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Montag, 3. Mai 2010

Träum weiter

Allenthalben ist die Rede von einer tollen Saison, von sensationellen 46 Punkten und einer nahezu überragenden Platzierung. Dies mag zutreffen, wenn man die Vorsaison zum Maßstab nimmt; jene Seuchensaison, welche nach Verletzungen, Querelen um die vorzeitige Vertragsverlängerung des damaligen Trainers, nach der grotesken Spielverlegung gegen den KSC ob des Madonna-Konzertes und mehrfachem Stimmungsboykott sowie der ein oder anderen seltsamen Trainerentscheidung letztlich mit 33 Pünktchen abgeschlossen wurde - mit dem Minimalziel Klassenerhalt. Just jene 33 Pünktchen hätten auch dies Jahr zum Verbleib in der ersten Liga berechtigt. Überragend aber wäre dieses Jahr für die Eintracht ein machbarer sechster Platz gewesen; die Möglichkeiten und die Fähigkeiten waren gegeben.

Was noch im letzten Jahr ein verzweifelter Wunsch blieb, nämlich ein Sieg gegen die Großen der Liga, ist nun mehrfach und eindrucksvoll gelungen: Heimsiege gegen München, Bremen und Leverkusen, dazu Dreier in Bremen und Dortmund, das vielleicht stärkste Spiel der Eintracht während der vergangenen Saison; der emotionalste Sieg sicherlich der gegen die Bayern. Dem stehen aber gegenüber: kein Sieg gegen Köln, Gladbach, Hoffenheim und Nürnberg, die Niederlage in Hannover, das Desaster in Leverkusen sowie die Schlappe im Pokal gegen München als auch traditionelle null Punkte gegen Schalke und Stuttgart - im Ergebnis stehen nach 33 Spielen 46 Punkte zu Buche, ein Wert, der 2007/2008 ebenfalls erreicht wurde - jedoch nach 34 Partien. Sensationell?

Nikolov, Pröll, Ochs, Köhler, Meier, Russ, Chris dazu Vasoski standen schon zu Zweitligazeiten im Kader der Eintracht, mit Spycher und Amanatidis sowie Preuß stießen weitere zwei nach dem Aufstieg 2005 dazu. Nimmt man nun noch Jung, Titsch-Rivero, Toski und Zimmermann dazu, die in jenen Jahren ebenfalls schon für die Eintracht kickten (wenn auch für die Jugend), dann verweist dies auf eine erstaunlich Kontinuität, die durch Torwarttrainer Andi Menger ergänzt wird, der ebenfalls schon seit 2001 dabei, ist - wenn auch zu Beginn noch als Torhüter ohne Einsatz. Diese Kontinuität - und die Entwicklung der Spieler, allen voran Meier - war ein Garant für die Etablierung in der ersten Liga; eine Erfahrung, aus der nicht genug Lehren gezogen werden können.

Schlechter als Platz 10 wird die Eintracht definitiv nicht abschneiden - und besser als 8 auch nicht - damit können die meisten leben.

Trauriger Tiefpunkt der Saison war das Karriereende von Christoph Preuß, der fortan außerhalb des grünen Rasens für die Eintracht arbeiten wird, wo genau werden wir noch sehen.

Sportlich interessant ist die ununterbrochene Verweildauer der Vereine in der ersten Liga:

Hamburger SV - 1963
Bayern München - 1965
Borussia Dortmund - 1976
VfB Stuttgart - 1977
Bayer Leverkusen - 1979
Werder Bremen - 1981
Schalke 04 - 1991
Vfl Wolfsburg - 1997
Hertha BSC - 1997
Hannover 96 - 2002
Eintracht Frankfurt - 2005
Vfl Bochum - 2006

Borussia Mönchengladbach - 2008
1.FC Köln - 2008
TSG Hoffenheim - 2008

SC Freiburg - 2009
1. FC Nürnberg - 2009
Mainz 05 - 2009


Die ersten acht in dieser Rangliste finden sich allesamt auch in der aktuellen Tabelle unter den ersten acht wieder. Hertha purzelt definitiv raus, hausgemacht und unnötig und Hannover könnte aus gleichen Gründen dazu kommen - dies würde für die Eintracht den Sprung von Platz elf auf neun bedeuten - exakt den Platz, den das Team derzeit inne hat.

Natürlich ist nicht die bloße Anzahl der Jahre ausschlaggebend sondern die damit verbundenen kontinuierlich hohen Einnahmen in Liga Eins. Hoffenheim wird wohl ein Kandidat sein, der demnächst tabellarisch weiter höher anzusiedeln ist, als die Verweildauer vorgibt - sie finanzieren aber ihr Team nicht aus den Säulen TV-Geld - Marketing - Zuschauer, sondern durch Fremdgeld - ebenso wie Leverkusen und Wolfsburg.

Dass Geld nicht alles ist, belegen scheinbar kurzfristige Erfolge der Underdogs - die aber regelmäßig im Jahr danach ins Gras beißen; beißen müssen. Ein Aufsteiger, der mit jungen Leuten die Liga aufmischt, macht dies meist mit einem geringen Budget und einem funktionierendem Team. Aufstrebende Spieler wecken aber die Begehrlichkeiten anderer Vereine, das Überraschungsteam kann in der Regel finanziell nicht mithalten - und schon bricht es im Jahr darauf auseinander, selbst wenn nur ein, zwei tragende Säulen weg brechen. Da aber die Erwartungshaltung des Umfeldes traditionell steigt, folgt zudem Zwist wenn's nicht so wie im Vorjahr läuft - und die Bodenlandung dazu. Nürnberg und Karlsruhe dienen in den letzten Jahren als Beispiel, nun werden wir Mainz 05 in Jahr lang unter diesen Gesichtspunkten beobachten können.

Was heißt dies aber für die Eintracht? Jedes Jahr in dem die SGE in der ersten Liga bliebt, verschafft ihr einen Vorsprung vor den hinter ihr stehenden Vereinen - der aber in der Endabrechnung durch die Platzierung bestätigt werden muss. Und jedes Jahr, in dem die Eintracht nicht international spielt, verschafft ihr einen Nachteil, gegenüber den vor ihr liegenden Vereinen - den diese bestätigen müssen. Wenn diese den Vorsprung verspielen wie nun die Hertha, können wir den Verein hinter uns lassen.

München, Bremen, Leverkusen, Hamburg, Stuttgart, Wolfsburg dürften finanziell sattelfest sein, dazu Hoffenheim. Dortmund ist ein Wackelkandidat - durch die internationalen Plätze dieses Jahr dürften sie sich aber stabilisieren - und nur Schalke 04 steht auf äußerst porösen Beinen - haben aber durch die Option Championsleague die Möglichkeit, sich für dieses Jahr zu halten. Ein frühes Ausscheiden und eine kommende Saison ohne internationale Platzierung könnte sie aber in unsere Richtung schicken.

Solange die Eintracht aber bei der vernünftigen Maßgabe bleibt, nicht mehr auszugeben als die Einnahmen hergeben, solange braucht es das Glück des Tüchtigen, um entweder überragende Einzelkönner zu vergleichsweise günstigen Optionen ins Waldstadion zu locken - oder aber ein Team das als Ganzes konsequent über den Möglichkeiten spielt: dies wäre wünschenswert - ist aber nicht wirklich planbar, schließlich wollen das alle, die nicht mit prallem Geldbeutel unterwegs sind.

Von daher winkt uns nächstes Jahr Platz 10 - alles darüber wäre ein Erfolg - alles darunter eine Enttäuschung. Die größte Enttäuschung aber wäre dieses Jahr, hinter Mainz zu stehen. Nicht weil ich Mainz doof finde, sondern weil es das Gesetz des Geldes so will. Und weil ich Mainz doof finde. Ein Sieg in Wolfsburg könnte uns sogar auf Platz 8 spülen - sollte es so kommen, wäre dies eine respektable Leistung - dennoch bleibt die Frage, weshalb aus den Spielen in Gladbach, gegen die Hertha, in Mainz und gegen Hoffenheim nur zwei von zwölf möglichen Punkte geholt wurden - und damit leichtfertig die Teilnahme an einem internationalen Wettbewerb vergeben wurde. Dies wäre wahrlich ein großer Schritt gewesen.

Platz zehn also im kommenden Jahr. Alles wie gehabt könnte man meinen. Die Saison ist gelaufen. Es gibt bis Sommer 2011 nichts mehr zu sagen. Zumal der zehnte Platz exakt die Platzierung der Eintracht in der ewigen Tabelle ist. Heidenei.

Aber das ist das schöne am Fußball: Jedes Jahr gehe ich davon aus, dass die Eintracht das Zeug dazu hat, oben mit zu spielen. Weil es eben die Eintracht ist. Und jedes Jahr sagt mir die Wirklichkeit: Träum weiter.

Mach ich.

8 Kommentare:

  1. Mach ich auch, Beve. Weil es eben die Eintracht ist. Und manche Dinge, erst einmal im Herzen angekommen, schlicht & ergreifend bleiben. Und das ist gut so.

    Danke, daß ich einmal mehr eine Saison mit Dir erleben durfte. Danke für diesen grandiosen Beitrag. Danke für das Seelenfutter, mein Freund!

    Viele Grüße & weiterhin sichere Straßen,
    Fritsch.

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  2. Platz 10 ist doch eine tolle Perspektive!

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  3. immerhin nicht elfter - das dürfte so manch einen beruHiGen ;-)

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  4. Also gefühlt sind wir 6. ;)

    Blendet man die duseligen Siege aus und ärgert sich nur über duselige Niederlagen die man in jedem Fall auch hätte vermeiden können, stünden wir dann sogar dick im Europapokal. Und irgendwann kommt diese eine Saison, ganz sicher.
    Und es ist immer die nächste, wie beim Lotto (glaube ich, spiele ich ja nicht).
    Und einen Meistertitel erlebe ich auch noch. Auf Basis der heutigen Führungsphilosophie wäre die 3fach geil.

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  5. So isses...
    Danke für den Beitrag - spricht mir mal wieder aus dem Herzen.
    Adlergruß aus Arzignano
    Martin

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  6. Viele von denen, die in der "Verweildauerübersicht" im oberen Abschnitt stehen, haben aber bei der einen oder anderen Gelegenheit dem Abstiegsgespenst tief in die Augenhöhlen geblickt. Erinnert euch: der Hamburger SV, Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen ,Vfl Wolfsburg; jetzt erwischt es Hertha, vielleicht noch Hannover 96. Es gibt neben den kurzfristigen Erfolgen der Underdogs auch Mißerfolge der Etablierten; die Eintracht hat es einst schmerzlich selbst erfahren müssen. Wer zerbricht nächstes Jahr? Der BVB im Europaligastress, wie heuer die Hertha? Die Eintracht muss dranbleiben, in diesem Langstreckenrennen.

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  7. Danke Axel für diesen sehr gelungenen Beitrag, der mich leider (mal wieder) in meine eigenen gedanklichen und emotionalen Schranken verweist. Aber am Ende des Tages wirst Du wohl leider recht behalten.

    Trotzdem träume auch ich von Spieltag zu Spieltag, so wie ich früher um 17:15 nach dem Radio hören, immer wieder hoffte, dass das Ergebnis in der Sportschau doch bitte ein anderes sei. Leider war auch diese Hoffnung immer vergebens.

    Trotzdem gebe ich die Hoffnung nicht auf, dass wir eines Tages all das erleben, für das sich dieses Spiel lohnt. Ein Anfang wurde diese Saison gemacht, nun gilt es sich auf dem nächsten Level zu stabilisieren und dann ... wer weiss das schon.

    Gruß
    Thorsten

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  8. Also auch Wolfsburg verkackt.

    10. ist nicht schlecht. Sechster wäre besser. Aber das wissen auch die Hamburger :-)

    Viele Grüße

    Beve

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