Seiten

Donnerstag, 13. Mai 2010

Ihr Eintrachtler, lasst euch nicht zerbrechen - Teil III


Wie berichtet, trafen sich annähernd 50 Interessierte anlässlich der Stolpersteinverlegung im Gedenken an den von Nazis im April 1942 ermordeten jüdischen Eintrachtler Hans Rosenbaum und dessen Eltern im Museum der Frankfurter Eintracht.

Im Laufe der Veranstaltung schilderte Eberhard Schulz von der Versöhnungskirche des KZ Dachau den Lebenslauf des ebenfalls von Nazis ermordeten jüdischen Nationalspielers Julius Hirsch, während Helga Roos und Bertan Tufan Einblicke in die Arbeit der Geschichtswerkstatt gewährten, die sich 2008 mit der Historie der Firma J. & C.A. Schneider beschäftigten, dem Schlappeschneider, dessen Inhaber Adler und Cousin Walter Neumann, genannt Schlappe-Stinnes große Mäzene der Eintracht waren - bis der Betrieb arisiert wurde und für einen Spottpreis verkauft werden musste.

Zur Geschichte des Eintrachtlers Hans Rosenbaum hat Matthias Thoma, Museumsdirektor der Frankfurter Eintracht, den nun folgenden Text recherchiert und verfasst, der als Broschüre zur Stolpersteinverlegung verteilt und mir freundlicherweise zur Verfügung gestellt wurde:


Hans Rosenbaum wurde am 9. September 1907 in Frankfurt am Main geboren. Seine Eltern waren der Metzgermeister David Rosenbaum (*7. April 1876) und dessen Frau Frieda (*20. Dezember 1890), geborenene Sichel. Die Rosenbaums betrieben in der Straße Unterlindau 74 eine florierende Metzgerei, die aus dem Verkaufsgeschäft und einer Wurstmacherei im Keller bestand. Die Privatwohnung war im gleichen Haus untergebracht. An Wochenenden fuhren die Rosenbaums oft zum Ausspannen in den Taunus, hier wohnten sie in Kronberg. In den 1920er Jahren wurde Hans Rosenbaum Mitglied der Eintracht und engagierte sich fortan in der Fußballjugend des Vereins am Riederwald. Hans war ein sportlicher Typ, 1,80 groß und schlank. Leider sind keine Fotos von Hans Rosenbaum überliefert, der Name taucht aber immer wieder in Mitgliederlisten und Spielerpassbestellungen auf. Wie lange Hans Rosenbaum Mitglied der Eintracht war, ist nicht bekannt. Beruflich eiferte er seinem Vater nach. Nach dem Besuch der höheren Schule arbeitete er als Metzger im elterlichen Betrieb. Während der Reichspogromnacht 1938 wurde das Familiengeschäft der Rosenbaums von Nationalsozialisten zerstört, Hans und sein Vater wurden vorübergehend nach Buchenwald deportiert.

A
m 8. Mai 1940 wurde Hans Rosenbaum von einem Sachbearbeiter der Würtembergischen Versicherung angezeigt. An einer Jöst-Trinkhalle an der Ecke Zeil/Friedberger Anlage hatte er sich am 21. April am Zigarettenanzünder den Mantel verbrannt. Den Schaden ließ er reparieren und zahlte die Rechnung in Höhe von 16,50 RM. Zuhause änderte Hans die Rechnung ab und reichte bei der Versicherung einen Erstattungsantrag über 26,50 RM ein. Noch am Tag der Anzeige wurde Hans Rosenbaum verhaftet und am 4. Juni wegen schwerer Urkundenfälschung zu sechs Monaten Haft verurteilt. Am 17. Juni beantragte sein Vater David die Freilassung von Hans, da er seit vielen Jahren an "epileptischen Anfällen mit bewusstseinstörenden Anfällen" leide. Zur Bestätigung legte er mehrere ärztliche Atteste vor. Hans Rosenbaum wurde daraufhin am 27. Juni 1940 aus der Haftanstalt Preungesheim entlassen, "Strafaussetzung" wurde gewährt.

A
m 19. April 1941 wurde die gesamte Familie Rosenbaum bei der ersten großen Deportation jüdischer Frankfurter ins Ghetto Litzmannstadt (heutiges Lodz) verschleppt. Das Amtsgericht Frankfurt intervenierte daraufhin und forderte, dass Hans Rosenbaum noch einen Teil seiner Strafe zu verbüßen habe. Daraufhin antwortete die Gestapo Litzmannstadt: "Da im hiesigen Ghetto, das vollkommen umschlossen ist und durch die Schutzpolizei bewacht wird, zur Zeit erhebliche Fälle von Seuchenkrankheiten herrschen, darf der Jude Rosenbaum wegen der Gefahr einer Verschleppung von Seuchen das Ghetto nicht verlassen... Im hiesigen Ghetto ist ein unter jüdischer Aufsicht stehendes Gefängnis errichtet worden, in dem Juden unter hiesiger Aufsicht ihre Strafen verbüßen. Ich bitte, auch im Falle Rosenbaum mir die Genehmigung zu erteilen, dass er die Strafe von 6 Monaten im hiesigen jüdischen Zentralgefängnis verbüßt." Der Oberstaatsanwalt in Litzmannstadt antwortete am 3. April 1942: "Nach den im hiesigen Ghetto herrschenden Verhältnissen, die dem Amtsgericht Frankfurt wohl nicht bekannt sein können, würde die Überführung des Juden in den deutschen Strafvollzug - sei es Gefängnis oder Straflager - für ihn kaum eine Strafe bedeuten. Das Ghetto Litzmannstadt ist ein geschlossenes Judenghetto. Abgesehen von anderen Gründen war die vollkommene Abschließung des Ghettos auch aus gesundheitspolitischen Erwägungen erforderlich, so daß schon von diesem Standpunkt aus die Verbringung eines Ghettojuden in den Strafvollzug schwersten Bedenken begegnet."

Am 12. April 1942 trat Hans Rosenbaum im Zentralgefängnis von Litzmannstadt die Verbüßung seiner Reststrafe an. Die Haft überlebte er keine Woche. Am 18. April 1942 um 9:20 verstarb er im Zentralgefängnis.

A
uch Frieda und David Rosenbaum, die Eltern von Hans, kamen im Ghetto Litzmannstadt ums Leben. Ihr Todesdatum ist nicht bekannt.



Soweit Matthias Thomas trauriger Text.

Am 07.Mai 2010 trafen sich wiederum 50 Eintrachtler zur Stolpersteinverlegung zum Gedenken an Hans, Frieda und David Rosenbaum, darunter Präsident Peter Fischer, Vize Axel Hellmann, Vorstandsmitglied der Fußball AG Dr. Thomas Pröckl und Abteilungsleiter Stefan Minden von der Fan- und Förderabteilung. Mitarbeiter des Fanprojektes, das wie auch die Ultras für die Stolpersteine gesammelt hatte, spannten vor der Unterlindau 74 ein Transparent gegen Rassismus auf. In seiner Rede erinnerte Eintrachtpräsiden Fischer daran, dass es mindestens 20 ermordete jüdische Eintrachtler gegeben habe und die Eintracht sich auch weiterhin dafür einsetzen wird, dass die Erinnerung lebendig bleibt. Besonders stolz war Fischer darauf, dass diesmal die Fans der Eintracht für die Steine gesammelt hatten.

Matze Thoma schilderte anschließend die bewegende Geschichte der Rosenbaums, während der Künstler Gunther Demnig die Steine vor der ehemaligen Metzgerei verlegte. Fans und auch der Präsident legten Blumen nieder, gedachten der traurigen Tage - und wenn wir auch geschehenes Unrecht nicht wieder gut machen können, so liegt es an uns, neues Unrecht nicht zu zu lassen. Welche Maske es auch immer trägt.

Herzlichen Dank an Matthias Thoma, nicht nur für den Text über die Rosenbaums, sondern auch für die intensive Recherche zum Thema - ohne die das Wissen um die finstere Zeit auch der Eintracht vielleicht heute noch im Verborgenen liegen würde. Egal, ob und welchen Glauben wir in uns tragen; Wir waren - und wir sind: Die Juddebube.




Julius Hirsch, ermordet wahrscheinlich 1943 - Karlsruher FV/Spvgg Fürth




Miniaturhausschuhe der Firma Schlappeschneider - Geschenk an das Museum von der Geschichtswerkstatt




Silberbesteck von Hugo Reiss neben den Schlappen von J. & C.A. Schneider

7 Kommentare:

  1. Hallo,

    leider habe ich keine Möglichkeit, an den Veranstaltungen im Museum teilzunehmen, deswegen freut es mich um so mehr, dass du diese so ausführlich dokumentierst. Einen großen Dank an dieser Stelle für dich, auch für die ersten beiden Beiträge.

    AntwortenLöschen
  2. Zum letzten Satz: Und wir werden es auch bleiben!

    AntwortenLöschen
  3. Herzlichen Dank für den Bericht. Er schlägt eine Brücke zu den entfernt wohnenden Eintrachtlern. Und das am Brückentag.

    AntwortenLöschen
  4. vielleicht liest ja auch jemand in ein paar zig jahren die berichte, und wir hocken alt und zittrig daneben und schildern die anfangstage des museums. eben noch heute, bald schon tiefe vergangenheit.

    viele grüße

    beve

    AntwortenLöschen
  5. Ich komme nicht immer dazu, die Berichte zeitnah zu lesen.
    Vielen Dank für diese drei Geschichten. Sie sollten nicht nur im Rahmen eines Fussballblogs stehen.
    Schone Grüße aus Mexico

    AntwortenLöschen
  6. Ausländerinnen und Ausländer sind Bomber

    AntwortenLöschen

Hinweis: Nur ein Mitglied dieses Blogs kann Kommentare posten.