Grau.
Grau.
Der Morgen. Der Tag. Das Spiel. Der Morgen danach. Volkstrauertag.
Doch der Reihe nach: Samstag morgen um 8:45 wurde ich geweckt - und war erstaunlich frisch für die Zeit. Pia war schon unterwegs gewesen, Brötchen kaufen - und die Rundschau, die mich letzte Woche geärgert hatte, bezeichnete die Frankfurter Zeitung doch das Eintracht-Museum als zweitwichtigste Pilgerstätte für historisch interessierte Fußballfans nach dem Hermann-Nuber-Denkmal in Oxxenbach. Leider finde ich keinen Online-Beleg für jene Worte der zweitwichtigsten Zeitung für Frankfurt, Premiumpartner der Eintracht ist ja bekanntlich die Frankfurter Neue Presse.
Gegen halb zehn marschieren Pia und ich zur stillgelegten Shell-Tankstelle am Nibelungenplatz, wo Peter schon auf uns wartete; ein Hallo und ein Morsche und nach Begutachtung der modernen Front-Kamera am Auswärts-Toyota ging's los auf die A661, auf die A5 - die üblichen Highways auf dem Weg Richtung Westen. Diesig der Tag, das schwere Grau drückte die Farbe aus dem Tag, mal zügelte eine blaue U-Bahn nebenan durch die Gegend, mal eine rote Eisenbahn, ansonsten hing der Dunst schwer in den Tälern der Republik. Blattlos die Bäume, deren Gerippe in den Tag ragten, als reckten sich knochige Finger in die feuchte Luft.
Einen letzten Hessen-Italo-Kaffee nahmen wir an der Raste Herborn für den Preis eines Kleinwagens, eine Cigarette vor der Tür dazu Dann: A45, Sauerland, Lüdenscheid-Süd. Wir wurden ehrenhalber fotografiert, ein Wagen stand an der Seite und begrüßte hurtige Neuankömmlinge und ich schickte meiner Dortmunder Freundin Susi traditionsgemäß eine SMS mit dem Text: Heute gibbet auffe Öhrchen, die SGE ist da.
Wir rollten an der Eintrachtstraße vorbei Richtung Stadtmitte, passierten den Adlerturm und folgten dem Navigationssystem, welches uns exakt die zu fahrenden Kilometer und die zu fahrende Zeit bis zum Ziel angezeigt hatte: Dortmund, Borsigplatz, den wir gegen 12:15 erreichten, die letzten Kilometer begleiteten uns Led Zeppelin, nicht neu, aber gut. Wanna whole lotta love?
Ärmlich wirkt die alte Heimat der Borussia, beim letzten Ausflug anlässlich des Pokalspiels vor fast genau einem Jahr hatten wir hier eine Kneipe namens Big Boss entdeckt und freuten uns schon auf die Einkehr. Schon beim Öffnen der Tür erkannte uns die Wirtin und begrüßte uns herzlich mit den Worten ah, die Frankfurter. Sie lachte Pia an: Ich habe sie gleich erkannt. Wir bestellten zwei Schöppchen und einen Apfelwein, der sich für Peter zwecks Fahrerei in eine Cola verwandelte. Leer war der Big Boss, einzig Anni saß am Tresen, rauchte Cigaretten mit Spitze und erzählte uns, dass Verwandschaft in Stadtallendorf wohnt. Kennt ihr Stadtallendorf, das Hotel da, da war ich schon. Wir kannten Stadtallendorf, dass Hotel da allerdings nicht und bestellten weitere Schöppchen. Wir erfuhren, dass die gehäkelten WM-Fähnchen, die uns letztes Mal noch schwer beeindruckt hatten, noch in der Wäsche waren - und das der Big Boss im nächsten Jahr schließen wird, zuwenig sei los, wenig Jugend und die Älteren stürben weg oder hätten kein Geld. Ein BVB-Dackel wachte auf dem Musikautomaten, den ich mit ein paar Münzen fütterte, und drückte Lieder wie Erna Schybulski oder auf besonderen Wunsch Annis Freddie Brecks Rote Rosen. Anni stand zudem auf Schalke. Ein Dortmunder Original quasi.
Zwei weitere Gäste enterten den Big Boss, wir schwatzten und lachten, bis uns der Hunger in die Nahe gelegene Pommes-Bude im Gründungshaus der Borussia trieb. Currywurst, Pommes, Bier - es ist das einfache Leben, das uns erfreut, und das doch peu a peu ausstirbt; vielleicht ist die aktuelle Bundesligatabelle ein Spiegelbild gesellschaftlichen Lebens: Entweder bist du oben dabei - oder Bodensatz, jederzeit in der Lage, den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Wir verließen das Herz Dortmunds und suchten unseren Weg via PKW zu den Parkplätzen am Stadion, bei Eintracht Dortmund wurden wir fündig. Da wir nicht die einzigen waren, reihte sich Peter in die Schlange ein, während Pia und ich uns Richtung Gästeblock aufmachten, und für unseren Fahrer noch eine Karte erstanden. Gegen die üblichen Gepflogenheiten, gab es dann im Stadion noch einen Schoppen, schließlich hatten wir dem GründelHeinz versprochen, noch einen BVB-Becher mit zu bringen, und so hielt ich den Herrn Metzelder in der Hand, 3,50 + Porto.
Im 61er war es dann recht voll, die Sicht von unserem Platz ganz ordentlich, gegenüber die gelbe Wand, jede Menge gelbe Fahnen auf dem Platz und dazu das übliche You'll never walk alone.
Kaum war das Spiel angepfiffen, hüpfte Nikolov nach einer Ecke an der Kugel vorbei und Subotic köpfte zum 0:1 ein. In der 19.Minute klingelte es zum zweiten Mal, Fink verlor den Ball im Mittelfeld, zackig kombinierten die in schwarzen Trikots und gelben Hosen kickenden Dortmunder nach vorne, Blaszczykowski umkurvte Galindo, passte zu Hajnal, der keine Mühe hatte, den Ball ins Tor zu kicken. Zeit zum Ärgern blieb nicht viel, denn schon sieben Minuten später flankte Hajnal auf Subtoic, der zum zweiten Mal ins Tor köpfte.
26. Spielminute - 3:0 für Dortmund.
Oleeeeeeee super BeeVauBee tönte es über die Lautsprecher - und der Drops war gelutscht. So ganz wollte ich die Hoffnung jedoch nicht aufgeben - jetzt noch den Anschlusstreffer,und alles wäre noch drin, so hoffte ich, zumal erst Kehl und dann Valdez auf Dortmunder Seite den Platz verletzungsbedingt verlassen mussten - vergeblich.
In der Zweiten Halbzeit vehinderte Nikolov mehrmals in letzter Sekunde ein weiteres Tor, das dann in der 69. Minute doch noch fiel. Zum dritten Mal bereitete Hajnal einen Treffer vor, diesmal hieß der Torschütze Santana. Was folgte war eine Einwechslung Caios, mehrere Hinfaller Fenins, ein nicht gegebener Abseitstreffer der Gastgeber und dann Torjubel der Eintrachtfans; gleich fünfmal wurden imaginäre Treffer gefeiert - allein die beiden Anzeigetafeln verkündeten einen 4:0 Heimsieg der Borussia gegen die Eintracht.
Wir verließen den Block, Dortmunder und Frankfurter mengten sich friedlich beim Abgang, ich entdeckte einen handgestrickten Schal aus den Siebzigern, und so trieben wir mit der Menge mäßig gelaunt Richtung Parkplatz. Ein Weilchen standen wir im Stau und alsbald lösten sich die roten Lichter vor uns auf und wir schossen ins frühe Dunkel der Nacht.
Knapp zwei Stunden später hielten wir an der Shell-Tanke, an der wir aufgebrochen waren. Shake Hands, Danke und Gute Nacht. Peter hatte noch ein paar Kilometer vor sich, während Pia und ich Richtung Heimat marschierten. Ich hasse 0:4 Niederlagen in Dortmund. Vor allem, weil mein Handy piepte. Susi fragte nach, wie das mit auffe Öhrchen gemeint war.
So nicht!
Unser Museum soll - wenn auch "nur" als Pilgerstätte" - nach einem Denkmal kommen und das auch noch für "historisch interessierte Fußballfans"?
AntwortenLöschenDa kann der gemein(t)e "Fußballfan" entweder nur einseitig "interessiert" sein oder "historisch" gar nicht.
Das ist "grau", meine Damen und Herren von der Frankfurter Rundschau. Viel "grauer" als ihr die Frankfurter Eintracht oft beschreibt.
Eine Frage am Rande: Meint die FR mit "Denkmal" am Ende die Büste vor dem maroden Spielort des Vizemeisters von 1959? Die hat - wie der Spielort - auch schon bessere Tage gesehen, wenn ich mir das Foto in Wikipedia anschaue...
Hallo Beve,
AntwortenLöschendas ist ja wie "mitten drin" bei Dir. ;-) Super.
Plant ihr auch nach Bremen und vor allem nach Hamburg zu pilgern?
*Freu*
Uwe
kid, ich glaube in diesem falle muss ich mir ungenauigkeit vorwerfen lassen, ich hatte den beitrag der fr sinngemäß zitiert, den genauen wortlaut finde ich nicht mehr. ob wirklich "historisch interessiert" geschrieben stand, vermag ich nicht zu sagen.
AntwortenLöschenuwe,ob wir in bremen oder hamburg sind, steht noch in den sternen, wir planen kurzfristig :-)
dank und gruß
beve
Das wäre geklärt, Beve: Klick. :-)
AntwortenLöschensehr schön, da hatte ich den text ja doch quasi richtig in erinnerung :-)
AntwortenLöschenskandal sowas.
Schlechte Nachricht mit der Eck-Kneipe am Borsigplatz. Das Ding war definitiv das Highlight beim Pokal letztes Jahr. War aber eh nur eine Frage der Zeit, ob durch Rauchverbot oder biologische Grenze der Stammgäste, bis das unausweichliche Schicksal eintreten wird. Dann eben Sinsheim. Aber ohne mich.
AntwortenLöschenja, das war das highlight, ich wollt dir noch ne sms schicken - leider ist meine handy-karte neulich abgekackt und hat die alten nummern gekickt.
AntwortenLöschenwas ist sinsheim?
viele grüße
beve
Hallo Beve,
AntwortenLöschen"Diesig der Tag, das schwere Grau drückte die Farbe aus dem Tag, ..., ansonsten hing der Dunst schwer in den Tälern der Republik. Blattlos die Bäume, deren Gerippe in den Tag ragten, als reckten sich knochige Finger in die feuchte Luft.", wie gerne wären ich & mein Fotoapparat dabei gewesen.
Ich weiß, Ihr plant kurzfristig, aber wenn Ihr es nach Berlin schafft, laßt es mich wissen. Auch kurzfristig!
Weiterhin sichere Straßen,
Fritsch.
danke dir, nach berlin werden wir fahren -so gott will.
AntwortenLöschenviele grüße
beve