Seiten

Montag, 16. August 2010

Heimspiel in Wilhelmshaven


Moin. Unter der Woche kam ich in den Genuss, dem Auftritt von U2 in der Arena beizuwohnen, deren Bühne über eine Woche lang auf dem heiligen Rasen aufgebaut wurde. Tag für Tag wuchs ein riesiges Etwas in die Höhe - die Space Station, die nun bunt beleuchtet ein imposantes Bild abgab. Sogar der überdimensionale Videowürfel wirkte wie ein kleiner Fernseher neben dem gigantischen Bau. Musikalisch war U2 zwar seit 1987 nicht mehr so mein Ding - mal abgesehen von dem wunderbaren One, das in der Version von Johnny Cash noch intensiver klingt. Die alten Songs aber sind immer noch hörenswert und so rauschten wir (Pia, der silberne Golf und ich) am Freitag in rechter Frühe über die Autobahn, während Bono wohl über Offenbach sang: Where the streets have no name.

Unser Ziel war erstmalig in der Geschichte Wilhelmshaven, wir folgten sozusagen den Spuren der Herren Cengiz, Famewo und Kryszalowicz, die allesamt sowohl für die Eintracht als auch für den SV Wilhelmshaven die Fußballstiefel geschnürt hatten - heute jedoch nicht mehr in WHV aktiv sind.

Während mein altes Notebook noch am Morgen schwächelte und somit den düsteren Anforderungen eines Freitag den 13. genüge getan wurde, brach auf dem Highway die Sonne durch und leitete uns wohlwollend Richtung Norden. Wir zogen an den Kumpanen vorbei, die auf einem Hügel stehend die Autobahn beobachteten, stotterten uns über etliche Baustellen und stellten fest, dass auf der A45 nahezu alle kleinen Parkplätze als Baustelle ausgewiesen und zum Rasten denkbar ungeeignet waren.

Die Talbrücke Brunsbecke trägt einen eher ungewöhnlichen Namen während wir auf dem Rastplatz Im Mersch auf die munteren Gesellen John, Marc, Niko und Olli trafen, die gut gelaunt der Espresso-Verkäuferin nachschauten. Bei Cloppenburg gedachten wir Ansgar Brinkmann, der vor seinem Wechsel zur Eintracht hier unterklassig kickte, und sausten später an Großenkneten vorbei - ein Ort, welcher untrennbar mit der Kapelle Trio in Verbindung steht - und ansonsten ähnlich unbekannt geblieben wäre wie bspw. Colnrade ein paar Meter daneben.

Auf den Feldern am Rande der Autobahn kackte eine Kuh, die obligatorischen Windräder drehten sich majestätisch und nach knapp fünf Stunden Fahrzeit verließen wir die A29 bei Sande und rollten durch Friesland gen Wilhelmshaven zum Pumpwerk.

Die Jungs von der Bembelbar hatten diese fantastische Location nicht nur als Veranstaltungsort der abendlichen Sause ausgewählt sondern gleichfalls dafür gesorgt, dass auf einem ehemaligen Militärgelände, auf dem nun die Interessensgemeinschaft zur Erhaltung historischer Fahrzeuge ihr Domizil hat, gezeltet werden durfte. Und wir waren beileibe nicht die ersten; zig kleine Zelte säumten das Gelände, linker Hand der Ems-Jade-Kanal, in dem einige Schiffe allem Anschein nach schon länger vor sich hin dümpelten; weiter vorne wuchs das schicke Hotel Columbia in die Höhe.

Erste Runde im DFB-Pokal; es ist eines dieser Spiele, die den ganzen Wahnsinn der Eintracht Fans zeigen: Tausende hatten sich auf den den knapp 500 km langen Weg gemacht um fernab der Heimat zu zelten, zu feiern und die Eintracht zu sehen: Hier winkte Busi, dort hockten Presi und Holger, überall gab's ein großes Hallo, während wir geübt das kleine Zelt direkt unter einem Apfelbäumchen aufbauten und Schlafsack nebst Decken darin verstauten. Mittlerweile waren auch die Jungs vom Rastplatz Im Mersch eingetroffen, Apfelwein wurde getrunken, Scherze und Gelächter allenthalben zeichneten ein freundliches Bild.

Nach einem kleinen Spaziergang brachen wir auf Richtung Jadestadion - schon vor der Abfahrt hatte ich mir ausgemalt, wie ich Krabben pulend bei strahlender Sonne durch Wilhelmshaven schlendere - nun fehlten nur noch die Krabben. Wir überquerten eine kleine Brücke, trafen auf Filzi der es sich neben vielen anderen an einer Wirtschaft, der Deichbrücke, bequem gemacht hatte und wanderten in die Fußgängerzone. Dort erwartete uns ein gigantisches Einkaufszentrum, die Nordsee-Passage und dort trafen wir zunächst noch nicht auf Krabben, dafür aber auf Gerold und Käthe; zwei Eintracht-Urgesteine die wahrscheinlich mehr Geschichten erzählen können, als wir alle zusammen - und so war es dann auch; Gerold ist in Wilhelmshaven aufgewachsen; kannte die Straßen und Sehenswürdigkeiten und saß neben einer Schulfreundin, die uns natürlich genau sagen konnte, wo wir denn hier Krabben bekommen - die in dort der Gegend übrigens Granat genannt werden.

Nur wenig später hielt ich einen großen Beutel in meinen Fingern und stopfte die kleinen Kerlchen pulend ich mich hinein. Pia hingegen hielt dezent Abstand - von dem Meeresgetier, aber auch von mir.

An allen Ecken und Enden trafen wir auf Frankfurter, die sich auf den Weg ins Jadestadion gemacht hatten. Wir legten am Börsenplatz eine kleine Pause ein und während Pia mit den Jungs ein Bierchen trank, hockte ich einige Meter abseits und pulte Krabbe um Krabbe. Später warf ich meine gesammelten Abfälle in einen Mülleimer am Platz und fing mir das erste Mal in meinem Leben einen Anpfiff dafür ein, ein penibler Einheimischer sah Fischabfälle im Mülleimer gar nicht gerne - doch wohin sonst damit?

Pia und ich marschierten am Rathaus vorbei, einem eigenwilligen Klinkerbau und wunderten uns über die Leere der Straßen; kaum einer Menschenseele begegneten wir, viele Geschäfte standen leer - der Niedergang der Schifffahrt hatte gerade hier in dieser Stadt, die erst Mitte des 19. Jahrhunderts als vorgelagerter Hafen Oldenburgs gegründet wurde, tiefe Spuren hinterlassen. Wir wanderten durch Wohnsiedlungen, fragten hier und da nach dem Weg und noch immer zerknackte ich die Panzer der Tierchen und schob eines nach dem anderen in den Mund bis wir nach einer ganzen Weile am Stadion ankamen.

Schon aus der Ferne erkannten wir die skurrilen Flutlichtmasten, die auf die Dächer der Tribünen montiert auf den Rasen ragten. Nun begann ein großes Hallo, die Eintrachtler trudelten peu a a peu ein; Shakehands und high five; hier winkte Yves aus Berlin, dort kämpfte sich Adi seines Wegs und alsbald standen wir in einer dichten Menschenmenge, um den arg engen Einlass zu passieren. Dies dauerte ein Weilchen, alle naslang fiel das Stichwort Duisburg und nichts gelernt aber im End wurden wir durch gewunken, bekamen ein kleines Stadionmagazin geschenkt und liefen noch ein paar Meter zur Gästetribüne. In der Containerdamentoilette nutzte ich die Gelegenheit, meine Hände mit Seife von den letzten Granatresten zu befreien, und riechend wie ein Mensch enterten wir die Metallkonstruktion und suchten ein brauchbares Plätzlein. Werner von Stadtallendorf war ebenso in unserer Nähe wie Thor und Siggi und nur wenige Meter vom Spielfeldrand blickten wir uns um. Die Sonne tauchte das Stadion in ein sommerliches Licht, die teuren Plätze der Haupttribüne befanden sich hinter einer Glaswand, die Reklame war durch grüne DFB-Banner überklebt und der Spielball von einem örtlichen Sponsor gestiftet.

Die Ersatzspieler der Eintracht platzierten sich auf einer Art Bierbank vor der Gegentribüne und schon ging's los. Die Eintrachtfans präsentierten eine feine Choreo doch erstaunlicherweise übernahm der SV Wilhelmshaven das Kommando, zwei rasante Flankenläufe des wieselflinken 14ers brachte höchste Gefahr - doch mit Glück und Geschick überstand die Eintracht die ersten Minuten, um anschließend das Heft selbst in die Hand zu nehmen.

Scheiterte Altintop noch an einer tollen Reaktion des Wilhelmshavener Schlussmanns Meyer, so machte es Amanatidis wenig später besser - und schob eine Vorlage Altintops überlegt zur verdienten Führung ins Netz. Meyer entwickelte sich fortan zum besten Friesen- doch das 2:0 durch einen Freistoß von Tzavellas konnte auch er nicht verhindern. Weitere Höhepunkte des Spiels waren eine Möwe, die verschreckt einem hohen Ball ausweichen musste; ein Gleitflieger, der über dem Stadion seine Runde drehte, sowie die sitzenden Eintrachtfans, die urplötzlich zum Erstaunen von Dino und Martin das Supportkommando übernahmen.

Während die Sonne langsam versank, trafen Ochs und Altintop zum 4:0 Endstand, die Eintracht überstand auch die Schlussoffensive des SVW schadlos und schaffte somit den Einzug in die zweite Runde problemlos. Wir sahen eine tolle Partie von Sebastian Jung, der immer stärker wird sowie Caio, auf den dies im Moment leider nicht zutrifft und zudem einen Auswärtsblock, der die schöne Stimmung wahrlich genoss. Einzig die Auswechslung Köhlers, die von einem Eintracht-Vogel mit schwuler Köhler Pfui kommentiert wurde trübte das sonnige Ereignis ein wenig. Traurig - aber versöhnlich stimmten die freundlichen Worte des Stadionsprechers, der auf die Shuttle-Busse hinwies, die die Eintrachtler zum Pumpwerk bringen sollten.

Mit dem Schlusspfiff enterten etliche Fans den Rasen während wir uns zum Kassenhäuschen aufmachten und die zwei letzten Pins sowie einen Schal des heutigen Spiels erwarben. Derart ausgerüstet spazierten wir gut gelaunt durch die City, futterten Sandwiches und machten einen kurzen Abstecher an den Jadebusen, nur wenige Meter vom Camping-Areal entfernt. Das Wasser hatte sich kurzfristig zurückgezogen; wir überließen einige Eintrachtluftballons sich selbst und machten uns auf in die Bembelbar im Pumpwerk um zu feiern und zu quatschen. Bis in die frühen Morgenstunden rockten die Eintrachtler das Gelände, tanzten, sangen die Frankfurter, auch etliche Wilhelmshavener schauten vorbei und wunderten sich über das muntere Völkchen und dessen seltsam Getränk.

Spät in der Nacht plumpsten wir ins Zelt und nach einigen wenigen Stunden traumlosen Schlaf weckte uns das Treiben der Camper. Die ersten hatten den Platz schon verlassen, andere schnorchelten noch vor sich hin, während wir den Rest Schlaf aus den Augen wischten und Pia erstmal im nahe gelegenen Café einen Kaffee besorgte. Die vergangene Nacht stand etlichen ins Gesicht geschrieben doch schon kreiste der erste Apfelwein, während ich brav unser Zelt abbaute und das Gelersch im Golf verstaute. Und da dämmerte es mir: Es ist ja gar nicht Sonntag, es ist Samstag. Und das bedeutet, ich kann mir eine weitere Tüte Granat kaufen. Das Leben ist schön, zumindest manchmal und alsbald wanderten wir mit einer Tüte in der Hand Richtung Jadebusen. Vielmehr ich, Pia war für das Meeresgetier noch immer nicht zu begeistern. Wir trafen unterwegs selbstverständlich auf den ein oder anderen Frankfurter, der sich gleichfalls eine leichte Brise um die Nase wehen lassen wollte, marschierten zum Südstrand, beguckten dort Möwen, Strandkörbe und Touristen und ließen uns über die bekannte Kaiser Wilhelm Brücke treiben. Am Rande des Ems-Jade-Kanals spazierten wir zurück zum Campingplatz; bewunderten noch einige Schiffe und versorgten uns mit Reiseproviant. Am Zeltplatz, der sich schon merklich geleert hatte, verabschiedeten wir uns vom Bembelbarteam, bei dem ich mich auch an dieser Stelle ganz herzlich für die lässige Location bedanken möchte, und setzten den Golf in Gang. Ein kurzer Stopp in Sande brachte Benzin für die Rückfahrt und schon rollten wir auf den Highway. Langsam kroch die Müdigkeit in uns, doch bewegende Sportreportagen aus dem Autoradio hielten uns wach. So führte Leverkusen in Pirmasens zur Halbzeit mit 1:0 um am Ende mit 11:1 zu siegen, während St. Pauli in Chemnitz die Segel streichen musste. Auch waren wir live dabei, als bei den Schwimmeuropameisterschaften die junge Silke Lippok zu Silber kraulte und der Reporter fast einem Herzinfarkt erlegen wäre.

Nach vier Stunden unaufgeregter Fahrt erreichten wir Frankfurt müde aber glücklich und nur wenig später rollte ich mit dem Golf in die untergehende Sonne Richtung Westen, um den Abend auf der Terrasse eines anderen Eintrachtlers ausklingen zu lassen. Aber dies ist eine andere Geschichte.

14 Kommentare:

  1. Ja, genau so schön und geil war es ! Einfach ein phantastischer Tag, den Du wie immer genau so schön beschrieben hast !

    AntwortenLöschen
  2. Danke für den Bericht
    aus der Heimat meiner
    Frau ( früher Oldenburg)
    Sehr schön geschrieben.

    Bernd

    AntwortenLöschen
  3. Achja, und wir auf dem Hügel wunderten uns schon über komische Hubzeichen von der Autobahn 8)
    es musste halt auf den Rest des Konvois gewartet werden 8)

    schöne Auswärtsfahrt :)

    Simeon

    AntwortenLöschen
  4. *sing* Hey Mistertaliban -Osamabinladen. Schmeiss die Bombe auf Offenbach! *ggg*

    Wilhelmshaven. Städtische Verwüstung.
    Nicht an diesem 13.August. Das war wirklich ein kultiges Auswärtsspiel. Ohne es auch wirklich vorher wissen zu können.

    AntwortenLöschen
  5. Also, ich habe nichts gegen "Granat"en - ich würde gerne mal wieder eine für die Eintracht spielen sehen. ;-)
    Und Krabben sind lecker.

    Danke und Gruß vom Kid

    AntwortenLöschen
  6. Gerade von der Nordsee zurückgekehrt & dann gleich wieder auf die Reise mit Dir, Pia & dem silbernen Golf. Danke, Beve! Was für ein Ritt. Traumhaft!

    Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen,
    Fritsch.

    AntwortenLöschen
  7. großartige reise - und schon wieder tiefe vergangenheit.

    danke euch - und viele grüße

    beve

    AntwortenLöschen
  8. Pia, ich kann diesem Geschlunze auch nichts abgewinnen. BÄH. GEH FORT....!

    Danke für den Bericht, Axel!

    (Leute, lasst Euch eine Museumsführung mit Axel nicht entgehen. Sehr unterhaltsam und informativ!)

    AntwortenLöschen
  9. Grrrrrrranat - mit rollendem rrrrr. Ich hab’s genau im Ohr, wie die das da oben aussprechen. Ich seh auch die rosa Berge, die die Fischer, wenn sie von draußen kommen, vor dem Weitertransport erst mal neben der Anlegestelle auf dem Boden ausschütten. Wenn ich recht bedenke: ich rieche sie sogar. Arrgh…

    Ja. Festhalten kann man’s nicht. Oder wie ,-) Trio es formulieren würde: „Alles hat ein Ende nur die Wurst hat zwei.“

    Danke fürs Aufschreiben und dadurch ja doch zumindest ein bisschen festhalten. Apropos festhalten: Feine Streiflichtfotos – aber leider keines vom Meer :-(...Nachdem in vielen WHV-Reiseberichten vermerkt wurde, es sei verschwunden, ist es bei euch nach kurzzeitigem Rückzug zum Glück wieder aufgetaucht *g - davon hätte ich mich bildlich gern selbst überzeugt. Nur zur Sicherheit. In diesen Zeiten, man weiß ja nie ,-)

    AntwortenLöschen
  10. Hallo Beve. Vielen Dank für Deinen Bericht.

    Hatte ja sehr gehofft, dass er "Heimspiel am Jadebusen" heißen würde ... ;-)

    AntwortenLöschen
  11. Hi Beve

    Für Leute wie mich, die vor gar nicht all zu langer Zeit bei so einem Spiel live dabei gewesen wären, es aber inzwischen aus beruflichen Gründen kaum mehr privat zu einem Eintrachtspiel schaffen, ist dein Blog wirklich ein Segen. Auch wenn mir deine Texte immer wieder aufs Neue vor Augen führen, was ich verpasse und warum ich dieses ganze Gegurke wirklich vermisse, so bekomme ich beim Lesen doch wenigstens auch ein bisschen das Gefühl zurück, das einen beschleicht, wenn man mal wieder einen anstrengenden, aber gleichzeitig schönen, interessanten, lustigen, erfolgreichen, nervenaufreibenden ... Trip für und mit der Eintracht und mit vielen anderen netten Leuten hinter sich gebracht hat.

    Einfach nur danke.

    Gruß
    Tobi

    AntwortenLöschen
  12. Ganz Demütig und Verneigend vorm Nootebook hocke.... Danke Beve.....ach ja...was wäre ich gerne dabei gewesen

    AntwortenLöschen
  13. Doch doch, das Wasser war da; mit eigenen Augen sah ich Badende, keine Badeente :-)

    Auswärts im Kleinen - das ist das Schönste beim Reisen.

    Viele Grüße

    Beve

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.