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Und so kehrte ich nun acht Jahre später an die Wurzeln zurück.
Mit dabei waren, wie es sich gehört, Pia und der silberne Golf und wir erreichten nach einer sonnigen Tour das Stadion ohne Zwischenfälle, parkten auf dem Parkplatz vor den Einlasstoren und marschierten vollgepackt mit Notebook, Funkmikro und Kabeltrommel zur Sprecherkabine. Schon am Tag zuvor hatte ich die Gegebenheiten vor Ort besichtigt; skurril war die Bedienung der Anzeigetafel: über einen alten 286er Rechner ohne Windowsoberfläche wird die Tafel angesteuert, ein Job, den dankenswerter Weise ein Kollege übernahm, so dass ich mich vollständig auf die Worte konzentrieren konnte. Ein kurzer Test ergab, dass das Mikro von jeder Position im Stadion zum Empfänger funkte, während das Notebook tadellos mit der vorhandenen Technik kommunizierte - es war also angerichtet.
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Mächtige Zäune, vor Jahren wohl aus Dortmund importiert, umrahmten das Spielfeld, die gelben Tore zeugen noch heute vom ehemaligen Standort; sie hatten einst wohl eine fragwürdige Berechtigung, als die Viktoria noch ein ambitionierter Verein mit einigen Zweitligajahren auf dem Buckel war, der es 1987/88 sogar bis ins Viertelfinale des DFB-Pokals geschafft hatte - unter Anderem durch ein 1:0 gegen den bis dato ungeschlagenen Ligaspitzenreiter 1. FC Köln. 12.000 Zuschauer waren damals vor Ort und sie sahen den eigentlich letzten Auftritt des legendären blauen Pullovers des Kölner Trainers Udo Lattek, den dieser in der Liga aber doch noch tragen wollte.
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Die Sonne zauberte einen freundlichen Wolkenhimmel in den Nachmittag und pünktlich wie die Maurer trafen beide Mannschaften ein, die Eintracht in ihrem großen Bus, die Aschaffenburger naturgemäß etwas bescheidener in PKWs. Eingetroffen waren nunmehr auch die Mitglieder der Blaskapellen Obernau und Gailbach in voller Montur, die nur wenig später angeführt von Horst Grimm aufs Spielfeld marschierten und kräftig musizierten. In den VIP-Räumen ließen es sich derweil ehemalige Spieler der Viktoria im Verbund mit unseren Frankfurter Helden von 59/60 gut gehen. Billy Ott, Museumsmitarbeiter und guter Geist der Meistermannschaft betreute die angereiste Frankfurter Delegation, die aus den Aktiven Bechtold, Lindner, Lutz und Rothuber sowie den Spielerfrauen Bäumler, Höfer, Lutz, Kress und Rothuber bestand. Letzmals kam es hier zu einem höherklassigen Duell im April 1960. Die Eintracht ließ damals am Schönbusch zwischen den Europapokalduellen gegen Glasgow beim 4:4 zwei wichtige Punkte liegen - genutzt hats aber auch der Viktoria nicht viel - es sollte die letzte Saison in Deutschlands höchster Spielklasse werden.
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Mittlerweile hatte die Blasmusik das Spielfeld verlassen, aus den Boxen erklang die Aschaffenburger Hymne Blue and White, die noch aus Zeiten stammt, als Horst Heese gemeinsam mit Bernd Hölzenbein die Aschaffenburger trainierte, während ich zu Ehren der 59er auf das Herzen von Europa verzichtete; statt dessen erklang: Der Meister heißt Eintracht - und ein Meister sollte später tatsächlich auf dem Platz stehen: Sonny Kittel, der Junge, der mit der U17 im Sommer den Titel für die Eintracht gewonnen hatte.
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Natürlich gabe es quasi Einbahnstraßenfußball zu sehen; nach elf Minuten klingelte es zum ersten mal im Kasten von Jochen Seifert; Alvarez war zur Stelle. Caio traf ein paar Minuten später zum 2:0 und beinahe hätte Fährmann nach einem Abschlag noch einen weiteren Treffer erzielt. Nach 25 Minuten musste der Aschaffenburger Keeper angeschlagen vom Platz - behandelt wurde er von Christel Arbini, die sonst für die Deutsche Frauen-Nationalmmanschaft zuständig ist und sich für dieses Spiel der Pflege der Aschaffenburger widmete. Doch auch der neue Torhüter konnte das 0:3 durch Altintop, der mehrere Pfosten- und Lattentreffer zu verzeichnen hatte, nicht verhindern. Zur Halbzeit stand es trotz aufopferungsvollem Kampf seitens der Gastgeber 0:6, erneut Caio und zwei Mal Alvarez hatten die weiteren Tore erzielt.
Mit dem Halbzeitpfiff marschierte die Blaskapelle erneut aufs Feld, und sie ließen sich auch nicht großartig stören, als die Mannschaften zurück kamen. Auch das Eintreffen der Schiris wurde allenfalls nebenbei zur Kenntnis genommen - ebenso wie den Anpfiff. Und so kam es zu der skurrilen Situation, das die Musik erst während des laufenden Spieles vom Spielfeld spazierte. Das würde ich mir mal in der Liga wünschen. Großartig.
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Bei der Eintracht, die neben den schon länger Verletzten auch ohne Franz, Gekas und Nikolov angereist war, erhöhte durch Amanatidis auf 7:0 - und dies sollte auch bis kurz vor Schluss der letzte Treffer bleiben. Auf der Gegengrade supporteten die Treuesten der Treuen ihre Viktoria, auch ein Eintracht wir danken dir war zu hören und Torhüter Patsiouras verhinderte mehrfach einen höheren Rückstand. Erst in der 83. Minute fiel der letzte Treffer für die Eintracht, Amanatidis war zum zweiten Mal erfolgreich gewesen.
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Der Eintrachtbus machte sich unter Gewinke vom Acker, das Stadion leerte sich zusehends und ganz zum Schluss konnte man einen Mann suchenden Blickes auf dem Gelände entdecken. Das war ich, der seinen Autoschlüssel kurzzeitig verlegt hatte - aber auch dieser tauchte wieder auf - und so verabschiedeten wir uns von Timm und seiner Mama und rollten über Stockstadt zurück auf die A3. Schön war's, ich denke auch den Helden der Fünfziger Jahre dürfte es gefallen haben - die stets zufrieden sind, solange die Worscht und der Schoppen schmeckt.
Einen kleinen Bericht findet ihr hier, ebenso mehrere Fotostrecken aus dem Spiel. Und denkt dran, die Eintrittskarten für das Spiel behalten auch für die nächsten beiden Heimspiele der Viktoria ihre Gültigkeit. Dann treffen die Aschaffenburger auch wieder den Kasten.
Fotos: Pia Geiger
Video: Youtube
Sehr schön. Sei bedankt, Beve. Gruß vom Kid
AntwortenLöschendanke, auch für den link im blog_g
AntwortenLöschenviele grüße
beve
Das schöne am Leben sind doch die verschlungenen Wege & daß man irgendwann immer wieder an den Ort des Beginns zurückkehrt. Danke, Beve!
AntwortenLöschenViele Grüße & weiterhin sichere Straßen,
Fritsch.
sehr schön....allerdings hat die Eintracht weiland '60 nur EINEN Punkt liegen lassen (2-Punkte-Regel)
AntwortenLöschenGern gelesen und viel Wissenswertes, Lustiges und Interessantes erfahren - über Aschaffenburg, die Viktoria, über Beve und die Welt an sich. Jetzt liegen in Aschaffenburg also nicht nur deine Sprecher-, sondern auch die Eintracht-Wurzeln von Timm :-)
AntwortenLöschenEine kleine Einschränkung muss ich aber doch machen: So schön der Bericht ist - an die Jakob Sisters kommt er nicht ganz heran *g
wusste auch nicht, dass es so viele berührungspunkte zwischen den beiden vereinen gab.
AntwortenLöschenhätte ich nicht gedacht.
danke fürs berichten.
lg daniel
vielleicht sollte man nur noch zu solchen spielen gehen. ein sportplatz, der den namen noch verdient hat. (ok, die bvb-zäune waren etwas überdimensioniert.)
AntwortenLöschennette leute, leuchtende kinderaugen ...
vip-lounge mit brezel und schlappeseppl, bänke mit bezügen aus den achtzigern. das hatte charme.
und die blaskapelle, ok, als hesse gewöhnungsbedürftig - aber wie die ihre dicke-backenmusik durchgezogen haben, das hatte stil.
ein schöner abend bei bestem wetter und stadionsprecherheimspielatmosphäre :-)
danke euch für's feedback; den lapsus mit den punkten lasse ich mal oben stehen, es wird ja hier aufgeklärt. kerle, jahrelang lebte ich mit der zwei-punkte-regel und jetzt habe ich sie völlig verdrängt.
AntwortenLöschenwitzig wars. und schön.
viele grüße
beve
und die jacob sisters sind großartig :-)
AntwortenLöschenBlaskapelle rulez!
AntwortenLöschenhi axel, dein bericht ist zwar wie immer top, wird aber knapp um haaresbreite übertroffen von den 4 zappelnden blondchen. ich konnte meine augen nicht abwenden. kindheitserinnerungen wurden wach. mir war damals unerklärlich, warum diese gören JACOB sisters heissen, waren doch alle mädchen und jacob doch ein jungenname.
AntwortenLöschendanke für den link!
und für den bericht natürlich auch.
hehe sehr schön, ich bin immer noch begeistert. von der kapelle - und den jacobs :-)
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