Pia hat sich schon am Freitag entschlossen, ausnahmsweise mal nicht ins Stadion zu gehen - im Nachhinein eine weise Entscheidung und würden mich andere Umstände nicht daran hindern, hätte ich es ihr gleich getan. Die anderen Umstände liegen darin begründet, dass ich seit Jahren mit meinem Daddy ins Stadion gehe - und das ist unabhängig vom Ergebnis und Spielverlauf meine Geschichte. Und seit geraumer Zeit bahnt sich Zuwachs an. Timm, mein Neffe, wurde im letzten Sommer sechs Jahre alt - und noch im Alter von fünf haben wir uns das Freundschaftsspiel der Eintracht in Aschaffenburg angeschaut. Acht blitzsaubere Tore gabs zu sehen. Noch im vergangenen Jahr konnte Timm gegen Hoffenheim seine Premiere in der Arena feiern; ich selbst lag krank im Bett - und die Eintracht ging mit 0:4 unter. Durch Pias Verzicht ergab sich nun die Möglichkeit, ein zweites Heimspiel in der Arena zu sehen - mit Opa, Onkel und sich.
Und da folgt auch schon das erste Dilemma; der kleine Kerl scheint recht angefixt und für ihn ist es eine Riesensache, mit uns mit zu kommen und das Erlebnis Fußball zu lernen, während es mir immer weniger Freude bereitet - und das Spiel gegen Hannover sollte ein weiterer Beleg für meine Unlust werden.
Und das liegt nicht daran, dass die Eintracht mit 0:3 verloren hat - wobei Timm nach dem 0:1 zu mir meinte: Axel, weißt du was, das ist doch gar nicht schlimm. Wenn die Eintracht noch drei oder vier Tore schießt, dann gewinnt sie noch. Viel zu gucken gabs ja - und viel zu singen. Da singt der kleine Kerl doch tatsächlich bei Schwarz-weiß-wie-Schnee mit und hält beim Herzen von Europa seinen Schal hoch - alleine dafür hat sich schon der Besuch des Spiels gelohnt. Schade, dass sich die Vereine solche Szenen mit 20 Euro pro Kindersitzplatz bezahlen lassen.
Bei der Eintracht hütete Nikolov das Tor. Noch ein schade, - da hat der Trainer eine gute Möglichkeit verpasst, einen Torwartwechsel im Sinne der Eintracht vorzunehmen. Nichts gegen Oka - aber Fährmann hat seine Sache während Okas Verletzung gut gemacht. Und wenn man einen jungen Torhüter verpflichtet, dann sollte er auch früher oder später sein Talent unter Beweis stellen können. Würde Fährmann jetzt eine halbe Saison durchspielen, dann wüssten wir im Sommer: Jawoll, der ist's, der hat's bewiesen - oder wir wüssten definitiv, dass eine Trennung sinnig wäre. So wissen wir gar nichts.
Naja, ein bisschen schon - wir wissen, dass Meier und Altintop zur Zeit alles andere als auf der Höhe ihrer Schaffenskraft sind - und doch schauen wir von Woche zu Woche verwundert auf die Startaufstellung, in der beide regelmäßig auftauchen. Sicher, wenn sie in Form sind, dürfte kaum ein Weg daran vorbei führen. Wenn. So schmoren Fenin oder Amanatidis regelmäßig auf der Bank und zeigen bei Kurzeinsätzen mehr Feuer als ihre Kollegen - wie auch gegen Hannover. Allerdings führte 96 da schon mit 2:0 und vor allem für Altintop begann ein Spießrutenlaufen - in welches ihn der Trainer sehenden Auges schickte. Die Seelenlage eines Fans ist manchmal hochverzwickt doch im Falle Altintop sehr einfach zu durchschauen: man musste kein Psychologe sein, um zu erkennen, dass die Geduld für unseren Zehner erschöpft war; dass sich schon seit Wochen abzeichnete, was kurz vor dessen Auswechslung Wirklichkeit wurde. Obgleich Altintop nicht das schlechteste Spiel ablieferte, wurde er gnadenlos ausgepfiffen. Das war ungerecht und unwürdig zugleich - aber es war abzusehen. So hätte Skibbe in der Halbzeit reagieren und Altintop vor den Fans schützen müssen. Dies tat er nicht, er warf ihn wider besseren Wissens den "Anhängern" zum Fraß vor. Hinter mir ertönte es: Hol den Dreggsterkk endlisch runner. Es wäre wenig verwunderlich, wenn Altintop noch vor Ende der Wechselfrist die Eintracht verlassen würde. Das wäre bedauerlich, denn er hat Potential - derzeit hat er nur noch einen teuren Vertrag und ein Standing auf der Höhe Tebers.
Dabei ist er in der Chancenverwertung gar nicht mal so viel schlechter als sein Pendant auf der rechten Seite, Patrick Ochs. Kid hat ja drüben in der Klappergass mit schöner Regelmäßigkeit die Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit aufgegriffen - was vielleicht zu wenig zur Sprache kommt ist das Missverhältnis im Zusammenspiel mit Jung. Die rechte Seite hätte weitaus mehr Potential, wenn die beiden Frankfurter Eigengewächse harmonieren würden, was sie meiner Ansicht nach nicht machen. Und das liegt meines Erachtens an Ochs, der den mitlaufenden Jung zu wenig ins Anspiel mit einbezieht. Manchmal hat es gar den Anschein, als dokumentiere Ochs: Sieh her, ich bin hier der Platzhirsch und du stellst dich hinten an - aber ich kann mich täuschen.
Zu guter Letzt bin ich kein Freund vom Spiel mit einen Stürmer, von dessen Treffsicherheit das Wohl und Wehe der Eintracht abhängt. Die Laufbereitschaft und die Quote von Gekas in allen Ehren - aber wenn aus dem Mittelfeld keine Bälle kommen, wenn weder von rechts noch von links vernünftig geflankt wird, dann wäre es an der Zeit, sich Gedanken über eine variable Taktik zu machen. Und da gehört nicht der langweilige Witz dazu, Caio nach 45 Minuten einzuwechseln, in der Hoffnung, dass ein Freistoß ins Tor segelt. Selten habe ich in den letzten zwanzig Jahren eine Saison emotionsloser hingenommen.
Von all dem weiß Timm natürlich noch nicht viel. Er wundert sich, dass er dauernd aufstehen und sich dann wieder setzen muss und dass manchmal Sachen geworfen werden. Er wird noch lernen, dass nicht nur Plastikdeckelchen durch die Luft fliegen, sondern manchmal auch gefüllte Becher. Er hört es nicht, wenn von irgendwoher Ya Konan du schwule Niggersau erklingt.
Doch er wird nach sieben Gegentoren in zwei gesehenen Heimspielen und keinem einzigen erzielten Eintrachttreffer irgendwann auch mal in unseren Armen liegen und sich freuen.
Alleine letzteres ist es wert, ins Stadion zu gehen - obgleich ich eigentlich keine Lust mehr auf diesen überteuerten Bundesligazirkus habe, inmitten eines Sicherheitswahns bei dem Kinderrucksäcke durchsucht werden - (natürlich nur die vordere Tasche, die Bengalos hatten wir hinten) und die Masse Mensch jetzt auch in Frankfurt auftreten kann, wie ich es bei anderen Vereinen immer gehasst habe: Als niederträchtiges Etwas, das die eigenen Leute lustvoll destruiert und in dem einzelne Individuen derartig widerwärtig auftreten, dass die Gewaltdiskussion neu geführt werden müsste.
Ja. Ja. Und nochmal ja.
AntwortenLöschenich bin eben über die worte gestolpert, dass ich mich "ausnahmsweise" mal dazu entschlossen hätte nicht ins stadion zu gehen. stimmt eigentlich auch. nach dem gelesenen und gehörten (bewegte bilder hab ich mir keine angeschaut) glaube ich, dass man das "ausnahmsweise" ruhig durchstreichen kann.
AntwortenLöschenDabei hast du noch Glück gehabt, du konntest dir wenigstens eine Eintrachtniederlage ansehen. Ich aber muss meinem Patenkind zuliebe am Samstag zu 96 - S04! Das ist hart.Ich glaube, ich werde zwischen 15.30 und 17.15 die Augen schließen und mir die Ohren zuhalten.
AntwortenLöschenGut getroffen, Beve. Die Pfiffe gegen Altintop sind nicht gerechtfertigt, obwohl er meiner Meinung nach auch am Sonntag nichts hinbekommen hat. Der große Vorsitzende meinte ja, dass die Pfiffe nicht dem Spieler direkt angedacht waren, sondern eher der Frustentladung dienten. Ich stimme da in Teilen überein. An den Pfiffen gegen Altintop hat Skibbe jedoch großen Anteil, weil er Altintop so lange auf dem Feld agieren ließ, Amanatidis viel zu spät aufs Feld schickte und die Einwechslung Caios allen nur ein leichtes Schmunzeln ins Gesicht stiegen ließ. So sehr ich den Trainer auch schätze, aber gestern war er bei der Aufstellung und Auswechseltaktik hilflos und überfordert. Wie die meisten seiner Spieler.
AntwortenLöschenWie immer sehr lesenwert, Beve. Schade, dass aus deinem Text soviel desillusionierte Gefühle sprechen.
AntwortenLöschenSchade, dass sich die Vereine solche Szenen mit 20 Euro pro Kindersitzplatz bezahlen lassen.
AntwortenLöschenEs ist überhaupt schade, auch ohne solche Szenen.
Alleine letzteres ist es wert, ins Stadion zu gehen
Das verstehe ich, Beve.
Und danke für den lesenswerten Eintrag.
Gruß vom Kid
Vieles auf den Punkt gebracht. Danke dafür.
AntwortenLöschenBesonders passend zum Thema Pfiffe gegen einen eigenen Spieler!
Scheinbar hatte ich am Sonntag wohl mehr Glück, weil auf die Spezies "einzelne Individuuen derartig widerwärtig auftreten, dass die Gewaltdiskussion neu geführt werden müsste." bin ich am Sonntag zum Glück nicht getroffen.
Lieber Beve,
AntwortenLöschenseit 3 Jahren hat der kleine Napoli (wird im Feb. 9 Jahre) eine DK. Vorher kam er umsonst mit und mußte auf meinem Schoß jegliche Erschütterungen ertragen, die ein Eintracht-Spiel mit sich bringt. Aber ich möchte auf etwas anderes hinaus - das Pricing: Auch als ich zarte 5 Jahre alt war (also 79/80) betrug der Eintrittspreis für einen solchen Steppke, der Pezzey, Holz, Nickel und co. (Grabi war leider schon verletzt) bejubeln wollte, auf der HT satte 20 DM. Mein Vater, ein Pädagoge von Haus aus, bestand damals auf einen Platz auf der Haupttribüne. Und er bestand eben auf diesen 20 DM-Platz von dem aus "man das Spiel beobachten kann". Und er bestand weiterhin darauf, dass ich die beiden Karten für ein Heimspiel bezahlte. Das waren 40 DM pro Spiel, denn auch schon damals bezahlte der 5jährige voll für einen Sitzplatz. Und was machte der Pädagoge? Er gab mir in Spielmonaten genau 90 DM Taschengeld. Und so gingen immer 80 DM für 2 Heimspiele drauf und ich hatte, wie jeder Junge, genau 2,50DM pro Woche übrig. Das war mir schon damals die Eintracht wert;))
Über Pricing könnte man allerdings diskutieren....
Emotionslos und desillusioniert. Das ist so in etwa auch meine Stimmung am Sonntag gewesen. Was habe ich mich über die Niederlagen in der Vorrunde gegen Hannoi, Köln und Aachen aufgeregt.
AntwortenLöschenVorgestern habe ich das Spiel einfach nur über mich ergehen lassen, schulterzuckend, schon vorher ahnend, wie es laufen würde. Ein bisschen schade fand ich es im Nachhinein, das ich das schöne Wetter am Sonntag Nachmittag nicht dazu genutzt habe, um mit meinem Hund einen ausgiebigen Spaziergang gemacht zu haben.
Meine Freundin meinte, dass dies der Anfang vom Ende meiner Eintracht-Leidenschaft sei, als ich nach der Klatsche völlig unaufgeregt und entspannt nach Hause kam und mit mir vollkommen normale Konversation möglich war. Wer weiss, vielleicht hat sie recht, vielleicht nicht..
Wir sehen uns morgen im Museum
Gruss Holger
danke fürs feedback. wer weiß, vielleicht könnte man das alles leichter sehen, wenn zum ganzen nicht noch die tatsache kommt, dass etliche millionen miese eingefahren werden. da die vereinsführung ja nicht weiß, gegen wen die fünfzig punkte geholt werden sollen, wäre es sicherlich charmanter gewesen, mit jungen leuten wie tosun, alvarez oder fährmann die zukunft anzutesten. für internationale plätze reichts offensichtlich auch jetzt nicht. obgleich niemals zuvor die gelegenheit so günstig schien.
AntwortenLöschennapoli, die hütte ist meist voll, die preise scheinen leider gerechtfertigt - wobei immer häufiger von den besten fans der liga das wenig leidenschaftliche argument: ich hab bezahlt, ich forder leistung kommt. und wer sich's nicht leisten kann, der hat pech gehabt. wie überall im ungerechten erdendasein unserer tage.
desillusioniert bin ich nicht wirklich - so richtige illusionen hatte nicht - aber gerade der vergleich mit dem griecheland erlebnis (ticket am kassenhäuschen und oldschool-verkäufer im block) zeigt, dass die inszenierung des fußballspiels auch ohne firlefanz auskommt.
die folge aber wird sein, dass ihr ab nun häufiger ohne heimspiel in ... auskommen müsst. ich habe zwar keinen hund - aber schönes wetter kann man auch anders nutzen.
bleibt sauber
beve
"die folge aber wird sein, dass ihr ab nun häufiger ohne heimspiel in ... auskommen müsst."
AntwortenLöschenUnd das ist sehr schade. Aber aus deiner Sicht eben auch sehr verständlich und konsequent.
Gruß
Uli
schade ist es schon, aber teuer und zu oft fustrierend. mehr wilhelmshaven und weniger schalke, das wärs - zumindest wie ich mir freizeit vorstelle. aber münchen, jetzt auch bremen, schalke, mainz, stehplatz freiburg - das braucht doch kein mensch. hamburg ist was fürn sommer - wie fußball generell. es fehlt die lust, mir von der sicherheitsmafia wege vorschreiben zu lassen, mich antatschen zu lassen und mir gedanken zu machen, was ich in meinen taschen habe - um bspw. für knapp 20 euro in köln zu stehen und dann noch dumm zu verlieren.
AntwortenLöschenOha. Kenn ich. War mit Max im Stadion, sein 2. Spiel nach Hoffenheim. Immer noch stolz mit signiertem Gekas-Trikot. Immerhin hat er neue Schimpfwörter gelernt, die er nun gewinnbringend in der Schule anwenden kann...
AntwortenLöschenNächster Versuch ist Gladbach, danach lass ich ihn ohne mich hin und latsch 2 Stunden durch den Stadtwald. Denn ich glaub bald die da unten können mich nedd leiden. Versteh ich ja, aber wenigstens für Max könnten se mal ein Auge zudrücken...
Illusionen haben anscheinend in diesem Geschäft schon gar nichts mehr zu suchen, ich glaube diese Zeiten sind schon seid Jahren vorbei. Schade, aber natürlich nicht zu ändern. Das was bleibt, ist das man hier und woanders darüber Leute kennenlernt, die genauso denken und die sind es weiterhin wert das Geschehen entsprechend zu begleiten. Und Stehplatz Freiburg und so vieles andere sind es einfach nicht wert sich schöne Sonntag Nachmittage (neben den 105 min im Fernsehen) komplett durch eine Deutschland zu versauen.
AntwortenLöschengereizt, das ist ja ein ding. mal gucken, wann die beiden sich treffen und mit großen augen feststellen, dass bei beiden gemein ein 0:4 und ein 0:3 der beginn einer großen liebe war :-)
AntwortenLöschenthorsten, das unterwegs sein ist immer gut. bewegung, andere bilder. schade, dass es beim fußball nicht mehr soviel spaß macht. radio, tv, leute - genau, es gibt alternativen.
es grüßt euch
der beve
Die wahre Liebe beginnt immer mit einer Niederlage. Nur dann kann sie wirklich wachsen & groß werden.
AntwortenLöschenUnd immer wenn ich unterwegs bin, freue ich mich hier einen Zwischenstopp einzulegen. Danke, Beve!
Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen,
Fritsch.
Zwischenstopp ist immer gut. Niederlagen nicht wirklich. Aber der Nachwuchs trägt in sich, was den älteren abgeht: Hoffnung.
AntwortenLöschenViele Grüße
Beve
Im Familienblock kostet die Karte für Vater und Sohn jeweils EUR 16,00.
AntwortenLöschenDas Beschimpfen eigener Spieler habe ich noch nie verstanden, aber das gab es früher leider auch schon, obwohl ich auch denke, dass es schlimmer wird und jedes Jahr ein Sündenbock gesucht wird.
Grüße
ChrisW