurve hüpfte, schwankte der Oberrang bedrohlich - während Wolf unseren Schwegler umsenste und dafür gelb erhielt. Schwegler humpelte und wurde später nach der Pause gegen Christoph Preuß ausgetauscht. Da stand es schon 1:1. Die Nürnberger Führung aus der 27. Minute konnte Köhler in der 40. ausgleichen. Ochs hatte sich schön durchgesetzt und die anschließende Flanke Benni Köhler lässig eingenickt. Jedoch sickerte erst nach einigem Nachfragen der Torschütze durch; zunächst wurden Liberopoulos, Teber oder sogar Chris gehandelt, der aber ob der fünften gelben Karte gar nicht mitspielen durfte und ergo als Torschütze nicht in Frage kam.

In der zweiten Hälfte legten die Junior Adler im Block links neben uns einen mächtigen Support hin; lehnten an der Bande und wedelten mit ihren Junior Adler Fähnchen; es wird nicht mehr lange dauern, und die Kids werden selbst die ersten Rauchbomben zünden; statt Bierbecher werden dann Lutscher aufs Spielfeld geworfen; früh übt sich. Der Nachwuchs lebt.

Die zweite Hälfte brachte zudem ein paar klasse Aktionen von Nikolov, eine Megachance von Preuß und die Erkenntnis, dass ein flotter Spieler in des Sturmes Spitze beim Fußball ein Vorteil sein kann - wenn man ihn denn hat - oder bringt. Jung kann man immer bringen und Chris ist schon ein Mann, der dem Spiel der Eintracht zuträglich ist. Caio kam kurz vor Ende für Liberopoulos, sicher, der Mann ist jung. Dies ist aber auch Stürmer Alvarez, dessen ersten Ligaeinsatz ich gerne gesehen hätte. Unser Trainer kann ja mit Jungen und will gewinnen. Zumindest vor dem Spiel. Der Vorteil reiner Fußballstadien sprang ebenfalls deutlich ins Auge; bis ich gewusst habe, wer bei Nürnberg spielt, war das Spiel vorbei.

Im End wurstelte sich die Eintracht zu einem Punkt, der durchaus verdient war. Die Spieler kamen in die Kurve - und wurden prompt mit den lustigen Mützen versorgt. Preuß schnappte sich das Mikro, Humba für alle und allgemein überwog die Zufriedenheit mit dem Punkt, den die Eintracht ergattert hatte. Schon während des Spiels verkündete eine Stimme, wie der Rücktransport der Gästefans durch den Entlastungszug organisiert wird; nach der fünften Durchsage aber hätte man auf die Idee kommen können, dass es nun auch wirklich jeder begriffen hat.

Ich machte mich auf die Socken und wanderte zu einer Wurstbude fern des Massencaterings, hier ein Schwätzchen, dort ein Guude und auf halbem Weg zum Bus erfuhr ich noch, dass einige Nürnberger samt Frankfurter im Stadion Freispiel hatten, weil die Polizei ... ja was eigentlich ... machte.

Blaulicht der stehenden Einsatzwagen wies den Weg zum Bus, der am äußersten Winkel der Messe parkte. Ich freute mich ob der Wärme und es dauerte nicht lange, bis wir auf die A3 rollten. Ein kurzer Halt folgte bei einer bekannten Hamburger Braterei, später hallten hinter mir muntere Gesänge durch den Bus, während wir uns überlegten, ob es nicht vielleicht doch in Malawi den Stürmer gibt, der in der Rückrunde für 45 Tore gut ist.

Wir plauderten in die Nacht, das Radio dudelte leise vor sich hin; Würzburg, Aschaffenburg, Hessen, Stadion, Bahnhof; die Fahrt verlief problemlos. So verabschiedete ich mich, packte mein Bündel und marschierte in die Nacht; vorbei am Theaterplatz, vorbei am Eintracht-Shop und am Paulsplatz und ließ mich die letzten Meter von der Trambahn Linie 12 zur Rohrbachstraße fahren. Gegenüber im Feinstaub stieg noch eine Fete; ich berichtete Pia von der vergangenen Fahrt und wir hoben die Gläser bis spät in die Nacht. Dass ich jedoch meine Mütze noch heute nach dem Aufwachen getragen haben soll, ist offiziell noch nicht bestätigt.



Mehr zum Spiel: Hier beim Blog-G, dessen Stefan auch das Mützenspielerfoto gemacht hat.



Sonntag, 16. August 2009

Alles bleibt anders

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Den ersten Aufreger der Woche lieferte die Bekanntgabe der Einstellung des kostenfreien Versandes des Stadionmagazins für die Mitglieder der Fan- und Förder- sowie Fußballabteilung von Eintracht Frankfurt. Hier, hier, hier als auch hier könnt ihr Stellungnahmen seitens der Agierenden/Betroffenen nachlesen; gerade für die auswärtigen Fans der Eintracht war dies ein schöner Service, der nun zu Ende geht. Letztlich scheiterte es am Geld - oder?

Samstag, 14:00

Pia und ich warteten bei strahlendem Sonnenschein auf Daddy, der aus Dietzenbach kam; Treffpunkt wie immer: Louisa. Prompt kommt der kleine Jeep angerollt; Hallo, big five, Fußmarsch.

Vorbei am ruhigen Fanhaus wanderten wir durch den Stadtwald und waren eigentlich guter Dinge; traditionell verliert die Eintracht ja nach rauschhaften Auftritten (Bremen) das nächste Spiel, vor allem, wenn es gegen Aufsteiger und Schlusslichter geht - aber nun ist alles anders. ER spielt und überhaupt.

Während Matze und Billy vor dem Museum tapfer Fanartikel an den Mann resp. Frau brachten, drückte ich unserem Museumschef eine Videokamera in die Hand, auf dass er von exponierter Stelle die geplante Choreographie aufnehmen könne - und die Reaktion der anwesenden Geehrten gleich dazu - die Meister von 1959 waren nämlich im Stadion zu Gast und bestaunten die von unseren Ultras organisierte und der gesamten Kurve durchgeführten Choreo.

Während wir also kurz vor Spielbeginn tapfer die Papptafeln in die Höhe hielten und nun verschämt darunter hindurch lugten, erklang über die Lautsprecher das wunderbare Lied: Der Meister heißt Eintracht. Dazu wurde auf dem Videowürfel zunächst das Meisterteam und anschließend unser damaliger Kapitän Alfred Pfaff mit der Schale in der Hand eingeblendet - die aktuelle Mannschaft lief ein, ohne Schwegler, und die Meister freuten sich ob des Kurvenbildes. Erst spät in der Nacht konnte ich die Bilder mir im Netz anschauen - und bin immer noch begeistert:


Das Spiel begann recht flott, der Videowürfel warf lustige Schatten auf das Spielfeld und noch viel lustiger wurde es in der 17. Minute, als Amanatidis einen langen Ball auf Meier schlug, der sich reckte und per Kopf zu Caio ablegte, der direkt das 1:0 erzielte. Just in diesem Moment hatte die Eintracht die Tabellenführung in der Bundesliga übernommen und so tönte kurz darauf Spizzereiter, Spizzereiter durchs Stadion. Aber auch die Gästekurve war gut gefüllt, der Nürnberger Support recht ordentlich und mit der knappen Führung ging's in die Pause.

Nun ja, kurzen gepflegten Gespräche in der Halbzeit folgten ungläubige Blicke in der zweiten: Nürnberg flitzte, die Eintracht tat sich zunehmend schwerer, scheiterte wiederholt am starken Nürnberger Keeper Schäfer - und nicht unverdient traf der kurz zuvor eingewechselte Bunjaku zum Ausgleich für den Club. Nikolov konnte einen Schuss von Charisteas gerade so abwehren - gegen den Nachschuss war er machtlos.

Mit zunehmender Spieldauer zeigten sich die Nürnberger resistenter gegen die Hitze - obwohl sich ein Fan von seinem Bengalöchen trennte und es in den Innenraum warf - und folgerichtig traf Bunjaku zum 2:1 für den Club. Ich sackte zusammen, bekam den folgenden Anstoß nicht mit und hoffte die nächsten Minuten auf den Ausgleich. Irgendwann blickte ich auf den Videowürfel - und meinte zu Pia: Guck mal, die haben noch gar nicht umgestellt. Pia starrte mich mit fragendem Blick an: Wieso, es steht doch 1:1. Daddy drehte sich um: Was, es steht immer noch 1:1?

Jawoll!

Ich schaute wohl selten dämlich - und so langsam dämmerte es mir: Das Tor zählte nicht, wir lagen nicht zurück. Strike! - für mich fühlten sich die nächsten Minuten an, wie ein Ausgleich nach Rückstand. Später flitzte Ochs noch zweimal wie ein wütender Stier über außen, dann war nach dankenswert kurzer Nachspielzeit Schluss - und die Eintracht hatte zwar nicht die Halbzeittabellenführung verteidigt - aber auch nicht verloren. Das ist doch was. Nur noch 36 Punkte zum Klassenerhalt. Der Adler ist gelandet.

Abends führte uns unser Weg ins idyllische Gutleut an den Main, zur Bembelbar. Zwischen Eisenbahnbrücken und einer Kläranlage floss der Main majestätisch Richtung Hoechst, Nachtlichter spiegelten sich darin, hinter uns erklangen wahlweise Eintrachtsongs, Hessische Mundart und Social Distortion; ein Angler hielt stoisch die Angelrute ins Wasser - bis wir merkten, dass es sich um eine Puppe handelte und mit einem Apfelwein in der Hand plauderten wir in die Nacht. Schön war es dort mit Gerd und schusch und Jens und wie sie alle heißen. Die, die immer da sind.

Einen Tag später besiegte unsere U23 am Bornheimer Hang vor den Augen von 330 Zuschauern (darunter Heribert Bruchhagen, Edwin Boekamp, Patrick Ochs und Jan Zimmermann) den SC Pfullendorf durch ein Tor von Sebastian Jung mit 1:0. Leider musste der agile Zlatan Bajramovic nach einer guten halben Stunde verletzt vom Platz - besser wäre es, der Pfullendorfer Trommler hätte es ihm gleich getan. Dieser hämmerte nämlich während der gesamten Spielzeit auf seinem Schlagwerkzeug herum, dass 329 Zuschauer bei jedem Schlag zusammenzuckten. Wer Auswärtssupport von Pfullendorf erlebt hat, der freut sich auf die Vuvuzelas. Und über den ersten Saisonsieg unserer U23.

Nun ist Köln wichtig. Kommenden Samstag. 15:30.

Montag, 27. April 2009

Matchdayfeeling: Endlich wieder Fußball


Es sollte ein sonniger Tag werden, der Duft von frischem Kaffee zog durch die Wohnung, die Wahl fiel auf kurze Hosen und die Erinnerung an den gestrigen Tag purzelte ins Hirn:

War die erste Halbzeit der Eintracht beim VfB noch ganz ansehnlich, so war nach dem zweiten Treffer der Stuttgarter kurz nach Wiederbeginn die Luft raus. Ich nutzte die Gelegenheit für ein kleines Nickerchen und wachte pünktlich zum Schlusspfiff auf, manchmal ist der liebe Gott gnädig und schenkt dir Träume, wenn die Gegenwart jegliche Illusion verbietet.

Halbwegs ausgeruht machte ich mich auf den Weg ins Eintracht Museum und installierte die Technik für die lange Nacht der Museen - an der sich die Eintracht wie im letzten Jahr beteiligten sollte. Peu a peu rollten die Besucher in den Shuttle Bussen an, viele nutzten die Gelegenheit und nahmen an den verkürzten Stadionführungen teil, andere kauften Buttons bei uns und warteten auf unsere Gäste.

Zunächst kam Christoph Preuß, unsere schon lange verletzte Nummer 4, mit dem ich vor den versammelten Museumsbesuchern kurz plauderte. Christoph wird in den nächsten Tagen mit dem Joggen beginnen, dies ist die gute Nachricht - aber es wird natürlich noch eine ganze Weile dauern, bis er wieder richtig Fußball spielen kann - dies ist die schlechte. Er blieb noch eine ganze Weile bei uns, unterhielt sich mit Kid Klappergass, schrieb Autogramme und ließ sich mit vielen Fans fotografieren, während die Spieler der Meistermannschaft ins Museum marschierten. Dieter Lindner, Egon Loy, Istvan Sztani, und Dieter Stinka waren erschienen, zu denen sich noch der zweimalige Torschütze im Europapokalfinale 1960, Erwin Stein gesellte, auch der fliegende Zahnarzt Dr. Peter Kunter stieß dazu; unser Keeper, der 1974 den DFB-Pokal gewonnen hatte und alle gemeinsam lauschten wir dem Polizeichor, der traditionell vor dem Museum Im Herzen von Europa anstimmte.

Es folgte Im Wald da spielt die Eintracht und die Frau Rauscher aus de Klappergass, später erschien ein gutgelaunter Alexander Schur und erzählte uns von Quälix, dem Trainer, der seinerzeit nicht gerade für Begeisterung im Team sorgte, ähnlich wie Jahre zuvor Trainer Ribbeck bei den Mannen um Dr. Peter Kunter nicht gerade geliebt war. Spät in der Nacht zogen wir Bilanz: Die Buttons mit dem Konterfei von Trainer Friedhelm Funkel waren ausverkauft.

Sonntag morgen. Sonne. Kaffee. Kurze Hosen.

Seit Wochen wurde in Bornheim für das große Spiel geworben 84 Jahre später - Die Revanche war auf dem Ankündigungsplakat zu lesen, welches in vielen Schaufenstern und Litfaßsäulen pappte. Abgebildet war die Mannschaft des FSV Frankfurt, die 1925 im Endspiel gegen den 1.FC Nürnberch im Waldstadion um die deutsche Meisterschaft spielte - und in der Verlängerung unglücklich mit 0:1 verloren hatte. André, der für die Spieltagsorgansiation verantwortlich ist, hatte es mir im Rahmen eines Regionalligaspiels unserer U23 geschenkt; mein zweites schwarz-blaues Souvenir neben dem schon in einem anderen Blogbeitrag erwähnten Feuerzeug mit der Aufschrift Wir bringen Feuer ins Spiel.

Fußball im Waldstadion, Traditionsmannschaften, Sonnentag - das erinnert an einen Begriff, an ein Gefühl, welches ältere Eintrachtler noch kennen und das ein Bekannter von mir neulich treffend mit Matchdayfeeling beschrieben hatte. Matchdayfeeling; diese Stille in den Straßen, das von einem Kribbeln durchzogen wird; dieses Es liegt was in der Luft. Gar nicht lange her, dieses Gefühl - heutzutage hört man eher: Ich bin froh, wenn Sommerpause ist. Eintracht Frankfurt im Frühling 2009.

Ich wuchtete unsere Räder aus dem Keller und stellte fest, dass Pias Radel leicht platt war. In der Hoffnung, dass die Pumpe eine Lösung wäre, pumpte ich das Rad auf und frohgemut rollten wir durch den Anlagenring an sprudelnden Brunnen vorbei, über die Kaiserstraße Richtung Moselstraße, am Moseleck vorbei in Richtung Holbeinsteg.

Pias Rad war mittlerweile völlig platt, ein erneutes Pumpen brachte uns über den Steg am Main entlang zur Uniklinik und von dort schoben wir die Räder zur Straßenbahnhaltestelle Bruchfeldstraße, ketteten sie am einem Metallbügel fest und warteten auf die Straßenbahn. Die Luft ist raus. Ich werde Buttons basteln müssen.

Obgleich der Anpfiff nicht allzufern lag, war das ankommende Bähnchen relativ leer. Neeko saß mit ein paar Kumpels im Wagen, wir rollten am Oberforsthaus vorbei, stiegen an der Endstation "Stadion" aus und wanderten zum Haupteingang; der Bratwurst Walter, der sonst die Eintrachtfans verköstigt, hatte heute frei.

Am Kassenhäuschen erwarben wir nach dreiminütigem Anstehen eine Stehplatzkarte für Block 40 - genau so bin ich über all die ganzen Jahre ins Stadion gepilgert, damals, als es noch Waldstadion hieß und nicht nach einem staatlich gesponserten Unternehmen, dass angeblich nahezu pleite ist. Aber weshalb soll es denen anders gehen als mir. Mit dem Unterschied, dass ich mir von keinem Geld den Stadionnamen nicht kaufen kann, da kann ich bei Papa Staat bitteln und betteln, wie ich will.

Am Haupteingang war es ruhig, viele Nürnberger und einige Bornheimer warteten geduldig in langer Schlange am einzig offenen Eingang; an den anderen Eingängen, wo sonst die Menschenmassen der Eintracht klebten parkten Fahrräder - und dennoch schlüpften wir zügig durch die peniblen Kontrollen hindurch und wanderten wie so oft durch das Areal des Waldstadions, an den Bäumen vorbei in Richtung Nordwestkurve. Diesmal allerdings ging es nicht nach oben in den Einunvierziger, wo mein Daddy, Pia und ich seit Jahren dem Geckicke der Eintracht zusehen; diesmal ging es hinein in das vermeintliche Herz unserer Kurve, in den Block 40, wo sonst dicht gedrängt die Ultras der Eintracht ihr Revier sehen.

Niemals zuvor haben wir so viele Gästefans bei uns im Stadion gesehen. Der komplette Unterrang der Ostkurve war geschlossen voll mit Nürbergern, sogar Teile des Oberranges im Osten (der sonst wie der gesamte Oberrang während der Heimspiele der Bornheimer geschlossen ist) war mit Clubberern belegt, ebenso die Hälfte der Gegentribüne - Aufstiegseuphorie im Frankenland, schätzungsweise 13.000 Nürnberger hatten das Stadion geentert, dagegen verlor sich ein Häuflein Bornheimer im 38er, einge saßen auf den Tribünen - insgesamt waren knapp über 16.000 Zuschauer anwesend, Saisonrekord für Bornheim.

Matchdayfeeling. Wie anders noch zu Beginn der Saison, als Pia und ich den 2:0 Pokalerfolg des FSV gegen den VfL Osnabrück vor knapp 3.500 Zuschauern erlebten. Viele davon waren Eintrachtler - und auch heute entdeckten wir etliche Adler im weiten Rund.

Pünktlich zum Anpfiff lehnten wir entspannt an einem Wellenbrecher und sahen nicht nur ehemalige Eintrachtler im Schwarz-blauen Trikot wie Lars Weißenfeldt oder den klasse haltenden Torhüter Patric Klandt, sondern auch einen hervorragend aufspielenden Youssef Mokhtari, der sich später schwer verletzen sollte.

Die Nürnberger Fans waren laut - einzig die Musik und die Ansagen über die Lautsprecher überboten die Lautstärke noch - der FSV-Block bemühte sich, dagegen zu halten (ein Vorsänger mit Megaphon hockte auf dem Zaun und gab sein bestes), Kinder sausten durch die Stehplätze und Stefan hockte am Spielfeldrand und schoss Fotos für die FR.

Der erste Nürnberger Konter brachte nach einem beherzten Sprint von Eigler das 0:1, doch nur wenig später erzielte Barletta, der Kaptän der Bornheimer, der für den verletzten Ex-Eintrachtler Markus Husterer von Beginn an spielte, nach einer Ecke den Ausgleich. 1:1. Über Lautsprecher brach ein Inferno über uns herein, Oh wie ist das schön dröhnte es aus den Boxen, dass jegliche Freude aus Angst vor Spontanertaubung erstickte.

Interessant waren die Spielstände auf den anderen Plätzen, insbesondere das Spiel Ingolstadt gegen Mainz hatte besondere Bedeutung. Während die Ingolstädter mit den Bornheimern um den Klassenerhalt konkurrieren, zählt Mainz wie der Club zu den Aufstiegsaspiranten - und so bejubelten die Frankfurter die Mainzer Tore, während Nürnberg den Ingolstädtern die Daumen drückte - eine Konstellation, die eher selten ist.

Die Halbzeitpause brachte ein Bobbycar-Rennen und ein Chillen auf den Rängen, die Sonne quetschte sich durchs Stadiondach und weiter gings mit den zweiten fünfundvierzig Minuten.

Wer gedacht hätte, dass der Club aufdrehen würde, sah sich getäuscht; Bornheim hielt dagegen und erarbeitete sich etliche gute Chancen. Mokhtaris Ausfall brachte die Einwechslung von Markus Kreuz und nur wenig später wurde der Spieler Junior Ross eingewechselt, der für mächtig Dampf auf Linksaußen sorgte. Cenci, die Frisur des Tages, scheiterte an Schäfer, dem starken Nürnberger Schlussmann, der wiederum gegen den strammen Schuß von C. Mikolajczak aus spitzen Winkel machtlos war. 81.Minute - 2:1 für den FSV.

Der Nürnberger Pinola (zweiter in der Frisurenwertung) zürnte, der Club versuchte alles, Bornheim hielt clever und leidenschaftlich dagegen, Mintal moserte und flog in der 93. Minute vom Platz und so hieß es am Ende 2:1 für den FSV Frankfurt gegen den 1.FC Nürnberg; die Revanche war gelungen.

Die Bornheimer tanzten ausgelassen und feierten mit den Fans, die überglücklich am Zaun hingen, Humba hier, Humba dort, während der (gegen Spielende immer leiser werdende Nürnberger Anhang) doch recht flott das Stadion verließ. Die Bornheimer Fans aber riefen: Auswärtssieg.

Wir hockten uns noch ein wenig auf die Treppenstufen vor der West in die Sonne, beobachteten das entspannte Treiben selbst höchst entspannt und wanderten dann durch die vom damaligen Gartenbaudirektor Max Bromme erbaute Anlage Waldstadion am Denkmal der unbekannten Läuferin vorbei in Richtung Straßenbahn, die uns zurück zu den Rädern brachte. In der Bahn trafen wir das Eintracht-Urgestein Roland Gerlach, der es sich ebenfalls nicht hatte nehmen lassen, das geschichtsträchtige Spiel zu sehen, an der Bruchfeldstraße verabschiedeten wir uns, sprangen aus der Bahn und flickten nur wenig später Pias Rad an der Tankstelle am Oberforsthaus und radelten dann an den Sandhöfer Wiesen vorbei.

Dieser unscheinbare Sportplatz nahe des Geländes der Uniklinik war 1920 Austragungsort des Endspiels um die deusche Meisterschaft. Damals sahen hier 35.000 Zuschauer ein 2:0 des 1. FC Nürnberg gegen die Spielvereinigung Fürth - die wiederum 1926 im Waldstadion durch ein 4:1 gegen die Hertha selbst deutscher Meister wurde.

Über einen Thai in Sachsenhausen, bei welchem wir vom 2:0 der Cottbusser gegen den VfL Magath erfuhren, ging es bei Sonnenschein zurück in die Hochhausschluchten, zurück ins Nordend - der Reifen hielt. Ein Blick ins Internet zeigte später, dass das Forum Unsere Eintracht geschlossen war - vielleicht das beste, was diesem Verein in diesen Tagen passieren konnte.

Selten habe ich in den letzten Jahren dermaßen entspannt ein Heimspiel gesehen, keine Lautsprecheranlage im Block, keine sinnfreie anlasslose Beschimpfungen des Gegners oder der eigenen Mannschaft, kein sich-selbstfeiern und auch kein seelenloses Rumgekicke, sowie kein Monate-vorher-Ticket-kaufen. Fußball. Einfach nur Fußball. Schön war's.